Leseprobe

Der Maler 250 grab im Schnee (Abb. 1), in eine Winterlandschaft, durch die er die zeitliche Komponente verstärkte. Die verstreut liegenden Steine ersetzte er durch das Gützkower Hünengrab, das er erstmals 1801 gezeichnet hatte.11 Im Vergleich lässt sich sehr gut erkennen, wie er den Wandel von der Sepiazeichnung zur Ölmalerei vollzog und damit zusätzliche inhaltliche Aspekte entfaltete: Die unter der Schneedecke erstarrte Landschaft reicht hoch zum über den kahlen Eichen aufreißenden blauen Himmel und verspricht einen Frühling, der auf den Winter folgen wird. Der Wandel im Zyklus der Jahreszeiten bekam eine politische Dimension, die Friedrich im Oktober 1806 im Hinblick auf den Freiheitskampf hoffnungsvoll formulierte: »Er wird sich schon herausarbeiten der deutsche Geist aus dem Sturme und den Wolken.«12 Dass im Atelier von Friedrich, »bei dem man von dem Toben der äußeren, politischen Stürme am öftesten etwas hören konnte«,13 Treffen von Gleichgesinnten stattfanden, berichtete Gotthilf Heinrich von Schubert. Auch die andere bedeutende Sepiazeichnung dieser Zeit, das Kreuz im Gebirge (Abb. 50, S. 62), spielt in ihrer religiösen Thematik zugleich auf politische Fragen an, die in Anlehnung an christliche Vorstellungen auf Erlösung zielen – die Erlösung der Gesellschaft aus kriegerischer Bedrängnis. Diesen Aspekt verstärkt die Ausführung des Motivs in Öl, die einen weitaus repräsentativeren Charakter hat und deshalb gleichsam als Programmbild verstanden werden will. Maßgebliche Bildelemente beim Hünengrab im Schnee und dem Tetschener Altar (Abb. 1, S. 239) scheinen inhaltlich vergleichbar: An die Stelle der Eichen sind die schlanken Fichten getreten, das Hünengrab wurde durch das Kreuz ersetzt. In Gegenüberstellung der beiden Bildideen zeigt sich die Verbindung von christlichem Glauben und politischer Haltung. So schrieb dann auch Friedrich an Theresia von Brühl, die 1808 das Gemälde vom Künstler erwerben wollte, es sei nicht zu haben, da es seinem König bestimmt sei.14 Gemeint war Gustav IV. Adolf von Schweden, der noch 1805 napoleonische Truppen erfolgreich aus Pommern vertrieben hatte, bevor er 1806 gegen den französischen Aggressor unterlag. Vor diesem Hintergrund erweist sich der Tetschener Altar als »politisches Bild mit antinapoleonischer Tendenz«.15 PATRIOTISCHE BILDER Mit der Zuspitzung der Ereignisse gegen 1813, dem Rückzug der napoleonischen Armee aus Russland und der gegnerischen Vereinigung von Russland, Preußen, Österreich und Schweden fand Friedrich zu deutlicheren Motiven seiner patriotischen Haltung. Die Ausstellung des Gemäldes Grabmale alter Helden im Jahr 1812 (Abb. 2) auf der Berliner Akademieausstellung scheint in gewisser Weise noch uneindeutig gewesen zu sein. So konstatierte ein Kritiker der Ausstellung: »Des Künstlers Idee tritt verworren und deutlich an die Seele des Betrachters.«16 Die Paradoxie dieses Gemäldes entstand durch die Aufschriften der dargestellten Grabmonumente, die dem »Vaterlands-Erretter« oder dem »Gefallenen für Freiheit und Recht« gewidmet waren.17 Es lässt sich nicht sagen, ob diese Ehrung den bereits 1812 Gefallenen zukommen sollte oder ob sie nicht als zukünftige Würdigung derjenigen zu verstehen ist, für die das Gemälde als Aufruf zum Kampf verstanden werden wollte. Andreas Aubert, der sich 1911 zum ersten Mal mit den »Patriotischen Bildern« Friedrichs beschäftigt 2 Caspar David Friedrich Gräber gefallener Freiheitskrieger (Grabmale alter Helden) | 1812 Öl auf Leinwand, 49,3 × 69,8 cm Hamburger Kunsthalle, Inv. HK-1048 (BS/J 205)

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