104 zenhaltende Künstlerselbstdarstellung als Bezug auf die Kunstgeschichte in der Dresdner Kunst sehr weit und bis in die Jahre nach 1945 verbreitet.10 Irena Rabinowicz kombinierte in ihrem ikonischen Selbstbild jedoch weitere Bezugnahmen wie etwa den gewählten Bildausschnitt der Dreiviertelfigur, in dem eine distanzierend wirkende, tradierte Würdeformel des Adelsporträts steckt. Das Porträt wirkt mondän, aber nicht verrucht wie Dix’ im selben Jahr entstandenes »Bildnis der Tänzerin Anita Berber«, obgleich in beiden Darstellungen das Kleid wie eine Folie um den nackten Körper modelliert ist. Auch wenn Irena Rabinowicz mit ihrem langen hochgesteckten Haar dem Idealtyp der modernen Frau der 1920er Jahre widersprach, ist in ihrem Porträt auf diskrete Weise das Selbstbewusstsein erkennbar, das sie als Reiterin, Motorradfahrerin und allein reisende Frau in dieser Zeit auch persönlich lebte. Sie entschied sich wohl bewusst und möglicherweise aufgrund ihrer Orientierung an kunsthistorischen Traditionen gegen eine betont moderne Selbstdarstellung, wie sie etwa die Berliner Malerin Ilse Fischer 1928 in einem Selbstporträt als Reitsportlerin mit Reithose und Reitgerte präsentiert hat. Irena Rabinowicz verzichtete darauf bzw. überließ eine solche Sicht auf ihre Person ihrem Mentor Fritz Hofmann-Juan. (Abb. 11) Sie stellte sich auch nie explizit als Malerin dar, wie dies zahlreiche ihrer Zeitgenossen taten. Auffällig in ihren Selbstporträts der 1920er und 1930er Jahre und auch in den Bildnissen junger Frauen aus ihrem Bekanntenkreis ist die Häufung von exotischen Kleidungsstücken und Accessoires. Kimonos, transparente Spitzenkleider, Turbane, Schleier und sogar eine spanische Tracht (Abb. 13) zeigen die Vorliebe von Irena Rabinowicz für solche Inszenierungen, wobei einige der dabei verwendeten Gegenstände womöglich aus den Reisemitbringseln und Sammlungsstücken von Fritz HofmannJuan stammten.11 In ihren Selbstbildnissen schlüpfte die Künstlerin gleichsam in verschiedene Identitäten, was in ihrem persönlichen Leben seine Parallelen hatte. Das Sich-Präsentieren als Künstlerin und als Zirkusreiterin in der Öffentlichkeit, d. h. in zwei ganz unterschiedlichen Sphären (die Rolle als Gattin und Mutter nicht mitgerechnet), stand möglicherweise in einem Zusammenhang mit ihrer Lust an der Verkleidung. Diese lässt sich außerdem bis zu Fotografien aus ihrer Kindheit zurückverfolgen und wird durch spätere inszenierte Fotoaufnahmen von ihr untermauert.12 Zudem knüpfte sie nach 1945, als die erwähnten Parallelwelten nicht mehr bestanden, auch nicht weiter an die Reihe ihrer Selbstbefragungen im eigenen Bildnis an. Mitte der 1920er Jahre hatte sich die Künstlerin in Dresden soweit etabliert, dass sie regelmäßig an Ausstellungen des Kunstvereins und der Kunstgenossenschaft teilnahm. Zeitungsrezensionen belegen, dass sie zunächst mit ihren Stillleben, in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts jedoch zunehmend mit ihren Porträtgemäl10 Fritz Tröger, Mädchen im karierten Kleid, 1925, Öl auf Sperrholz, 70 × 49,5 cm. Städtische Galerie Dresden – Kunstsammlung 11 Fritz Hofmann-Juan, Bildnis Irena Rüther-Rabinowicz im Reiterkostüm, 1935, Öl auf Leinwand 185 ×140,5 cm, Privatbesitz
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