Leseprobe

241 3 Caspar David Friedrich Marienkirche Stralsund, Altarentwurf (Altarentwurf mit der Komposition zum Kreuz im Gebirge) 1817/18 | KAT 138 4 Johann Friedrich Wilhelm Müller nach Raffael Sixtinische Madonna 1809–1816 | KAT 298 wohl diese zum katholisch-böhmischen Adel gehörten. Als Pastellmalerin und Kopistin wusste von Brühl sehr genau, dass dieses Werk in der Dresdner Kunstgeschichte revolutionär war. Mit von Thun, der vor seiner Brautwerbung im kaiserlich österreichischen Militärdienst gegen Napoleon gekämpft hatte,12 dürfte Friedrich sich politisch verstanden haben. Zu Weihnachten 1808 – und wohl auf Anregungen aus dem Freundeskreis – stellte Friedrich das Werk in seinem Atelier öffentlich aus. Er inszenierte es auf einem Tisch, der mit einem schwarzen Tuch verhüllt war, und verhängte ein Fenster, um so den Eindruck der »Dämmerung der durch Lampen erleuchteten Kapelle«13 zu erzielen und damit auch das geheimnisvolle Leuchten des Gemäldes und seines Rahmens zu erhöhen.14 Helene Marie von Kügelgen berichtet: »Es ergriff alle, die ins Zimmer traten, als beträten sie einen Tempel.«15 Mit dieser Präsentation wird das Atelier zum Andachtsraum, die künstlerische Praxis zum Gottesdienst16 und das nicht lange, nachdem Napoleon mit der Säkularisation der Klöster 1803 die Macht der Kirche eingeschränkt hatte. Auch das war ein Hintergrund für die empfindliche Reaktion des Kunstkenners Basilius von Ramdohr, der fundamentale Kritik am Kreuz im Gebirge äußerte, derzufolge die Landschaftsmalerei »auf Altäre kriechen will«.17 Friedrichs Inszenierung seines Altarbildes entsprach ganz dem Zusammenspiel der Künste nach frühromantischer Vorstellung,18 wie es auch der mit ihm befreundete Runge für seine Folge der Tageszeiten vorgesehen hatte (Abb. 7, S. 323). Mit dessen Tageszeiten verbindet das Kreuz im Gebirge auch das Verhältnis von Rahmen und Binnenbild. Diese folgen bei Friedrich unterschiedlichen Semantiken: traditionelle christliche Bildwelten im Rahmen und allegorische Landschaftsmalerei auf der Leinwand. In einem Aquarell (Abb. 3), das mit einer vergleichbaren Aufteilung offensichtlich in den Kontext des Kreuz im Gebirge gehört, wird die Symmetrie insgesamt verstärkt. Allerdings erscheint die darin skizzierte Landschaft mit ihren Einzelmotiven ornamentaler. Dadurch wird ihre allegorische Funktion hervorgehoben.19 Als Programmbilder einer neuen Religiosität in der Romantik nahmen Runge und Friedrich von den formalen Vergleichsmomenten bis zu den Cherubim auf die Sixtinische Madonna von Raffael (Abb. 4)20 Bezug, die schon bei Wackenroder zum zentralen Vorbild eines künstlerischen Glaubensbekenntnisses geworden war.21

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