Leseprobe

251 hatte, betonte, dass der »hieroglyphische«, rätselhafte Doppelsinn dieser Werke auf die »Furcht vor Zensur« zurückzuführen sei.18 1813 formierte sich der Widerstand gegen Napoleon auch im Hause Körner. Der Dichter Theodor Körner schloss sich den Lützower Jägern an. Auch der mit Friedrich befreundete Maler Georg Friedrich Kersting kam auf die Idee, ihm zu folgen. Auf eine Vermutung von Körners Vater geht die häufig zitierte Behauptung19 zurück, Friedrich habe Kersting die entsprechende Ausrüstung finanziert.20 Während er sich so einerseits für den Freiheitskampf engagierte, floh er andererseits vor der anrückenden Armee in Sorge vor den Kampfhandlungen, den Einquartierungen von Soldaten und der drohenden Nahrungsmittelknappheit aus Dresden ins abgelegene Krippen.21 Nach einer Phase, in der er zunächst nicht arbeiten konnte, fertigte er auf Wanderungen zahlreiche Zeichnungen, vor allem von Bäumen, unter denen besonders ein Blatt (Abb. 10, S. 79) heraussticht: Über eine Reihe nebeneinander aufschließender Fichten notierte Friedrich: »Rüstet Euch / heute zum neuen Kampf Teutsche Männer / heil Euren Waffen!« Nach dem Sieg über Napoleon war 1814 die allgemeine Stimmung von patriotischer Euphorie erfüllt, sodass die jährliche Ausstellung der Akademie ausnahmsweise nicht dem sächsischen König, sondern dem russischen Zaren gewidmet wurde. Dabei waren Werke von Ferdinand Hartmann, Gerhard von Kügelgen und Friedrich zu sehen, die der Autor einer Ausstellungsbesprechung in den Beiträgen zur Belehrung und Unterhaltung als »Patriotische Kunstwerke« vorstellte.22 In diesem Jahr nahm bei Friedrich die Zahl der Denkmalsentwürfe zu, beispielsweise zu Ehren des gefallenen Theodor Körner.23 Zum Teil handelte es sich um Kriegerdenkmale,24 wie ein Entwurf, den Friedrich am 12. März 1814 an Ernst Moritz Arndt geschickt hatte.25 Im dazu beigefügten Brief nahm Friedrich ausdrücklich Stellung: »Ich wundre mich keinesweges, daß keine Denkmäler errichtet werden, weder die, so die große Sache des Volks bezeichnen noch die hochherzigen Thaten einzelner deutscher Männer. So lange wir Fürstenknechte bleiben, wird auch nie etwas Großes der Art geschehen. Wo das Volk keine Stimme hat, wird dem Volk auch nicht erlaubt, sich zu fühlen und zu ehren.«26 Dieser Brief führte, nachdem er 1819 bei Ernst Moritz Arndt aufgefunden wurde, für politische Verfolgungen in Friedrichs Freundeskreis.27 RESTAURATION In den folgenden Jahren sollte die nationale Begeisterung des Freiheitskampfes stark gedämpft werden. Die freiheitlichen Ideen wurden durch die restaurative Politik, die spätestens mit dem Wiener Kongress 1815 deutlich wurde, enttäuscht. Wer sie noch vertrat, wurde als Demagoge diffamiert und lief Gefahr, einer politischen Verfolgung ausgesetzt zu werden.28 Das schlug sich dann auch in den Karlsbader Beschlüssen 1819 nieder, mit denen die Wiederherstellung feudaler Strukturen etabliert werden sollte. Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch Friedrichs Skepsis gegenüber hierarchischen Gesellschaftsstrukturen; in einem Brief an seinen Bruder 1817 konstatierte er: »[D]enn ich traue keiner Obrigkeit übern Weg.«29 1818 formulierte er in einem Brief an den Rat der Stadt Stralsund im Rahmen seiner Entwürfe für einen Altar seine Vision der Kirche als politische Utopie einer gesellschaftlichen Gleichstellung der Menschen: Die Kirche sei ein »Gebäude wo man sich versammelt sich vor Gott zu demüthigen, vor den bei dem kein Ansehen der Person gilt, da müßte billig aller Unterschied der Stände aufhören, und der Reiche muß wenigstens an diesen Orte fühlen daß er nichts mehr als der Arme ist, und der Arme muß [da] den sichtbaren Trost haben: daß wir vor Gott alle gleich sind«.30 In diesen Jahren tauchten auch zum ersten Mal Wanderer in der Altdeutschen Tracht im Werk des Künstlers auf. Nach den Befreiungskriegen hatte sich diese an der Kleidung der Dürerzeit orientierte Mode entwickelt, die als eigenständig deutsch verstanden wurde. Der mit Friedrich befreundete Ernst Moritz Arndt hatte bereits 1814 eine Schrift publiziert, in der er die »deutsche Kleidertracht« beschrieb und allgemein empfahl.31 Das Thema der Nationaltracht wurde in den folgenden Jahren vielfach diskutiert,32 verschwand aber schon 1815 wieder weitgehend aus den Journalen, da die Idee eines durch bürgerliche Interessen bestimmten Nationalstaats der Wiederherstellung der dynastischen Ordnung im Wiener Kongress wiedersprach.33 In studentischen Kreisen wurde die Altdeutsche Tracht jedoch weiterhin als Ausdruck freiheitlicher Gesinnung getragen und insbesondere beim Wartburgfest 1817 etabliert. Friedrich griff sie in seinen Bildern zu einem Zeitpunkt auf, da ihre politisch oppositionelle Bedeutung allgemein als »Affront gegen die Restaurationspolitik«34 bekannt war.35 Deshalb ist es erstaunlich, dass 1817, als er zum ersten Mal ein Gemälde mit zwei Männern in Altdeutscher Tracht auf der Dresdner Akademieausstellung präsentierte,36 die Kritiker in den Zeitschriften bei ihrer Besprechung des Werkes nicht auf die Kleidung der Dargestellten eingingen.37 Vielleicht deutete sich darin aber auch schon eine Zaghaftigkeit in den Medien an, die 1819 bestätigt werden sollte, als die Altdeutsche Tracht beim Wiener Kongress allgemein verboten wurde. Friedrich jedoch fuhr fort, die Protagonist:innen seiner Gemälde in dieser Kleidung darzustellen, verzichtete aber darauf, ein Gemälde wie Zwei Männer in Betrachtung des Mondes (Abb. 3) auf der Akademieausstellung öffentlich zu präsentieren. Die durch ihre Kleidung offensichtliche politische Gesinnung der beiden Mondbetrachter und ihren nächtlichen Ausflug fasste er halb humorig, halb furchtsam distanziert in der Bemerkung »Die machen demagogische Umtriebe« zusammen, die durch Carl Förster überliefert ist.38 Dass es brisant war, die »im Anschaun vertieften Freunde, [...] die den Künstler oft in seiner Werkstatt heimsuchten und in seine Gemälde einschlichen« und die man »an ihren Oberröcken und Fouragier-Mützen erkenne« in eben dieser Kleidung zu malen, macht die Bemerkung eines Rezensenten 1822 angesichts eines anderen Gemäldes39 deutlich, wenn er die »Vorsicht mit welcher sie sich dem Publikum immer nur von hinten zeigen« betont.40 Friedrich hatte allen Grund zur Vorsicht. Das erklärt sich unter anderem aus Ereignissen der Jahre 1817 bis 1821, als es beispielsweise am 11. Juli 1819 im Zuge der Demagogenverfolgung in Berlin zu einer Durchsuchung der Wohnung des schon seit Greifswalder Zeiten mit ihm befreundeten politischen Verlegers Georg Andreas Reimer »wegen revolutionärer Umtriebe«41 kam und dabei auch Briefe von Friedrich beschlagnahmt wurden. Reimer hatte kurz zuvor den Kontakt zu ihm wiederaufgenommen und ihn im September 1818 zusammen mit Friedrich Schleiermacher und Leopold von Plehwe in Dresden besucht. Letzterer hatte 1817 am Wartburgtreffen teilgenommen und wurde deshalb verhaftet und verhört.42 Drei Tage nach den Ereignissen in Berlin wurde am 14. Juli 1819 in Bonn auch die Wohnung von Ernst Moritz Arndt nach belastenden Schriften durchkämmt, seine Korrespondenz gleich säckeweise beschlagnahmt.43 Darunter befand sich Friedrichs Brief zu seinem Entwurf für ein Denkmal für die Helden der Befreiungskriege von 1814. Wie weitreichend diese Verfolgungen wirkten, zeigt sich auch darin, dass selbst Friedrichs Freund, der Geschichtsprofessor Karl Schildener in Greifswald, einem Verhör unterzogen

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