Leseprobe

51 So spiegelt sein Werk auch die Umbrüche im Bereich der Entwicklung von Papier und Zeichenmitteln am Übergang zum 19. Jahrhundert wider, wie sich an seinen Papieren beispielhaft erläutern lässt. Bis weit in das 18. Jahrhundert hinein gab es in Europa ausschließlich Büttenpapier, erkennbar an seiner gerippten Struktur, die durch das Schöpfen mit einem aus Metalldrähten angefertigten Sieb entsteht. Sämtliche Arbeiten Friedrichs bis in seine frühe Dresdner Zeit hinein sind ebenso wie die in Kopenhagen entstandenen Aquarelle von 1797 (Abb. 2–4, S. 35–37) und die Zeichnungen in den beiden frühen Berliner Skizzenbüchern I und II von 1799/1800 auf Büttenpapier ausgeführt. Dessen plastische Oberflächenstruktur prägt den optischen Eindruck der jeweiligen Arbeit nachdrücklich. Dies zeigt sich etwa in Baumstudien des Berliner Skizzenbuches II (Abb. 14). Durch das Büttenpapier wird der Zeichnung eine eigene rasterhafte Struktur unterlegt, die in der nahsichtigen Betrachtung mitspricht. Mehr noch scheint auf den Linien der gezeichneten Zweige und Äste die Siebstruktur des Papiers durch und prägt das Strichbild selbst. Schon in der Generation vor Friedrich wurden diese Papiereigenschaften zunehmend als Einschränkung empfunden. Der hieraus resultierenden Nachfrage nach einem völlig glatten, feinen Papier kam schließlich der englische Papiermacher James Whatman nach, dessen neuartiges sogenanntes Velinpapier sich ab den 1780er Jahren schnell in ganz Europa verbreitete.11 Die Papiere mit den charakteristischen WhatmanWasserzeichen finden sich bei zahlreichen Werken des 19. Jahrhunderts, so auch in großer Zahl bei Friedrich.12 In seinem Œuvre taucht Velinpapier bei den Zeichnungen etwa seit 1799 auf. Für Friedrichs Bildnisse war durch die Art der Verwendung schwarzer Kreide mit kräftigen Schraffuren und sehr feiner Modellierung des Gesichts besonders glattes Papier erforderlich.13 Die frühesten von Grummt genannten Landschaftszeichnungen auf Velin sind Felskuppe mit bewaldeter Anhöhe (Abb. 7, S. 172) und die Zeichnungen im Großen Mannheimer Skizzenbuch von 1799, dem frühesten Skizzenbuch aus Velinpapier. Dieses enthält zahlreiche Veduten und genauestens erfasste Architekturdarstellungen aus der weiteren Umgebung Dresdens und der Sächsischen Schweiz, darunter aber auch eine Darstellung der (heute nicht mehr bestehenden) Schlossruine von Wolgast bei Usedom im damaligen Schwedisch-Pommern (Abb. 15).14 Neben mehreren Kürzeln, die auf die Zuordnung zu einer Legende, zum Beispiel für Farbangaben, schließen lassen, und der Angabe der beeindruckenden Mauerstärke des zerstörten Pulverturms »11 Fuß dick oben« ist hier erstmals am Brückenaufgang vorne das Größenmaß für einen Menschen angegeben und daneben »Mann« notiert.15 Für eine spätere Übertragung, etwa in eine Radierung, hat der Zeichner ein Bildfeld abgegrenzt und die Zeichnung partiell rückseitig geschwärzt. Angesichts der weiteren Entwicklung von Friedrichs Zeichenstil hin zu einer feinlinigen, akkuraten Darstellungsweise verwundert es nicht, dass er ab etwa 1800 fast vollständig auf Velin umstellte. Es lässt sich beobachten, dass er die neuen Möglichkeiten dieser Papiere intensiv nutzte und seine Arbeitsweise darauf einstellte, was seinen künstlerischen Intentionen offenbar entgegenkam. Im Unterschied zu den Zeichnungen scheint Friedrich sein Schreibpapier weniger gezielt ausgewählt zu haben, da es sicherlich geringeren ästhetischen Ansprüchen genügen musste. So kommen bei den Briefen und Schriften noch um 1830 Büttenpapiere vor, vielfach mit Wasserzeichen, die bei keiner der Zeichnungen anzutreffen sind. Beispiele hierfür sind die Wasserzeichen mit sächsischen Wappen bei den Äußerungen oder mit gekreuzten Schwertern beim Brief an Louise Seidler (Abb. 1, S. 339).16 Für Zeichnungen verwendete Friedrich Büttenpapier später nur noch vereinzelt, so etwa punktuell bei Architekturentwürfen.17 14 Caspar David Friedrich Baumstudien (verso) aufgelöstes Berliner Skizzenbuch II 7. April 1800 | KAT 28 15 Caspar David Friedrich Ruine an einem Deich (Pulverturm der Schlossruine von Wolgast) aufgelöstes Großes Rügener Skizzenbuch um Oktober 1801 | KAT 59

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