Leseprobe

7 DER TOD IM GARTEN Eine Wiese in leuchtendem Rosa mit lila Blüten, dahinter ein ebenso lila Hain mit dünnen Baumstämmchen, angeordnet wie auf einer Jugendstiltapete, seitlich ein weich geschwungener hellblauer Vorhang mit weißen Sternblüten und roten Blättern. Und dann ein schwarzes Monument, ein sich nach oben verjüngender Sockel, darauf als Silhouette eine kauernde Figur in einem Netz, umgeben von einer bunt flackernden Lichtaura. Darum herum ein flacher schwarzer Holzrahmen mit bronziertem Perlstab, Strandgut aus anderen Zeiten. Das ist Beate Hornigs Hinterglasbild DER TOD IM GARTEN von 2003 (Städtische Museen Zittau, S. 1). Elegisch und dabei von einer stupenden Leuchtkraft und Farbenpracht. Der Tod als Schatten und Lichtgestalt zugleich? Der Garten als Seelenort und Traumlandschaft? Motivisch, farblich und technisch ist es jedenfalls ein Bild, das für Beate Hornigs Schaffen bezeichnend ist, in dem sie die künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten der Hinterglasmalerei auslotet. Dabei sind Material und Technik nie Selbstzweck, sondern Mittel zu dem Zweck: einer starken Imaginationskraft die adäquate Form zu verleihen, der Fragilität menschlicher Befindlichkeiten eine Plattform zu bieten. Da kommt zerbrechliches Glas als Malgrund gerade recht. Es ist das Poetische und Abgründige, dem Beate Hornig nachgeht. Bildern, die sie in sich sucht und findet. Dass ein signifikantes Werk GEFUNDEN (S. 78/79) heißt, ist also durchaus charakteristisch für sie: eine weiße Hirschkuh mit rotem Halsband, die auf einem Blumenteppich vor einer Wandecke ausruht, aber umgeben ist von Einschusslöchern – gefunden und gezielt? Wie auch im Fall des SCHÖNEN TIERS (S.1, 56), das nichts ahnend auf einer Waldlichtung äst und dort das Ziel abgibt für eine violette Flinte, die hinter einem der Bäume hervorsticht. Der Tod lauert vielfach auf den Bildern von Beate Hornig, in unterschiedlichster Gestalt und überraschenden Konstellationen. OHNE WORTE – STILLES THEATER (S. 95) So zauberhaft und farbenfroh manche Szene daherkommt, so erweist sie sich beim Blick aus der Nähe als unheimlich, grausam, sarkastisch. Die Künstlerin hat viel Sinn für Humor und Ironie. Meist schöpft sie mit Witz aus dem eigenen Motivvorrat, wie sie selber bekennt: »Stehle mir lieber im Stillen, auch bei mir selber, dies und das Vergangene und verwandle es zu Neuem.« Mitunter greift sie aber auch Geschichten aus der Mythologie auf – wie jene von Ikarus (IM FREIEN FALL, S. 92/93) und Charon (AUF WIEDERSEHEN; ÜBERFAHRT III, S. 9) oder aus der christlichen Ikonografie (ACH, DIE KÜMMERNIS, S. 89). Inspiration sind ihr Lektüre, etwa der Gedichte von Sarah Kirsch, Musik wie die sphärischen Klänge eines Arvo Pärt oder Impulse aus der zeitgenössischen Kunst, so von Gerhard Richter, mit dem sie biografisch verbindet, dass sie genauso wie er als Bühnenmaler im Zittauer Gerhart-HauptmannTheater die ersten Sporen abverdient hat. Geheimnis – Annäherungen an die Bilderwelt von Beate Hornig Marius Winzeler Stelldichein_Rendezvous 2023

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