Leseprobe

285 7 Caspar David Friedrich Zwei Männer in Betrachtung des Mondes | 1819/20 Detail aus Abb. 3, S. 252 Himmel mit gestupftem Farbauftrag, am Mond Bleistiftunterzeichnung sichtbar. 8 Caspar David Friedrich Hünengrab im Schnee | 1807 Detail aus Abb. 1, S. 249 Linker Eichbaum, rechts mit Überblendung der vergrößerten und digital bearbeiteten Skizze aus dem Karlsruher Skizzenbuch, 1804, S. 11, Nr. 8 –9. und auch gelegentlich auftretende tiefere Kratzspuren ignoriert (Abb. 5).22 Der zweifarbige Aufbau, den die Analyse der Querschliffe für die meisten Grundierungen erbrachte, blieb dem Käufer wahrscheinlich verborgen (Abb. 6). Vermutlich mischten die Hersteller aus ökonomischen Gründen den unteren, lediglich dem Ausgleich der Webstruktur dienenden Grundierungsschichten preisgünstiges Ocker, gebrannte rote Erde sowie Kreide und Bariumsulfat zu. In den oberen sichtbaren Grundierungsschichten dominiert ein hoher Anteil des vermutlich vornehmlich in Öl gebundenen teuren Bleiweißes. Friedrich malte seine Gemälde überwiegend auf gebrochen weiß grundierten Leinwänden, die gleichzeitig den Ausgangston für den dünnschichtigen Farbauftrag seiner Gemälde darstellten. Dass er den Farbton der Grundierungen im Einzelfall bewusst, dem geplanten Bildmotiv entsprechend auswählte, zeigt sich am Beispiel von Zwei Männern in Betrachtung des Mondes.23 Der rötliche Ockerton der obersten Grundierungsschicht bildet den Mittelton für die beinahe monochromatische Farbigkeit dieser späten Abendstimmung, der durch den lockeren Farbauftrag auch im vollendeten Gemälde maßgeblich mitwirkt (Abb. 7).24 KOMPOSITION, VORZEICHNUNG UND ÜBERTRAGUNG Friedrichs Ölgemälde sind ausnahmslos in seinem zweckmäßig eingerichteten Atelier entstanden, von dessen Ausstattung wir durch die Atelierszenen seines Freundes Kersting (Abb. 1, S. 327) eine recht genaue Vorstellung besitzen. Da keinerlei Kompositionsentwürfe oder gar Kartons überliefert sind, scheint die posthume Beschreibung von Carl Gustav Carus zum Entstehungsprozess Friedrich’scher Kompositionen zutreffend: »Er machte nie Skizzen, Kartons, Farbenentwürfe zu seinen Gemälden, denn er behauptete [...], die Phantasie erkalte immer etwas durch diese Hilfsmittel. Er fing das Bild nicht an, bis es lebendig vor seiner Seele stand [...].«25 Anders als die Gesamtkomposition, die idealerweise als »freie geistige Nachbildung der Natur«26 einem schöpferischen Schaffensakt des Künstlers entspringen sollte, legte Friedrich im Detail großen Wert auf genaues Naturstudium, frei nach seinem Credo: »[...] die Natur nach der Natur und nicht nach Bildern studiren.«27 Von seinem Zeichentalent zeugen etwa 1000, überwiegend im Freien entstandene Skizzen, welche neben Landschaftsausschnitten auch einzelne Steine, Wurzeln oder Äste exakt porträtieren. Die schon oft beschriebene Tatsache, dass Friedrich diese Naturstudien als Versatzstücke in seinen Bildkompositionen verwendete, zeigt, dass für ihn das Naturvorbild im Detail als Ausdruck göttlicher Schöpfung bindend war. Er folgte mit diesem Ansatz dem 1803 auf Deutsch erschienenen und weit verbreiteten Künstlerhandbuch von Valenciennes,28 der einerseits die Bedeutung des exakten Sehens hervorhob – »Bemerken Sie alle Kleinigkeiten an der Rinde, dem Moos, den Wurzeln, den Schwung der Aeste«,29 »Studien dieser Art muss man nach der Natur entwerfen, und nach Wahrheiten haschen«30 –, andererseits jedoch ebenjene »Montagetechnik« in einem ausführlichen Beispiel beschrieb: »Die Einbildungskraft versetzt nunmehr den angenehmen Brunnen nebst seinem Beywerk unter diese zweyte Aussicht. Der Künstler greift nach seinem Reißbley, zeichnet beydes zusammen, und vereinigt also zwey schöne Objecte zu einem Gemählde, das viel vollkommener ausfallen wird, als wenn er sie nur einzeln abgebildet hätte.«31 Rätselhaft bleibt, wie Friedrich diese »Montagetechnik«, die Carus treffender als »freien Naturalismus«32 bezeichnete, praktisch bewerkstelligt hat. Nachgewiesenermaßen verwendete er tradierte Übertragungsmethoden wie die Quadrierung von Landschaftszeichnungen oder

RkJQdWJsaXNoZXIy MTMyNjA1