Frank Höhler beeindruckt durch ein umfangreiches, vier Jahrzehnte umfassendes, thematisch und formal ausgesprochen vielfältiges Werk. 1955 in Magdeborn bei Leipzig geboren und aufgewachsen, studierte Höhler nach dem Abitur in Leipzig an der Hochschule für Verkehrswesen in Dresden. Als Diplomingenieur für Nachrichtenwesen leitete er im Anschluss zunächst verschiedene Fernmeldedienststellen. Von 1984 bis 2005 war er als Fotograf am Staatlichen Museum für Tierkunde in Dresden beschäftigt. Parallel zu diesem Berufswechsel absolvierte er eine Ausbildung zum Fotografen an der Technischen Universität Dresden, der von 1988 bis 1990 ein Teilfernstudium Fotografie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig, u. a. bei Arno Fischer, folgte. Neben dem Studium und seiner Tätigkeit für das Museum arbeitete er ab 1988 auch als freiberuflicher Fotograf für verschiedene Verlage und vor allem für die Dresdner Philharmonie. Seit 2006 ist Höhler ausschließlich freiberuflich tätig und widmet sich verstärkt der freien künstlerischen Fotografie. 2008 war er Gründungsmitglied der ASA-Gruppe Fotografie, deren gemeinsames fotografisches Forschungsgebiet vornehmlich im Osten Deutschlands liegt, während für Höhler selbst auch ausgedehnte Fotoreisen inspirierend und prägend sind. Sie führten ihn u. a. nach Russisch-Karelien, Patagonien und Feuerland, Indien, China, Rumänien, Vietnam, Chile, Island oder nach Grönland. Daraus hervorgegangen sind Serien wie Transit (1989–2010), Fin del mundo (1994), Blau (2009) oder Island (2011). Frank Höhlers frühe Arbeiten geben Einblick in das Leben der 1980er-Jahre mit oft sprechenden Details oder Szenen des Alltags. Höhlers Interesse für die dokumentarischen Aspekte der Fotografie, sein früh entwickelter Blick für gesellschaftliche Realitäten einerseits und seine ausgeprägte Neugier auf grafische Strukturen andererseits sind wesentliche Konstanten seiner Arbeit. Musterbeispiel für Letztere sind Höhlers 2009 rund um die aufgegebenen Salpeter-Werke in der Atacama-Wüste entstandenen Aufnahmen der Serie Blau. Bezeichnenderweise ist es weniger der besondere Aufnahmeort, der die Fotografien auszeichnet, als vielmehr Höhlers entschiedene Bildstruktur: Die Intensität der Farben hatte den Fotografen gleich zu Beginn seiner Reise durch Chile fasziniert. Er widmete sich den unterschiedlichen Farbfacetten, indem er seine Motive auf das Wesentliche reduzierte. Als visuelle Reiseberichte sind diese Fotografien daher kaum geeignet. Sie zeigen sich seltsam ortlos, geben wenig Hinweis darauf, wo genau sie entstanden sind. Den meisten Bildern fehlt räumliche Tiefe, viele verweigern geradezu die Perspektive, der Raum wird zur Fläche und von Höhler als grafisches Formenspiel präsentiert, das über den Realitätsbezug des Fotos dominiert. Dass Höhler diese Relikte einer untergegangenen Industrie eigens aufgesucht hat, ist dennoch alles andere als Zufall. Vielmehr korrespondiert dies mit seinem ausgeprägten Interesse für Transformationsprozesse und für den Bergbau im Besonderen. Die Transformation der heimischen Landschaft erst durch den Kohleabbau, später durch Renaturierung und, nicht zu vergessen, die damit einhergehenden massiven wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen sind Themen, mit denen sich Frank Höhler schon seit den 1990er-Jahren intensiv beschäftigt, zuletzt in der 2012 begonnenen sozialen Langzeitstudie Heimat.Los.Eisenhüttenstadt. Dabei beklagt der Fotograf nie einen Verlust, trauert nicht, sondern spürt schlicht den Veränderungen der Lebenswirklichkeit nach, als Beobachter, Momente verdichtend. Dies gilt auch für die zwischen 1989 und 2010 vielfach auf Reisen mit der Dresdner Philharmonie entstandenen Fotografien der Serie Transit. Die Aufnahmen aus aller Welt sind stilistisch und thematisch höchst unterschiedlich. Verbindendes Element ist ihr flüchtiger Charakter. Höhlers ausgeprägtes Interesse an Land und Leuten ist deutlich spürbar, aber auch hier dokumentiert er seine Reisen nicht, er sammelt Eindrücke. Höhler verzichtet konsequent auf spektakuläre Landschaften oder Stadtansichten, konzentriert sich auf stets genau beobachtete Details, auf Alltagsszenen, auf Menschen, die seine Wege kreuzen. Die Fotos entstammen immer zufälligen Begegnungen, sind mitunter skurril, zuweilen wirken sie wie aus der Zeit gefallen. Transformation und Veränderung werden sichtbar im kurzen Moment, in der Reduktion auf das einzelne Bild. Aller Flüchtigkeit zum Trotz offenbart Höhlers neugieriger Blick eine Vielzahl an Lebenswirklichkeiten zwischen Tradition, Fortschritt und Verfall. Eine dritte Konstante im Werk Frank Höhlers ist das Porträt. Besonderen Erfolg hatte er mit seiner Serie Dirigenten und Solisten, die in bestechender atmosphärischer Dichte gleichermaßen die äußerste Konzentration und die künstlerische Individualität der Solist:innen und Dirigenten der Dresdner Philharmonie vermittelt, die Höhler von 1988 bis 2010 vor Ort und auf Reisen begleitete. In jüngster Zeit widmete er sich der Serie Künstlerporträts, in der es ihm nicht nur um Personen geht, sondern auch um deren Lebensumfeld, vor allem den Platz des Arbeitens, der Inspiration – sei es Atelier, Schreibtisch oder ein Café. Es sind Doppelporträts von bildenden Künstler:innen und ihrem Atelier, von Schriftsteller:innen und ihrem Schreibtisch. JB 188 FRANK HÖHLER Neumarkt in Dresden, um 1985, Inkjetprint (nach digitalisiertem Negativ), 43 × 28,5 cm Aus der Serie Dirigenten und Solisten: Rudolf Barschai, 1996, Inkjetprint (nach digitalisiertem Negativ), 40 × 50 cm Jan Vogler, 2010, Inkjetprint, 40 × 50 cm Leif Segerstam, 2000, Inkjetprint (nach digitalisiertem Negativ), 40 × 50 cm Gian Luigi Gelmetti, 1999, Inkjetprint (nach digitalisiertem Negativ), 40 × 50 cm Potemkin, 2009, aus der Serie Blau (Atacama), Inkjetprint, 29 × 38,5 cm
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