Familie Schäfer aus dem kleinen Ort Skrodeln (litauisch Skrodliai) im Memelgebiet wurde im März 1949 – Sohn Gerd-Helmut war gerade ein knappes Jahr alt – nach Sibirien verschleppt. Etwa 90 000 Menschen aus Estland, Lettland und Litauen widerfuhr dieses Schicksal. Sie wurden als Feinde der Sowjetunion verhaftet und mit der Eisenbahn in entlegene Gebiete gebracht. Unter den Deportierten waren auch Deutsche wie die Schäfers. Den Schäfers blieb kaum Zeit, die notwendigsten Sachen zusammenzupacken. Nach vierzehntägiger Zugfahrt kamen sie im Gebiet Irkutsk an und wurden dort in einer sogenannten Sondersiedlung untergebracht. Die Familie wurde einer Kolchose zugeteilt, in der die Eltern in der Holzwirtschaft arbeiten mussten. Da die Verbannung auf unbestimmte Zeit galt, lebten sie fast ein Jahrzehnt in der Ungewissheit, ob sie Sibirien jemals würden verlassen dürfen. Wie alle Deportierten wurde die Familie der Kommandantur unterstellt, durfte den Wohnort nicht wechseln und musste sich regelmäßig polizeilich melden. Das Leben in Sibirien war sehr hart und entbehrungsreich. Dennoch gelang es den Eltern, wie GerdHelmut Schäfer sich später erinnerte, ihrem Sohn eine einigermaßen unbeschwerte Kindheit zu bieten. Mit sechs Jahren kam der Junge in die Schule, konnte bald besser Russisch als die Eltern und unterstütze sie etwa beim Schreiben russischer Briefe. VERNERS STARASTS MIT SEINEM HUND TOBI Medze/Lettische SSR, 1949 1948 wurde Werner in Insterburg mit anderen Jungen zusammengetrieben und in einen Güterzug gesetzt, der nach Lettland fuhr. Vermutlich wollte man sich der elternlosen Kinder entledigen. Werner kam bei einer Bäuerin unter, der er auf dem Hof half. Da es in Lettland illegal war, Deutsche zu beherbergen, sorgte sie dafür, dass der Junge eine neue, eine lettische Identität bekam: Aus Werner Kascherus wurde Verners Starasts. In den 1970er-Jahren fand Verners Starasts mithilfe des Roten Kreuzes seine Mutter wieder, die in der Bundesrepublik lebte. 1974 trafen sie sich in Moskau, dreißig Jahre, nachdem sie voneinander getrennt worden waren. Er versuchte mehrmals, zu seiner Familie in die Bundesrepublik auszureisen, hatte jedoch Schwierigkeiten, gegenüber den Bundesbehörden seine deutsche Herkunft nachzuweisen. Er blieb daher in Liepāja (Libau) in Lettland.
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