Leseprobe

Betrachtung finden wir in der Fülle der Schwärme auch den Menschen, winzig und doch übermenschlich schwebend, fliegend oder schwerelos. Dem Künstler David Torres wurde die Porzellanherstellung in die Wiege gelegt. Der Betrieb seiner Eltern sorgte für den Lebensunterhalt. In seinen künstlerischen Arbeiten geht es jedoch nicht in erster Linie um Porzellan, das Konzept bestimmt jeweils die Umsetzung in relevante Werkstoffe. Im Fall seiner Arbeiten im Rahmen des Atelieraufenthalts musste es aber Meissener Porzellan sein. Torres spielt mit Stereotypen: Kokain als Weißes Gold Kolumbiens und Porzellan als Weißes Gold Sachsens. Bei der Umsetzung des Projekts, sagt er, hatte er noch nie so viel Zeit für einzelne Arbeitsschritte wie bei Meissen im Atelier. Eine Großplastik sei für ihn ein riskantes Unterfangen in Porzellan. Normalerweise müsste er von A bis Z seine Objekte selbst fertigen. Die hohe Spezialisierung der Manufaktur war für so ein technisch riskantes Projekt genau die richtige Unterstützung. »Knochen, Holz & Weißes Gold« präsentiert die gleichsam noch ofenwarmen Meissener Atelierarbeiten von Helena Sekot, Philsoo Heo und David Torres zum ersten Mal der breiten Öffentlichkeit. Im historischen Ambiente des Museums der Meissen Porzellan-Stiftung sind sie als zeitgenössische Positionen künstlerischer Keramik im besten Sinne Richard Bampis inszeniert. Brennproben und Farbtests geben Einblicke in den Schaffensprozess; frühere keramische Arbeiten der Kreativen verweisen auf ihren künstlerischen Weg. Susanne Bochmann, Kuratorin der Ausstellung In ihren Arbeiten nutzte Helena Sekot oft frei geformten Ton als Ausgangsformen, die sie zu Strukturen zusammenfügte. Die entstandenen Objekte tragen ihre deutliche Handschrift. Bei Meissen arbeitete sie nun mit dem weniger bildsamen Porzellan. Ihre benötigten Ausgangsformen entnahm sie aus der Meissener Geschichte. Als Basis für ihre Wandbilder und Objekte recherchierte sie historische Gefäße und Formen aus aktueller Fertigung. Diese wurden für sie klassisch in Gipsformen gegossen, dann aber zerschnitt und zerlegte sie die Künstlerin und formte daraus nach Entwurfszeichnungen eigene feingliedrige Segmente. Auch in der Staffage, also der Malerei auf ihren Stücken, bezog sie sich auf Meissener Geschichte. Das ikonische Kobaltblau zitierte sie in ihrer Staffage von »Die Permanenz liegt im Wandel«. Für »Durchblick« und »Artefakt aus vergangener Zukunft« verwendete sie Lüsterfarben. Philsoo Heo ließ sich von der Natur inspirieren. Holz fasziniert ihn, auch die Verletzung von Holz. In seinem Projekt transferierte er Holzstrukturen auf Porzellan. Er untersuchte dabei den Prozess, die Veränderung und den einhergehenden Perspektivwechsel. Die Holzformen seiner Arbeiten stellte er mit abgeformten Hölzern her, nutzte dann aber im nächsten Schritt den freien Aufbau und trieb damit den Werkstoff Porzellan an seine Grenzen. Das Thema Verletzung taucht physisch in den Rissen und Spalten seiner Objekte auf. Die Formen vereinen elementare Wucht und dynamische Eleganz. Assoziiert man als Element zunächst Erde, wirken die Holzoberflächen zu Wellen geschlagen wie Wasser. Die staffierten Vogelschwärme bilden daraus Luft. Bei näherer 12

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