Umsiedlungen, Evakuierungen und Flucht Einbürgerungsformalitäten der Umsiedlerinnen und Umsiedler unterwegs erledigte. Über die ethnische Zugehörigkeit der Schillers waren sich die deutschen Beamten aber unsicher: Waren sie Deutsche oder Litauer? Sie erhielten nicht die deutsche Staatsbürgerschaft und kamen auch nicht in die annektierten polnischen Gebiete, sondern stattdessen in die Kleinstadt Bütow in Pommern. Familienvater Georg Schiller nahm dort eine Stelle bei der Reichsbahn an. Im Februar 1945 floh die Familie vor der heranrückenden Front zum Ostseehafen Gdingen (Gdynia, 1939–1945 Gotenhafen). Dort wurde sie getrennt. Während Anna Schiller mit dem jüngeren Sohn Hans per Schiff nach Dänemark gelangte, kam Georg Schiller mit Sohn Eduard nach Swinemünde. Erst im Oktober 1948 fand die Familie wieder zusammen. Deportationen, Flucht und Evakuierungen beim Rückzug an der Ostfront Nach der deutschen Niederlage in Stalingrad Anfang 1943 begann die Wehrmacht, sich an der Ostfront zurückzuziehen. Dieser Rückzug war von Zwangsrekrutierungen, Deportationen und Evakuierungen der Zivilbevölkerung begleitet. Ab Herbst 1943 evakuierten NS-Behörden parallel zum militärischen Rückzug Hunderttausende Deutsche hauptsächlich aus der Ukraine und dem Schwarzmeergebiet ins Altreich und in den Warthegau. Hier wurden sie Anfang 1945 von sowjetischen Truppen eingeholt. Diese deportierten sodann diejenigen Russlanddeutschen, denen die weitere Flucht nach Westen nicht gelang, zurück in die Sowjetunion, nach Sibirien und Kasachstan. Maria Kußmaul war im März 1944 mit ihren beiden Töchtern Ella und Alita und ihrer Schwiegermutter Elisabeth aus dem Gebiet Odessa in den Warthegau geflüchtet. Von dort verschleppten sie die sowjetiTrotz der unterschiedlichen Erfahrungen je nach Herkunft, Zeitpunkt und Umständen der Umsiedlung teilten diese Menschen bei Ende des Kriegs das Schicksal von Flucht, Vertreibung und erneuter Unterbringung in Lagern. Für viele entwickelte sich die von den NS-Behörden initiierte Umsiedlung zu einer jahrelangen Odyssee – etwa für die Familie Schiller aus Litauen. Im Sommer 1941 wurde sie in einem Sonderzug umgesiedelt. Neben dem Transport diente der Zug als fahrende Behörde, die die RUSSLANDDEUTSCHES GESANGBUCH Saratow/Russisches Kaiserreich, 1913 Für Maria Kußmaul aus dem Gebiet Odessa war das Gesangbuch ein wichtiges Andenken an ihren Vater. Er wurde 1929 als Großbauer (Kulak) von der sowjetischen Geheimpolizei nach Archangelsk deportiert und starb dort. Maria gelang es, trotz eigener Flucht und Deportation, das Gesangbuch zu retten. 1976 brachte sie es bei ihrer Aussiedlung aus der Sowjetunion mit nach Deutschland.
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