Leseprobe

9 Tatsächlich verhehlt sie weder in den ganz kleinen noch den größeren Bildern ihres Panoptikums, dass sie vom Theater her kommt. Dass sie die Inszenierung beherrscht, Szenografie, Requisite, Kostüm. Viele Bilder weisen Vorhänge und Gardinen auf, die unseren Blick auf das dargestellte Geschehen lenken. NICHTS ALS GARDINEN heißt ein Bild, in dem sich gerade ein Mord zu ereignen droht. Die Künstlerin öffnet Bühnenräume im Zweidimensionalen, ausnahmsweise arbeitet sie auch dreidimensional, wenn sie von einem Fundstück, einer Idee verzückt ist. Auf jeden Fall liebt sie es, Räume mit Fenstern, Teppichen und noch besser: mit fliegenden Teppichen zu gestalten, mit Farben und Formen, die durchaus theatralischen Effekt haben können, mit Kleidern und Kostümierungen, die Charaktere definieren, zeichnen, prägnant umreißen. Sie spielt dabei mit uns als Voyeuren, appelliert an unsere Neugier, in diesen Bühnenräumen Unerhörtes zu entdecken, wie im dreiteiligen Zyklus VERABREDUNG. MIT CHARME (S. 19, 85) lässt sie uns in ein verlassenes Zimmer mit vertrockneter Topfpflanze blicken, vor dessen Fenstern sich das vergangene Leben der einstigen Bewohner abspielt. In RUHELOS (S. 11) versucht ein Mann in schwarzem Mantel, auf einem wild gemusterten Teppich einem von hohen Bergen fest umschlossenen Ort zu entkommen. Beate Hornigs Bilder setzen unser Kopfkino in Gang – individuell, mit offenem Ausgang. Ihre Alltagsbeobachtungen formt sie subtil in Metaphern um; WUT (S.102), ZUTRAULICH, ANNÄHERUNG (S. 104), SOEBEN (S. 2) nennt sie ihre Schilderungen von emotiven Momenten. Dabei verlässt sie nie ihr wacher Sinn für das Verletzliche, das Prekäre unserer wahren Existenz. Überfahrt III Crossing III_2020

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