Leseprobe

337 2 Caroline Bardua Bildnis des Malers Caspar David Friedrich | 1810 Öl auf Leinwand, 76,5 × 60 cm Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie, Ident. A I 1127 Eindruck des von Alter und Krankheit gezeichneten Künstlers im späteren Porträt, sondern auch den kompositorischen und stilistischen Wandel, den Bardua in den drei Jahrzehnten zwischen der Entstehung beider Gemälde vollzogen hat. Die frühe, heroisch-klassizistisch anmutende Komposition mit romantischer Porträtauffassung (Abb. 2) wich 1839 einem weicheren, romantisch-realistischen Bild Friedrichs (Abb. 1).6 Caroline Bardua lernte den Maler durch den Porträt- und Historienmaler Gerhard von Kügelgen kennen, bei dem sie von 1808 bis 1810 lebte und in der Porträtmalerei unterrichtet wurde.7 Zuvor war sie bereits von 1805 bis 1807 in Weimar bei Heinrich Meyer in Ausbildung gewesen.8 In Weimar hatte Bardua auch Johann Wolfgang von Goethe getroffen und zum Freundeskreis um die Schriftstellerin Johanna Schopenhauer gehört.9 Meyer, der Direktor der Herzoglichen Freien Zeichenschule in Weimar war, hatte ihr geraten, nach Dresden zu gehen, und Goethe persönlich stellte ihr eine Empfehlung für das private Studium bei von Kügelgen aus.10 Zusätzlich konnte sie in der Gemäldegalerie die Werke Alter Meister studieren und kopieren. Dadurch schloss sie Freundschaft mit anderen talentierten Künstlerinnen wie Louise Seidler und Therese aus dem Winckel.11 Caspar David Friedrich war häufig Gast bei den von Kügelgens, wo sich viele bekannte Geistes- und Kulturschaffende trafen. Er freundete sich hier mit einigen der Lernenden seines guten Freundes an, so auch mit Bardua und Seidler. Bardua lernte über ihren Lehrer auch Anton Graff kennen, der als Porträtmaler eines ihrer größten Vorbilder wurde.12 Als sie 1810 das frühe Friedrich-Porträt in der Akademieausstellung zeigte, fand es große Anerkennung, einerseits wegen der technischen Ausführung, andererseits wegen der Erfassung der Persönlichkeit des Malers.13 Barduas Bilder zeichneten ein gezielt individuelles Erfassen der Persönlichkeit der Dargestellten aus, was wohl auf Anregungen Anton Graffs zurückzuführen ist.14 Nach der Akademieausstellung 1810 kehrte die Künstlerin nach Ballenstedt zurück. Hier traf sie erneut auf Friedrich: Als er und sein Freund Christian Gottlob Kühn 1811 ihre Harzwanderung antraten, besuchten die beiden die Familie Bardua einige Tage im Ballenstedter Elternhaus. Wilhelmine Bardua hielt diesen Besuch lebhaft fest: »An einem schönen Sonntagnachmittag, als Caroline am Piano saß, [...] zeigten sich zwei Fremde auf der Straße. Es war der Landschaftsmaler Friedrich und der Bildhauer Kühn, die, von Dresden kommend, auf einer Harztour begriffen waren und ein oder zwei Tage in Ballenstedt verweilen wollen. Sie kamen sogleich, Carolinen aufzusuchen, und das Zusammensein mit beiden Künstlern war für sie ein überaus großes Vergnügen.«15 Der Besuch in Ballenstedt sowie die beiden erwähnten Porträts deuten auf die gegenseitige Anerkennung, aber auch Vertrautheit zwischen Bardua und Friedrich hin. In Ballenstedt hatte Bardua zunächst Gesangs-, Klavier-, Gitarren- und Zeichenunterricht erhalten. Danach besuchte sie die Zeichenschule in Weimar, gefolgt von dem Aufenthalt bei Gerhard von Kügelgen. Als ihr Vater 1818 starb, übernahm Bardua die volle finanzielle Verantwortung für ihre Mutter, Schwester und ihren jüngeren Bruder. Malaufträge führten sie neben Weimar und Dresden auch nach Halberstadt, Halle, Leipzig, Magdeburg, Berlin und Heidelberg.16 1829 folgte ein Aufenthalt in Paris, wo sie Werke im Louvre studierte und kopierte, sowie ein dreijähriger Aufenthalt in Frankfurt am Main.17 1832 kehrten die Schwestern Caroline und Wilhelmine Bardua nach Berlin zurück.18 Dort gründeten sie 1843 gemeinsam mit Gisela, Maximiliane und Armgart von Arnim sowie Marie Lichtenstein und Ottilie von Graefe den literarisch-künstlerischen Salon Kaffeter, einen exklusiven Frauenclub, der sich der »Unterhaltung und Förderung der künstlerischen und musischen Begabung von Frauen«19 widmete.20 Ihre letzten Lebensjahre verbrachten die Bardua-Schwestern ab 1852 in ihrer Geburtsstadt Ballenstedt am Hof von Friederike und Alexander Carl, dem Herzogspaar von Anhalt-Bernburg.21 Auch hier war Bardua als Porträtmalerin tätig. Im Juni 1864 starb sie im hohen Alter von 82 Jahren. Sie war eine der wenigen Frauen ihrer Zeit, die freiberuflich als Künstlerinnen arbeiteten und von ihren Einkünften leben konnten. 1 Vgl. Kovalevski 2008, S. 44/45. 2 Werner 1929, S. 152. 3 Vgl. Dollinger 1993, S. 22. 4 Das Werk befindet sich seit 1911 in der Sammlung der Berliner Nationalgalerie; vgl. Verwiebe 2019, S. 19–22. Es wurde erstmals 1810 auf der Dresdner Akademieausstellung gezeigt; vgl. Kovalevski 2008, S. 16/17; vgl. Verwiebe 2019, S. 19. 5 Vgl. Kovalevski 2015, S. 18/19. 6 Vgl. Kovalevski 2008, S. 44/45; Kovalevski 2015, S. 37. 7 Vgl. Schwarz 1874, S. 53–57. 8 Vgl. Kovalevski 2015, S. 9/10. 9 Vgl. Dollinger 1993, S. 12/13. 10 Vgl. Kovalevski 2015, S. 10/11. 11 Unter all den Schülerinnen und Schülern im Haus der von Kügelgens muss Caroline Bardua besonders talentiert und beliebt gewesen sein. So schrieb von Kügelgens Sohn Wilhelm: »In der Tat war Caroline auch eine von den Naturen, die in keinerlei Klassenbegriff aufgehen, man konnte sie mit hergebrachtem Maßstab nicht bemessen. Sie war etwas für sich und etwas Ganzes, was jedermann gern respektiert«, zit. nach Kügelgen 1971, S. 208. Er führte aus: »[Sie] zeichnete [...] sich aufs vorteilhafteste vor allen übrigen Schülerinnen meines Vaters aus, der sich ihrer daher auch mit besonderem Interesse angenommen hatte und sich ihrer Erfolge herzlich freute, solange er lebte«, zit. nach ebd. 12 Vgl. Tanneberger 2012, S. 28/29. 13 Vgl. ebd. 14 Vgl. Ausst.-Kat. Gotha/Konstanz 1999, S. 240; Tanneberger 2012, S. 28/29; Kovalevski 2015, S. 15/16. 15 Schwarz 1874, S. 58/59. Mehr zum Besuch von Friedrich und Kühn in Ballenstedt vgl. ebd., S. 59– 61; Werner 1929, S. 33/34. 16 Vgl. Tanneberger 2012, S. 32–35; Kovalevski 2015, S. 21–33. 17 Vgl. Tanneberger 2012, S. 42; Dollinger 1993, S. 21/22; Kovalevski 2015, S. 34/35. 18 Seit einem Aufenthalt in Coswig und Halle 1815 wurde Caroline von ihrer 16 Jahre jüngeren Schwester begleitet; vgl. Kneffel 2011, S. 34. Wilhelmine Bardua, genannt Mine, war musikalisch und literarisch tätig. Während des ersten Berlinaufenthalts der Schwestern 1819 ließ sie sich zur Sängerin ausbilden und wurde im folgenden Jahr in die Berliner Singakademie aufgenommen; vgl. Werner 1929, S. 66/67. Von Wilhelmine Bardua stammt auch das biografische Werk Jugendleben der Malerin Caroline Bardua, das Walter Schwarz nach dem Tod der Schwestern herausgegeben hat. Es ist nicht nur für Leben und Werk Caroline Barduas, sondern auch sozial- und kulturgeschichtlich eine wichtige Quelle für ein bürgerliches Künstlerinnenleben in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. 19 Tanneberger 2012, S. 44. 20 Vgl. Kovalevski 2015, S. 43. Die Schwestern Bardua standen sich sehr nahe und lebten in einer engen Lebens- und Arbeitsgemeinschaft. Caroline und Wilhelmine Bardua waren talentierte Netzwerkerinnen, pflegten Kontakte zu zahlreichen Künstlerinnen und Künstlern, Schriftstellerinnen und Schriftstellern und bewegten sich erfolgreich in den jeweiligen Gelehrtenkreisen ihrer Wirkungsstätten; vgl. Carius 2016, S. 97; Tanneberger 2012, S. 35/36, 41/42; Dollinger 1993, S. 17/18. 21 Vgl. Dollinger 1993, S. 32–34.

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