Der Zeichner 76 1 Pierre-Henri de Valenciennes Der Rathgeber für Zeichner und Mahler, besonders in dem Fache der Landschaftmahlerey: Nebst einer ausführlichen Anleitung zur Künstlerperspectiv | 1803 2 Caspar David Friedrich Felsbrocken und Bäume, Gehöft, Farne | 13., 14., 15. Juni (1810) Bleistift auf Velin, 357 × 260 mm Privatbesitz (G 628) Einfluss beider Teile auf Caspar David Friedrich nachzuvollziehen.3 Womit nicht gesagt sein soll, dass Friedrich allein das Traktat von Valenciennes benutzt hat. Die eine oder andere Anweisung zu Verfahren findet sich auch andernorts, doch die Fülle ganz praktischer Parallelen spricht für die bevorzugte Nutzung der Arbeit von Valenciennes. Allerdings muss man bedenken, dass Friedrich aufgrund der Sprache die französische Originalfassung des Traktats von 1799/1800 nicht unbedingt direkt zugänglich gewesen ist, wenn auch Exemplare der französischen Ausgabe in Dresden greifbar waren; umso mehr dürfte ihm die deutsche Ausgabe von 1803 Aufklärung gegeben haben (Abb. 1). ZEICHNERISCHE NATURERFASSUNG Der bei weitem größte Teil der gut 1000 überlieferten Zeichnungen Caspar David Friedrichs dient der direkten Naturaufnahme, ist Studie für fernere Verwendung.4 Auf sehr vielen zeichnerischen Studien des Künstlers finden sich Annotationen, abstrakte Zeichen oder Symbole und einzelne Begriffe sowie kurze Bemerkungen.5 In den allermeisten Fällen lässt sich ihre Art der Anwendung auf Empfehlungen Valenciennes’ zurückführen. Der häufigste Begriff auf Friedrichs Zeichnungen ab 1806/07 ist das Wort »Horizont«, häufig begleitet von einem waagerechten Strich.6 Zusätzlich findet sich auf der durchgehend gedachten Horizontlinie innerbildlich ein winziger Kreis, beschriftet mit »Auge« oder »Augpunkt« (Abb. 2). Bei Valenciennes heißt es in der deutschen Übersetzung: »[...] muß man gleich anfangs drey Linien auf der Fläche der Tafel festsetzen [...]. Die erste dieser Linien ist die Erd= oder Grundlinie, welche die niedrigste Linie des Gemähldes ist und mit der Horizont=Linie parallel läuft. Die zweyte ist die Horizont=Linie die immer der Höhe des Auges gleich angenommen wird. Die dritte die Vertical=Linie, welche eine senkrechte Linie ist, die das Gemählde in zwey gleiche Theile theilt, die Horizont=Linie in gleichen Winkeln durchschneidet und bis auf die Grund=Linie herab fällt. Der Berührungspunkt, 2
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