103 8 Porträt des Bildhauers Georg Wrba, in: Dresdner Woche, 1.Jg. 1922, Heft 4, S. 5 9 Bildnis des Tenors Richard Tauber, 1919, Kreide, Maße und Verbleib unbekannt, bez. u. r.: R. Interessant ist der Schritt von der lockeren Auffassung der frühen Bildniszeichnungen zurück zu einer akademischeren Form des Porträtierens Mitte der 1920er Jahre. Frühe Beispiele wie ein Porträt ihres Onkels Lutek, das Irena Rabinowicz im Alter von etwa 14 Jahren schuf, oder ein Bildnis von Hubert Rüther aus dem Jahr 1919 (Kat. 9) zeigen, dass sie bereits damals das Herstellen eines realistisch-räumlichen Eindrucks mittels Schattierens mit verwischten Kreiden genauestens verstand. Trotzdem machte sie sich die genaue Ausarbeitung klassisch wirkender zeichnerischer Porträts erst frühestens um 1925 generell zu eigen. Malerisch veränderte sich ihr Stil schon etwas früher. Porträtgemälde wie das des Fotografen und Kunsthändlers Hugo Erfurth4 (Kat. 8) zeigen eine strenge Fassung der Formen in ein System nebeneinandergesetzter Flächen – eine Form der Stilisierung, die im Dresdner Kontext nur mit Bildnissen von Fritz Tröger vergleichbar ist, die diese Form flächenhafter Gestaltung in noch ausgeprägterer Form und mit stärkerer zeichnerischer Betonung der Konturen aufweisen.5 (Abb. 10) Weiter als im Bildnis des kunstsinnigen Galeristen, der durch seine Ausstellungen damals in Kontakt mit fast allen Akteuren der avantgardistischen Dresdner Kunstszene stand und zu dessen Konterfei eine originelle Gestaltung zweifellos passte, wagte sich die Künstlerin in dieser Hinsicht jedoch nicht vor. Im Grunde blieb ihre Porträtauffassung traditionell geprägt, was auch ihre regelmäßigen Studien beim Kopieren altmeisterlicher Gemälde in der Dresdner Gemäldegalerie belegen. Auch dort widmete sie sich ausschließlich dem Porträt. Sie kopierte zwischen 1918 und 1924 insgesamt neun Bildnisse von Velázquez, Valentin, Varotari, Rubens, Rembrandt und van Dyck.6 Nur in ihrem »Selbstporträt im schwarzen Spitzenkleid« von 1925 (Kat. 14) und in den beiden Bildnissen der wohl mit ihr befreundeten Lilo Kirsten7 (Kat. 17 u. 18) steigerte sie den flächigen Eindruck der Malerei noch einmal bei der Wiedergabe der grafischen Muster von Spitzengeweben über hellen Untergründen. Ihr von einem Rezensenten als »moderne Mona Lisa« beschriebenes »Selbstporträt im schwarzen Spitzenkleid« ist wohl als Hauptwerk ihrer Bildnismalerei zu bewerten.8 Mit der unvermittelten Präsenz eines Bühnenauftritts tritt uns die Malerin hier entgegen, eine Kamelienblüte wie das Attribut einer Heiligen vor sich haltend. Nur ein angedeuteter Vorhang und eine Blattpflanze rechts unterbrechen die Symmetrie des ungewöhnlich schmalen Hochformats. Das ebenmäßige Gesicht der Künstlerin ist von Licht und Schatten zweigeteilt, ihre Züge sind ruhig und fast ausdruckslos. Dies, die strenge Frontalität der Komposition und auch die erhobene rechte Hand erinnern vage an Albrecht Dürers Selbstbildnis im Pelzrock und an dessen Bezüge zur Vera Icon.9 Angesichts von Irena Rabinowicz’ Interesse an der Malereitradition verwundert dieser direkte Bezug keinesfalls. Allerdings schuf sie damit innerhalb ihres Umfelds auch kein Alleinstellungsmerkmal, denn ausgehend von Otto Dix’ »Selbstbildnis mit Nelke« hat sich die pflan7 Porträt Kurt Heynicke, in: Dresdner Woche, 1.Jg. 1922, Heft 9, S. 11
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