57 wurden (Abb. 4). Überraschenderweise handelt es sich dabei um Artefakte, die außerhalb der Slowakei viel zahlreicher erhalten sind als in ihrem Herkunftsgebiet (Abb. 5). Dabei scheint es geradezu eine Massenproduktion von Bechern, Schalen und Schüsseln, Salzstreuern oder Zuckerdosen, Tabak- oder kleinen Schmuckdosen, Tabletts, Teekannen und Schokoladen- oder Teetassen und – seltener – auch von Kelchen oder Pokalen gegeben zu haben. Dieses gesamte Repertoire wird etwa in der umfangreichen Sammlung von Herrengrunder Artefakten im Kunstgewerbemuseum in Budapest (Iparművészeti Museum) dokumentiert.10 Ein visuelles Mittel zur eindeutigen Identifizierung der Herkunft dieser Objekte ist ihre meist ziselierte Oberfläche, die nach Ansicht einiger Autoren die Oberfläche einer Kokosnuss, nach anderen Ansichten die eines Fisches oder eines Schlangenkörpers imitiert. Edward Browns persönliche Beobachtung, die durch die starke Verbreitung dieser Werke über das Gebiet der heutigen Slowakei hinaus kontextualisiert werden kann, ist ein Beweis dafür, dass insbesondere Schalen und Becher die Funktion lokaler Souvenirs und Erinnerungsstücke hatten. Kehren wir zur Repräsentation der mittelslowakischen Bergstädte in den damaligen Sammlungen zeitgenössischer Kunst – den Kunstkammern – zurück, ist darin ein weiterer Typus von kunsthandwerklichen Objekten vertreten: der Handstein.11 Die Etymologie des Begriffs bezieht sich sowohl im Deutschen als auch im Lateinischen – lapis manualis – ausdrücklich auf ausgewählte Erzstücke von der Größe einer menschlichen Hand, die vor allem wegen ihrer Seltenheit oder der besonders qualitätsvollen Zusammensetzung der Probe oder auch aufgrund visueller Kriterien geschätzt wurden (vgl. den Beitrag von Henrike Haug in diesem Band, S. 37–51). Schon in der Sammlung Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1529–1595) auf Schloss Ambras befanden sich im dritten, dem roten Kasten, 41 Handsteine; ebenso waren im Inventar aus den Jahren 1607 bis 1611 der Prager Sammlung des Kaisers Rudolf II. (1552–1612) mehrere Handsteine verzeichnet. Davon befinden sich noch heute einige dutzend Stück in Wien, vor allem solche aus St. Joachimsthal (Jáchymov) aus dem letzten Drittel des 16. Jahrhunderts, denen meist mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird als den Artefakten aus mittelslowakischen Bergstädten oder anderen bedeutenden europäischen Bergbauzentren der Frühen Neuzeit. Soweit es hier jedoch um das Gebiet der Mittelslowakei geht, sind Quellennachrichten aus der gesamten Frühen Neuzeit über die gezielte Suche nach repräsentativen Handsteinen beziehungsweise Stufen bekannt, wie die Erzproben im Umfeld der mittelslowakischen Bergstädten genannt wurden. Dies gilt nicht nur für die Stufen, die in erster Linie für die kaiserlichen Sammlungen bestimmt waren und später in die mineralogische Sammlung des heutigen Naturhistorischen Museums Wien aufgenommen wurden. Das Bemühen, die mittelslowakischen Bergbaustätten in frühneuzeitlichen musealen Sammlungen abzubilden, ist auch in entfernteren intellektuellen Zentren zu bemerken. Der bereits erwähnte Jesuit Andreas Schaffer zum Beispiel sammelte, inventarisierte und sandte Proben von Erzen und Mineralien aus dem Gebiet der mittelslowakischen Bergstädte an Athanasius Kircher für dessen römisches Museum Kircherianum. 1775 wurde eine große Sendung mit Proben zusammengestellt und an die Bergakademie in Freiberg versandt, 1781 an das Kabinett für Naturwissenschaft in Paris (seit 1793 Muséum national d’Histoire naturelle); 1802 wurden sogar mehrere Kisten mit Proben an das Jesuitenkolleg in Cambridge gesandt.12 Vor allem im 18. Jahrhundert dienten Proben aus den mittelslowakischen Bergstädten, insbesondere von Gold und Silber, Quarzkristallen, Sulfiden wie Pyrit, Chalkopyrit, Argentit, Antimonit, Stephanit, Galenit, Markasit, Proustit, Zinnober, Baryt usw., oder Karbonaten wie Aragonit, Azurit, Malachit, Dolomit oder Calcit als Grundlage für die Schaffung größerer Objekte.13 Im Unterschied zu St. Joachimsthal oder Tirol, wo schon ab Mitte des 16. Jahrhunderts einige Stufen zu kleinen Kunstwerken als Objekte der Bewunderung weiterverarbeitet wurden, wobei durch das Arrangement kleiner Figuren entweder die Tätigkeiten des Bergbaus illustriert oder verschiedene biblische und mythologische Szenen dargestellt wurden, lassen sich die bekannten oder erhaltenen Objekte aus den mittelslowakischen Bergstädten erst in das 18. Jahrhundert datieren. Diese wurden vielmehr in einer aktuelleren Form des Milieus de la Table – des barocken Tafelschmucks – gestaltet, einschließlich kleiner Gefäße für Salz, Pfeffer und andere Gewürze. Derzeit befinden sich knapp zwanzig derartige barocke Handsteine in den Sammlungen in Wien (Kunstkammer des Kunsthistorischen Museums; Museum für Angewandte Kunst), im Stift St. Florian, im Chorherrenstift Klosterneuburg, in Bochum (Deutsches Bergbau- Museum) und in Aachen (Suermondt-Ludwig-Museum), Siegen (Siegerlandmuseum) sowie in Budapest (Magyar Nemzeti Múzeum; Iparművészeti Múzeum) und in Privatsammlungen (Abb. 6).14
RkJQdWJsaXNoZXIy MTMyNjA1