Leseprobe

100 1 Bildnis Dr. Hermann Mittermaier, um 1920, Öl auf Leinwand, Verbleib unbekannt 2 Fritz Hofmann-Juan, Bildnis des Tenors Richard Tauber, um 1920, Öl auf Leinwand, 116×90,3 cm, Städtische Sammlungen Freital 3 Mädchenporträt im Kimono, um 1920/21, Öl auf Leinwand, Maße und Verbleib unbekannt ob hinter dieser Fokussierung ein psychologisches Interesse oder etwa vorrangig pragmatische Überlegungen zur Auftragsmalerei gestanden haben. Wir wissen nicht, was genau sie am Porträt interessiert hat. Offensichtlich war sie nicht auf der Suche nach dem Typischen oder der Darstellung ihrer Zeit wie etwa ihr Kommilitone Otto Dix, es ging ihr bei ihren Bildnissen wohl eher um das Ergründen individueller Besonderheiten. Das Interesse am künstlerischen Charisma im individuellen Ausdruck und vielleicht auch der feststehende Ausgangspunkt für ein Bild, der im Porträtfach immer in der Eigenart der abzubildenden Person gegeben ist, können fördernd für ihre Hinwendung zum Bildnis gewirkt haben. Ein weiterer möglicher Beweggrund mag die Möglichkeit zum Eintritt in einen interessanten gesellschaftlichen Kreis gewesen sein, der ihr mit dem Porträtieren prominenter Personen aus Kunst und Kultur geöffnet wurde. Der traditionelle Auftraggeber hatte mit seiner Nachfrage eine bestimmte Form der Porträtmalerei erzeugt, bei der Ähnlichkeit, ein wohlwollender Blick des Künstlers und eine würdige und originelle Komposition wichtige Kriterien für den Erfolg eines Auftragsbildnisses waren. Nicht nur künstlerische Fertigkeiten, sondern auch Einfühlungsvermögen und ein Gefühl für die Erwartungen des Gegenübers waren dafür Voraussetzungen. Das früheste bekannte Bildnisgemälde im Werk von Irena Rabinowicz, das möglicherweise ein Auftragswerk gewesen sein könnte, ist das Porträt von Dr. Hermann Mittermaier. (Abb. 1) Mittermaier war mit Hubert Rüther, dem Kommilitonen und späteren Ehemann der Künstlerin, aus der Zeit des Weltkriegs bekannt. Er hatte den Lazarettzug geleitet, in dem auch Rüther tätig gewesen ist. Die Künstlerin wählte für Mittermaiers Bildnis die Ansicht als Halbfigur im Halbprofil. Der Porträtierte schaut nach links aus dem Bild am Betrachter vorbei, seine Hände liegen ruhig im Schoß und die Unterarme auf den Lehnen des Stuhles, dessen geschnitzte Lehne rechts den Abschluss bildet.1 Der Hintergrund ist offenbar monochrom belassen, die Malerei wirkt glatt, aber nicht unstrukturiert. Einige Details wie die Konturen des Hemdkragens, die Schatten unter den Revers und das Muster der Krawatte zeigen bereits Ansätze zu einer Reduktion im Umgang mit malerischen Mitteln. Hier suchte die Künstlerin auf einfache Art Wirkungen zu erzeugen und malerische Präzision nur auf die wichtigsten Details wie Gesicht und Hände zu konzentrieren. Insgesamt handelt es sich um ein durchaus konventionelles Porträt ohne größeren inszenatorischen Aufwand. Mit der Komposition dieses Bildnisses hatte Irena Rabinowicz offenbar bereits die ihr liebste Form der Porträtgestaltung gefunden, die sie über ihr gesamtes künftiges Schaffen hinweg bevorzugen sollte: Überwiegend stellte sie zu porträtierende Personen sitzend dar. Hintergründe bleiben dabei als offene Farbräume zumeist neutral und verschiedene Lehnstühle geben den einzigen Halt. Möglicherweise stand ihr bei diesen prinzipiellen Formfindungen auch ihr Freund und Mentor Fritz Hof-

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