Leseprobe

Der Zeichner 50 Mit ihrer nur teilweisen Lavierung im Bereich des bewölkten Himmels und der überwiegend konturbetonten, aber partiell unvollendeten Federzeichnung wirkt die eher konventionell angelegte Komposition inkonsistent. Sehr typisch für Friedrich sind die im Vordergrund im Wasser liegenden Gesteinsbrocken, die mit wenigen Linien klar konturiert sind. Ähnliche Steine finden sich später in Friedrichs Küstenlandschaften von Rügen (Abb. 18). In seinen Studien von Gesteinsformationen in der Sächsischen Schweiz arbeitete er ganz ähnlich mit kräftigen mit der Feder nachgezogenen Konturen und band dort die Schattenpartien und Elemente mit Lavierungen in die Landschaft ein (Abb. 10–13). Dabei verfolgte er jedoch nicht die Möglichkeiten von typischen oder pittoresken Arrangements, wie in dem oben erwähnten Blatt Bach mit Brücke, sondern zeigte ein ausgeprägtes Interesse an außergewöhnlichen, besonders markanten Konstellationen. Seine Felsstudien vom 20. Mai 1799 haben etwas fast Surreales (Abb. 10); die skurrilen Felsgebilde, die er am 17. August 1799 in seinem Skizzenbuch festhielt (Abb. 12), dienten ihm einige Jahre später als Vorlage für den Gipfel des Berges auf seiner Sepia Kreuz im Gebirge (Abb. 50). Erneut finden sie sich auf dem hieraus entwickelten Tetschener Altar (Abb. 1, S. 239), dessen Bergkegel dem Honigstein in der Sächsischen Schweiz nachgebildet ist. Offenkundig sichtete der Künstler seine Studien unabhängig von ihrer Entstehungszeit wiederholt und fand an verschiedenen Stellen die Motive, die er in seine Bildkompositionen einbezog. PAPIER Friedrich lebte in einer von Wandel geprägten Zeit – nicht nur in gesellschaftlicher und politischer, sondern auch in technologischer Hinsicht. Dies betraf auch Künstlermaterialien. Altbewährte Materialien und Werkzeuge wurden jahrzehntelang weiterverwendet, während gleichzeitig neue Methoden und technische Innovationen erprobt wurden. Entscheidende Faktoren waren neben der Experimentierfreude der Kunstschaffenden die Verfügbarkeit bestimmter Materialien. Heute lassen sich solche technologischen Veränderungen anhand historischer Quellen sowie durch die sich weiter entwickelnden naturwissenschaftlichen Untersuchungsmethoden zunehmend besser nachvollziehen.9 Friedrich probierte Neuerungen im Zeichenmittelangebot ebenso wie technische Hilfsmittel aus und orientierte sich an aktuellen Anleitungen und Publikationen.10 10 Caspar David Friedrich Felsenstudien aufgelöstes Berliner Skizzenbuch I 20. Mai 1799 | KAT 17 11 Caspar David Friedrich Felshang aufgelöstes Berliner Skizzenbuch I 9. Juni 1799 | KAT 19 12 Caspar David Friedrich Felsblöcke, dazwischen Pflanzen aufgelöstes Berliner Skizzenbuch II 17. August 1799 | KAT 25 13 Caspar David Friedrich Gesteins- und Felsstudien / Felsstudie mit Treppe aufgelöstes Berliner Skizzenbuch II 2. Oktober 1799 | KAT 26 9 Caspar David Friedrich Bach mit Brücke um 1799 | KAT 32 10 12 11 13

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