Leseprobe

222 223 Die wilden Vertreibungen waren vielfach von massiver Gewalt begleitet. Auch Erschöpfung, unzureichende Versorgung und Krankheiten führten zu vielen Todesfällen. Die Deutsch-­ Tschechische Historikerkommission kam 1996 überein, dass die Vertreibungsverluste mit mindestens 16 000, höchstens aber 30 000 Todesopfern anzusetzen seien. Situativ kam es zu regelrechten Exzessen mit einer hohen Zahl an Opfern, so etwa beim sogenannten Brünner Marsch, der in deutschen Quellen und Publikationen auch als Brünner Todesmarsch bezeichnet wird. Rund 20 000 Deutsche, vor allem Frauen, Kinder, arbeitsunfähige Personen sowie Männer über 60 Jahre, wurden Ende Mai 1945 aus Brünn (Brno) und Umgebung zu Fuß Richtung Österreich getrieben. Nur ein Teil der zum Marsch gezwungenen Personen überschritt tatsächlich die österreichische Grenze. Der Großteil blieb in Südmähren zurück und wurde in einem improvisierten Lager in Pohrlitz (Pohořelice) sowie in Nachbargemeinden untergebracht. Bis Mitte Juli starben auf tschechoslowakischem Gebiet rund 700 Menschen – hauptsächlich an den Folgen einer Ruhrepidemie. Auf österreichischem Territorium kamen mutmaßlich etwa 1 000 Personen durch Entkräftung und Krankheiten ums Leben. Die Gesamtzahl der Opfer ist nicht bekannt. Die Kennzeichnung machte viele Deutsche zur Zielscheibe für Demütigungen, Misshandlungen und im Extremfall sogar Mord. Die tschechoslowakische Exilregierung hatte bereits 1942 und 1943 von den Alliierten die grundsätzliche Zustimmung zur Zwangsaussiedlung der Deutschen erhalten. Nun setzten sich alle politischen Kräfte im Land für eine schnelle Abschiebung einer möglichst großen Anzahl ein. Die Westmächte sollten damit noch vor dem geplanten Treffen in Potsdam vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Die Sowjetunion unterstützte diese Vertreibungspläne. Von Frühjahr bis Herbst 1945 wurden schätzungsweise 700 000 Deutsche von der tschechoslowakischen Armee sowie verschiedenen paramilitärischen Einheiten in die sowjetische Besatzungszone Deutschlands und nach Österreich vertrieben. Ihr Eigentum wurde vorher konfisziert. »VIELFACH NOCH IN FAMILIENBESITZ« Andrea Kamp Kuratorin »ABER ICH TRUG DAS N NICHT.« Christine Rösch Musste als 16-Jährige das Zeichen N tragen »INSTRUMENT UND SYMBOL« Volker Zimmermann Historiker ARMBINDE VON HERMINE SPRINZ Senftenberg (Žamberk)/Tschechoslowakei, 1945 Hermine Sprinz musste diese Armbinde bis zu ihrer Zwangsausweisung im Sommer 1946 tragen. SCAN ME

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