Mehr als 30 Jahre war Walter Möbius »Erster Fotograf« der Sächsischen Landesbildstelle und späteren Deutschen Fotothek. Zwischen 1926 und 1959 fertigte er rund 100 000 Aufnahmen; sie allein bildeten fast zwei Drittel des damaligen Negativarchivs. Seinen Fotografien verdankte die Landesbildstelle schon damals einen wesentlichen Teil ihres Ansehens, bis heute prägen sie den historischen Bestand aus der Frühzeit der Deutschen Fotothek. Seine Ausbildung zum Xylografen und Fotografen erfuhr Walter Möbius, am 29. Januar 1900 in Leuben bei Dresden geboren, bis 1918 zunächst in der Graphischen Kunstanstalt Gustav Bauer, dann bei Schönwolf und Plieninger. Anschließend war er als Betriebsfotograf beim Fotopapierhersteller MIMOSA in Dresden tätig. Am 1. April 1926 schließlich übernahm er die Stelle als Fotograf der Bildstelle, der er bis zu seinem frühen Tod am 9. März 1959 treu blieb. Für Fritz Schimmer, Direktor der Landesbildstelle, war die Anstellung eines versierten Fotografen von essenzieller Bedeutung für die Arbeit der Institution – in Walter Möbius, Berufsfotograf aus Leidenschaft, fand er denjenigen, mit dem er seine Vorstellung von »schönen wie sachlich treffenden photographischen Aufnahmen« (Fritz Schimmer, 1946) umsetzen konnte. Möbius entwickelte sich schnell zum Spezialisten für die sogenannte Landesaufnahme zur systematischen Erfassung von Kunst- und Kulturdenkmälern und geografisch bedeutsamer Landschaften. 1933 trat Möbius, seit 1927 Mitglied der SPD, wohl dem politischen Druck, der auch auf die Landesbildstelle ausgeübt wurde, nachgebend, der NSDAP bei. 1939 wurde er zur Wehrmacht eingezogen. Nach seiner Rückkehr im August 1945 ist ihm aufgrund seiner Parteizugehörigkeit die Rückkehr zur Landesbildstelle zunächst verwehrt worden. Stattdessen wurde er vom Rat der Stadt Dresden als Bauhilfsarbeiter eingesetzt. Zwar gelang es Fritz Schimmer, der Möbius als unersetzlich für den Wiederaufbau der Landesbildstelle ansah, ihn dafür freistellen zu lassen, doch zog sich eine endgültige Wiedereinstellung des Fotografen bis 1952, obwohl Schimmer und frühere SPD-Parteigenossen nicht müde wurden, Möbius’ politische Unbedenklichkeit zu bestätigen. Doch war es nicht nur die Parteimitgliedschaft, die der Anstellung entgegenstand, sondern wesentlich auch die institutionell unsichere Zukunft der Landesbildstelle, die sich erst mit der Einrichtung der Landesfotothek Dresden 1951 löste. Zur Überbrückung erhielt Möbius wie andere Mitarbeiter:innen Werkverträge, sodass er in der unmittelbaren Nachkriegszeit federführend die Rückführung der ausgelagerten Bestände und die Neueinrichtung der Fotowerkstatt übernehmen konnte. Schon bald fotografierte Möbius auch wieder. Die Landesaufnahme wurde erneut zu seinem zentralen Betätigungsfeld. Während umfangreicher Reisen dokumentierte er historische und zeitgenössische Architektur, aber auch die Auswirkungen des Krieges. Der Schwerpunkt lag dabei vorrangig auf Sachsen, doch führten ihn seine Reisen nicht selten weit über die Landesgrenzen hinaus. Schon in den 1930er-Jahren gelangten Aufnahmen aus Frankreich, Italien und den Karpaten, teils auf privaten Reisen entstanden, in den Bestand. Spätestens ab 1956, mit der Umbenennung und Neuorientierung als Deutsche Fotothek, hatte sich der Fokus auch innerhalb der dienstlichen Tätigkeit auf das gesamte deutsche Gebiet verschoben. Dies umfasste, vor dem Mauerbau, ebenso Reisen nach Westdeutschland, wie etwa 1957, als Möbius mit dem Auftrag der Dokumentation zeitgenössischer Architektur zwischen Düsseldorf und Stuttgart unterwegs war. Einen zweiten Schwerpunkt seiner Tätigkeit bildete die fotografische Aufnahme von Gemälden. Schon vor dem Krieg hatte Möbius die Kunstwerke vor allem der Gemäldegalerie Dresden, aber auch in der Ausstellung Entartete Kunst 1937 im Dresdner Rathaus fotografiert. In den 1950er-Jahren begann eine erneute intensive Zusammenarbeit mit den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. So war Möbius u. a. an der fotografischen Neuaufnahme der aus Russland zurückgekehrten Gemälde der Dresdner Galerie 1955 in Berlin maßgeblich beteiligt. Mit der mehrere Jahrzehnte andauernden, systematischen und ungewöhnlich vollständigen fotografischen Inventarisation vor allem seiner Heimatstadt Dresden hat Möbius einen wesentlichen Bildkorpus in der Sammlung der Deutschen Fotothek geschaffen, der mit seinen reichhaltigen, kulturhistorisch bedeutsamen Motiven zu einer unverzichtbaren Quelle für Historiker:innen, Restaurator:innen und Kunsthistoriker:innen wurde. Dabei sind es nicht nur die Motive, sondern auch und vor allem die ästhetische Qualität seiner Aufnahmen, die weit über die reine Dokumentation hinausweisen. KD/SF 34 WALTER MÖBIUS Feuerwerk am Neustädter Ufer, Dresden, 1937, Glasnegativ, Großformat Salzgasse mit Frauenkirche im Hintergrund, Dresden, 1928, Glasnegativ, Großformat Ernemann-Werke bei Nacht, Dresden, 1930, Glasnegativ, Großformat Ruine der Dresdner Frauenkirche mit Schafherde, 1957, Glasnegativ, Großformat Tagblatt-Turm, Stuttgart, 1957, Glasnegativ, Großformat Polizeipräsidium am Waidmarkt, Köln, 1957, Glasnegativ, Großformat
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