11 Irena Rüther-Rabinowicz – eine Dresdner Künstlerin des 20. Jahrhunderts Mit dem Werk von Irena Rüther-Rabinowicz präsentiert die Städtische Galerie nicht allein eine bemerkenswerte künstlerische Position der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Für das Kunstmuseum der Landeshauptstadt Dresden haben diese Ausstellung und der hier vorgelegte Katalog darüber hinaus auch wichtige kulturhistorische Aspekte. Im Zuge des Festjahres »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland« wurde 2021 gebündelte Aufmerksamkeit auf die Geschichte des Judentums in Deutschland, in Sachsen und auch in Dresden gelenkt. Dies war nicht nur in unserer Stadt der Auftakt für vielfältige Nachsuchen zu bisher nicht oder wenig beachteten Zusammenhängen der Geschichte und auch zu interessanten jüdischen Biografien. Unsere Ausstellung ist als einer von vielen Bausteinen dieser Initiative zu verstehen, mit der das Bewusstsein dafür gestärkt werden soll, dass jüdische Menschen wichtige Kulturträger in unserem Land sind und waren. Mit der Biografie der Malerin Irena Rüther-Rabinowicz stellen wir einen exemplarischen Lebenslauf des 20. Jahrhunderts vor. Geboren 1900 in Köln als Tochter einer bürgerlichen jüdischen Familie, die aus dem heute polnischen Teil des damaligen Zarenreiches stammte, wuchs sie in behüteten Verhältnissen in Köln, Chemnitz und Dresden auf. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs gehörte sie zu den ersten angehenden Künstlerinnen, die an der ehemals Königlichen und nun Staatlichen Dresdner Kunstakademie studieren durften. Als Kommilitonin und Ateliernachbarin von Otto Dix und Otto Griebel erlebte sie hautnah die fieberhaften künstlerischen Aktivitäten und Entwicklungen der ersten Nachkriegsjahre mit. Im Studium lernte sie auch Hubert Rüther kennen, den sie 1921 heiratete. Für ihre Familie, die keine engen religiösen Bindungen hatte, stellte die Ehe mit dem Katholiken Rüther kein Problem dar. Dem Paar gelang es, im Laufe des folgenden Jahrzehnts einen wichtigen Platz in der Dresdner Kunstszene zu erringen. Während Hubert Rüther vor allem Landschaften malte und Kunst am Bau gestaltete, etablierte sich Irena Rüther- Rabinowicz schnell als Bildnismalerin. Ihr kulturelles Interesse wird anhand der von ihr porträtierten Personen deutlich – neben Künstlerkollegen waren dies vor allem prominente Personen aus dem Kunst- und Musikleben der Stadt. Unabhängig von ihrer Kunst lebte die Malerin einen selbstbestimmten, für die 1920er Jahre sehr progressiven Lebensstil. Sie stand für Künstlerkollegen Modell, ging mit ihrem Freund und Mentor Fritz Hofmann-Juan auf Reisen nach Italien, widmete sich dem Reitsport und trat schließlich sogar als Dressurreiterin im Zirkus Sarrasani auf. Dies alles endete abrupt mit dem Jahr 1933 und der Machtübernahme der Nationalsozialisten. Irena Rabinowicz1 und Hubert Rüther wurden schrittweise ihrer Anbindung an das öffentliche Kunstleben beraubt. Sie verloren ihre Mitgliedschaften in Künstlerverbänden und Reichskulturkammer und bald stellte auch keine private Galerie mehr Werke von Irena Rabinowicz aus. Bis Anfang 1945 überstand das Künstlerpaar jedoch die bis zur Zwangsarbeit reichenden Repressalien. Als im Februar 1945 ein Sammelbefehl an die wenigen, bisher aufgrund von nichtjüdischen Ehepartnern verschont gebliebenen Dresdner Juden erging, betraf dies auch Irena Rabinowicz. Nur die Bombenangriffe auf Dresden am 13. und 14. Februar verhinderten ihre für den 16. des Monats vorgesehen gewesene Deportation. Nach 1945 begann für die Künstlerin ein neues, wenn auch ebenfalls nicht unproblematisches Leben. Sie fügte sich in die gesellschaftlichen Entwicklungen und genoss als Verfolgte des Naziregimes sogar gewisse Privilegien. Diese Stellung nutzte sie jedoch nach der kulturpolitischen Hysterie der frühen 1950er Jahre nur noch sehr zurückhaltend. Sie blieb ihren künstlerischen Interessen treu und porträtierte wieder prominente Personen aus dem Dresdner Kultur- und Geistesleben. Bis Anfang der 1970er Jahre schuf sie eine regelrechte Bildnisgalerie Dresdner Persön-
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