Leseprobe

105 den auffiel.13 Erhalten haben sich aus der Zeit vor 1945 fast ausschließlich Bildnisse aus ihrem privaten Umkreis und ihrer Familie. Auch das Bildnis des Clowns François (Kat. 15) zählt mit zu diesem Kreis, da die Künstlerin dessen Bekanntschaft sicher durch ihre eigene Tätigkeit im Zirkus gemacht hat. Es ist jedoch zu vermuten, dass Irena Rabinowicz in dieser Zeit auch eine nicht geringe Anzahl von Auftragsporträts gemalt hat. Mitunter wurden in Rezensionen Werke erwähnt, zu deren Verbleib keine Informationen vorliegen und die auch nicht fotografisch dokumentiert sind.14 Wohl vor 1930 entstand das Bildnis des »Geigers Bösing«, erwähnt in einem Zeitungsartikel über Hubert Rüther und Irena Rabinowicz von 1931.15 (Abb. 12) Auffällig in den Porträts mit Ausnahme der frühen Selbst- und Mädchenbildnisse und dem des Fotografen Erfurth ist der Verzicht auf Schilderungen des Umgebungsraumes. Die beruhigend wirkenden neutralen Farbräume im Hintergrund trugen dazu bei, dass nichts von den Schilderungen der dargestellten Personen ablenkt.16 Aus der Zeit von 1933 bis 1935 sind mehrere »offizielle« Bildnisgemälde bekannt, wie etwa das des Schauspielers Louis Rainer (Kat. 19), mit dem Irena Rabinowicz an ihre Porträts aus der Theaterwelt der frühen 1920er Jahre anschloss. Das demgegenüber sehr privat wirkende Bildnis des Sängers Robert Büssel (Kat. 23) ist aufgrund des intimen Einblicks hinter die Kulissen und aufgrund der ungewöhnlichen Komposition des Blicks von oben eher der Kategorie der Freundesporträts zuzuzählen. Die Unterscheidung zwischen »privat« und »öffentlich« wird weitgehend identisch sein mit entweder im eigenen oder im fremden Auftrag geschaffenen Werken. Ein anschaulicher Vergleich zwischen Nuancen der privaten und öffentlichen Bildnisse im Werk von Irena Rabinowicz ist anhand der beiden Porträts möglich, die sie von ihrem Förderer und väterlichen Freund Fritz Hofmann-Juan um 1935 angefertigt hat. Erhalten ist nur das quasi öffentliche Repräsentationsporträt (Kat. 27), welches den damals 62-jährigen Maler gestrafft sitzend mit erhobenem Kopf im Frack und mit allen seinen militärischen und zivilen Auszeichnungen zeigt. Seine rechte Hand liegt bewusst streng und flach im Schoß, der stolzentrückte Blick geht am Betrachter des Bildes vorbei. Im Vergleich dazu gibt der Dargestellte im wohl schon ein Jahr früher geschaffenen zweiten Porträt (Abb. 14) ein viel lockereres, intimer wirkendes Bild ab: Er sitzt, etwas zusammengesunken und mit übereinandergeschlagenen Beinen in einem ähnlichen Lehnsessel, ist elegant gekleidet in einen Straßenanzug mit karierter Hose und gepunkteter Krawatte. Das ebenso gepunktete Einstecktuch trägt er salopp aus der Brusttasche hängend. Lässig hält er Handschuhe, Stock und Hut – und vor allem: Er tritt mit dem Betrachter in direkten Blickkontakt. Die künstlerische Haltung von Irena Rabinowicz kann im Kontext ihrer Zeit als zwischen zwei Polen liegend beschrieben werden. Während man Ende der 1920er Jahre in einem breiten öffentlichen Diskurs Fragen über 12 Bildnis des Geigers Bösing, um 1926, Öl auf Leinwand, Maße und Verbleib unbekannt 13 Selbstbildnis in spanischer Tracht, 1936, Öl auf Leinwand, 92 × 72 cm, Standort nicht bekannt 14 Bildnis Fritz Hofmann-Juan, um 1935, Öl auf Leinwand, Maße und Verbleib unbekannt

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