Leseprobe

Wandern mit Caspar David Friedrich. Eine Einführung 7 Betrachten wir seine Skizzen – sie sind meist mit Bleistift oder auch mit der Feder gezeichnet –, dann scheinen manche flüchtig hingeworfen, manche dagegen präzise ausgeführt. Offensichtlich hat Friedrich die Skizzen nicht planlos gesammelt. Oftmals hatte er schon den Verwendungszweck im Sinn. Die Fichten des Tetschener Altars hat er ganz bewusst und konkret für dieses Bild gezeichnet. Auch eigenhändige Notizen auf seinen Studien, wie »Horizont« oder »von unten«, bestimmte Markierungslinien, Angaben über Lichteinfall oder Farben und vor allem Zahlen als Entfernungsmaß zeigen an, dass er weiteres mit den Skizzen im Sinn hatte. Sicher nicht mit allen. Manche der Motive sind aus ungewöhnlicher Sicht gezeichnet. Manchmal sperrt sich unsere heutige Seherfahrung, die meist auf das Spektakuläre gerichtet ist, gegen Friedrichs Blick. Eines sollte uns klar sein, er war immer genau und präzise, wenn er zeichnete. Die Freiheit, die er sich beim Komponieren seiner Gemälde nahm, darf man beim Zeichnen nicht auch annehmen. Wenn wir ein Motiv in der Natur nach Friedrichs Zeichnung nicht erkennen, dann ist es auch nicht das, was er dagestellt hat. »Mit eigenen Augen sollst du sehen, und, wie dir die Gegenstände erscheinen, sie treulich wiedergeben; wie alles auf dich wirkt, so gib es im Bilde wieder. Beobachte die Form genau, die kleinste wie die große, und trenne nicht das Kleine vom Großen, wohl aber vom Ganzen das Kleinliche.«1 So Friedrich selbst. Wollen wir seine Zeichnungen lokalisieren, dann ist eine weitgehende Übereinstimmung zwischen der Zeichnung und dem Naturgegenstand zu suchen. Ist man unsicher, dann ist meist das Gesuchte noch nicht gefunden. Besonders schwierig ist es bei skizzierten Panoramasichten, wo er aus einem weiten Blick einen Ausschnitt gewählt hat, der ihn interessierte, ohne dass wir wissen, was er darin sah. Friedrichs Satz »Nichts ist kostbarer als der Blick auf eine Landschaft, die sich nach allen Seiten öffnet.«2 deutet seine Sehweise an. Je sparsamer die Linien werden, um so tiefer zeigt sich darin der Grad der Verinnerlichung. Entziehen sich auch manche Zeichnungen bis heute der Lokalisierung, so werden beim Suchen des Motives der Blick geschärft und die Sinne geweckt. Wir betrachten die Natur intensiver, Friedrich lehrt uns ein neues Sehen der Natur. Max Liebermann hat sich bei der Betrachtung von Naturskizzen Rembrandts zum Naturstudium generell geäußert: »Für den Wert von Landschaftsskizzen sei es ganz gleichgültig, zu wissen, wo sie entstanden, ob es Erfindungen der Phantasie seien, oder ob sie aus der Naturanschauung entstanden. Für die ästhetische Erkenntnis jedoch ist es von unschätzbarem Wert, das Original, nach dem der Künstler gearbeitet hat, zu kennen. Denn der Vergleich mit der Natur lehrt uns, worin die ›Kunst‹ des Künstlers besteht: Er liefert uns den Beweis ad oculos für die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Resultate des methodischen Denkens über sein Verhältnis zur Natur.«3

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