Leseprobe

28 mentares Kupfer über und schlägt sich am Eisen nieder. Bereits innerhalb weniger Sekunden wird dieser Niederschlag sichtbar (Abb. 3). Im Europa der Vormoderne aber wurde die Zementkupferherstellung in der alchemischen Literatur thematisiert. Sie galt lange als Beweis für die Möglichkeit der Metalltransmutation. So liest man in der (Pseudo-)Paracelsischen Schrift De Natura Rerum neun Bücher: Nun ist die transmutation der metallen eine große heimlikeit der natur und mag gar hart und schwerlich geschehen viler anstöß und hindernus halben iedoch ist solches mit nichten wider die Natur, auch nicht wider gotes ordnung [...] mag aber ohne ein tinctur oder den lapidem philosophorum nicht wol geschehen [...] Nun seind aber auch andere transmutationes der fünf unreinen Metallen als zu transmutiren das eysen in kupfer mag in vil weg geschehen.9 Alchemie war aber nicht nur ein wichtiger Schlüssel zum frühneuzeitlichen Verständnis des Zementationsprozesses, sondern darüber hinaus auch ein integraler Bestandteil des frühneuzeitlichen Montanwesens. Eine Sichtweise, die das alchemische Wissen auf gescheiterte Transmutationen, Betrug und Hochstapelei reduziert, verkennt sowohl die wissensgeschichtliche als auch die ökonomische Komplexität, in welche die alchemischen Praktiken eingebunden waren. Zementation oder Transmutation? Über das Verhältnis von Alchemie und Bergbau In der frühneuzeitlichen Literatur zum Berg- und Schmelzwesen nimmt die alchemische Auffassung der Entstehung der Metalle unter dem Einfluss der Planeten sowie des metallischen Wachstums in Analogie zu Pflanzen einen breiten Raum ein.10 In ihrem Wachstum würden sich die Metalle von unedlem zu Edelmetall entwickeln, mit Gold als Endstufe. Viele Gelehrte und Praktiker waren auch überzeugt, dass die Erze in der Lage seien, sich zu regenerieren, sobald die Bergleute die ausgebeuteten Gruben verließen. Metalle wurden somit als belebt, wandelbar, veränderbar und unerschöpflich wahrgenommen. Johannes Mathesius, ein Weggefährte Luthers und Pfarrer der böhmischen Bergstadt St. Joachimsthal (Jáchymov), brachte diese Auffassung in einer seiner Bergpredigten auf den Punkt: Wir Schulbergkleut / wolten das wort / Metal / lieber vom Kriechischen wort herfüren / das verandern oder verwandeln heisset [...] Denn wie wir hernach hören werden /weyl auß einer geringen Bergkart / oder geringen ertz oder metall ein bessers wirdt mit der zeyt / und eins verwandelt sich in das ander / sollen die metal den namen daher bekommen haben.11 Das Problem dieses in der Natur der Metalle angelegten Verwandlungspotenzials war jedoch seine Langsamkeit. Um die Verwandlung ökonomisch profitabel zu machen, versuchten Metallfachleute, den natürlichen Wachstums- und Veredelungsprozess in ihren Werkstätten und Laboratorien künstlich und in kürzerer Zeit zu reproduzieren. Die Geburt und Veredelung der Metalle im Erdenleib und die alchemische Reproduktion und Beschleunigung dieser Vorgänge im Laboratorium waren aufeinander bezogen (Abb. 4).12 Häufig war die Ausgangsressource, auf dem die alchemische Kunst aufzubauen versprach, das kostengünstige und omnipräsente Metall Eisen. Die Hoffnung, kostengünstiges Eisen in ein wertvolleres Metall zu verwandeln, wird in den Bergbauregionen des 16. und 17. Jahrhunderts immer wieder greifbar. So wurde etwa am 29. Juli 1611 im Albulatal in Graubünden (Schweiz) ein besonderer Vertrag abgeschlossen. Er betraf die Bergwerke und das Hüttenwerk in Filisur. Die Vertragspartner waren auf der einen Seite eine Bündner Schmelzgenossenschaft, die sich aus dem Vikar Johann von Salis aus Samaden (Samedan) und den Vettern Niccolò und Ottavio Vertemate-Franchi aus Plurs (Piuro) zusammensetzte. Auf der anderen Seite zeichnete ein Friedrich Nußbaum aus Prag. Nußbaum sollte die Leitung der Bergwerke und des Schmelzwerks in Filisur übernehmen. Die Kunst, jeden metallischen Spiritus, wie es Abb. 3 Versuche im Garten mit Kupfervitriol und Eisen.

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