Leseprobe

20 8 Studienblatt, 1918, Feder und Tusche, 49 × 65,2 cm, bez. u. r.: Irene Rabinowicz/ 22. 2. 18, Privatbesitz 9 Der Maler Fritz Stotz in seinem Atelier, um 1918/19 schränken«.24 Irena trat in die Schule von Otto Gussmann ein, der seit 1897 an der Akademie lehrte. Seit 1910 leitete er eine Meisterklasse für dekorative Malerei und war damals in Dresden vor allem für seine Wandgemälde im Neuen Rathaus, in der Versöhnungskirche und im Ständehaus bekannt. Sie erhielt ein Atelier außerhalb des Hauptgebäudes der Akademie im Dachgeschoss des ehemaligen Polytechnikums am Antonsplatz zugewiesen. Neben Otto Griebel, Walter Jacob und Otto Meister aus der Klasse von Robert Sterl arbeiteten dort die Gussmann-Schüler Peter August Böckstiegel, Otto Dix, Bernhard Kretzschmar, Heinz Lewerenz, Hubert Rüther und Sergius Winkelmann. Mehrheitlich bestand diese Gruppe aus ehemaligen Frontsoldaten, die ihre künstlerische Ausbildung schon vor dem Weltkrieg begonnen hatten. Hubert Rüther beispielsweise war nach zwei Jahren an der Königlichen Zeichenschule und zwei weiteren an der Kunstgewerbeschule im Herbst 1911 an die Akademie gekommen und hatte bis zum Sommer 1914 bei Oskar Zwintscher und im Atelier von Gotthardt Kuehl studiert. Nach vier Jahren Militärdienst schrieb er sich im Februar 1919 wieder als Student ein. Ähnlich Otto Griebel, der 1909 in die Königliche Zeichenschule eingetreten war, 1911 an die Kunstgewerbeschule gewechselt war und von da 1915 zum Militärdienst eingezogen wurde. Nach dem Krieg schrieb er sich zunächst wieder an der Kunstgewerbeschule ein, ehe er wie Irena Rabinowicz im Herbst 1919 an die Akademie kam. Griebel schilderte die durch den separaten Atelierstandort gewährleistete Selbstständigkeit, die dem Studium der bereits fortgeschrittenen Studenten zu entsprechen schien. Die Hauptetagen des Gebäudes am Antonsplatz wurden vom Oberverwaltungsgericht genutzt und die Akademieprofessoren suchten die Ateliers nur »in gewissen Zeitabständen« auf, gaben Korrektur und erteilten »Lehren über das, was wir zeichneten oder malten, […] ohne aber die gewählten Themen zu kritisieren oder gar anzufechten. Ein jeder von uns durfte sich auf der Leinewand oder dem Papier ausdrücken, wie es ihm nur gefiel; mit der einzigen Forderung der Professoren, daß immer wieder einiges Neue zu sehen war.«25 Griebel beschrieb Böckstiegel und Kretzschmar als verschlossen, erwähnte jedoch »regen Gedankenaustausch« mit Lewerenz, Rüther und Irena Rabinowicz. Winkelmann malte »Porträts im Kuehlschen Stil«, über Irena Rabinowicz wusste er zu berichten, dass sie »expressionistisch malte«. Gerüchteweise überliefert ist, dass Gussmann die junge Malerin in dieser Umgebung vorsorglich unter den besonderen Schutz des Katholiken Hubert Rüther gestellt hat. In der unruhigen Nachkriegszeit scheint die wirtschaftliche Lage der Familie Rabinowicz nicht mehr vollständig gesichert gewesen zu sein. In den Adressbüchern der Stadt ist vermerkt, dass Heinrich Rabinowicz damals von seiner Wohnadresse aus in kurzer Abfolge mehrere Geschäfte betrieben hat. 1919 ist er als Inhaber einer Handlung mit elektrischen Gegenständen genannt, 1920 mit einem Ein- und Ausfuhrgeschäft und 1922/23 mit Ein- und Ausfuhrgeschäft und einer Lederwarenhandlung.

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