Leseprobe

67 Die Bauhaus-Ausstellung von 1923 Am 15. August 1923 fuhren beide zusammen zur Eröffnung der berühmten ersten Gesamtausstellung des Bauhauses nach Weimar, wo ja mittlerweile auch seine beiden Stuttgarter Studienfreunde Oskar Schlemmer und Johannes Itten unterrichteten und Ida Kerkovius studierte (Abb. 4). Es existiert eine Fotografie von der Eröffnung der Ausstellung, auf der Wassily Kandinsky, Reichskunstwart Dr. Edwin Redslob, Kultusminister Greil, Willi Baumeister und Margarete Oehm in weißem Kleid rechts im Vordergrund zu sehen sind. Es ist mit großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sie bei diesem Anlass auch die anderen Bauhaus-Professoren wie Walter Gropius, Georg Muche, Paul Klee, Wassily Kandinsky und Lyonel Feininger kennengelernt haben. Wahrscheinlich trafen sie dort außerdem zum ersten Mal den Typografen Jan Tschichold aus Leipzig, der ebenfalls angereist war. Das Bauhaus wurde von der thüringischen Landespolitik gebeten, Rechenschaft über seine bisherige Arbeit abzulegen. In den folgenden Jahren gab es immer wieder verschiedene Treffen und briefliche Korrespondenz zwischen Kandinsky und Baumeister. Im März 1932 tauschten die beiden Künstler schließlich Arbeiten mit gegenseitigen Widmungen (Abb. S. 102). Typografische Arbeiten Es erstaunt aus heutiger Sicht, dass Willi Baumeister 1919 begann, im Bereich der Typografie und Reklamegestaltung zu arbeiten. Unseres Wissens nach war er völliger Autodidakt auf diesem Gebiet. Sein erstes Plakat war das Plakat zur 1. Herbstschau Neuer Kunst. Sturm, Berlin, Üecht-Gruppe, Paul Klee im Stuttgarter Kunstgebäude vom 26. Oktober bis zum 19. November 1919 (Abb. 5). Auch das Begleitheft zur Ausstellung greift auf dem Titelblatt von Oskar Schlemmer die in der Auseinandersetzung mit Otto Meyer-Amden entwickelten, stilbildenden schematischen Profilköpfe auf. Zur Aufführung von Ernst Tollers Schauspiel Die Wandlung im Deutschen Theater in Stuttgart am 20. Januar 1920, zu dem er die Ausstattung anfertigte, entstanden ein Plakat und ein Umschlag von der Hand Baumeisters für die Blätter des Deutschen Theaters Stuttgart.8 Auch der Umschlag des Ausstellungskatalogs der Galerie von Garvens in Hannover (1922) wurde von Baumeister gestaltet. Besonders umfangreich wird seine Designtätigkeit schließlich für die Bau-Ausstellung Stuttgart 1924. Dafür entwarf er die Ausstellungsbeschriftung, die Raumgestaltung und die Typografie der Drucksachen. Er gestaltete nicht nur eine Anzeige, sondern verschiedene Briefbögen, die Einladungskarte und das Logo für die Zeitschrift Das Baujahr. Eine Schrift zur Bau-Ausstellung 1924. Typisch für ihn sind zu dieser Zeit die Nutzung übergroßer Initialen und die konsequente Verwendung einer Grotesk-Schrift im Briefkopf und in der Titelei. Als Künstler ist er selbst mit einem Mauerbild mit Wandbeschriftung in der Ausstellung vertreten.9 Auch der Katalog der Werkbund-Ausstellung Die Form, Stuttgart, Juni bis August 1924, wird von ihm im Stil der sogenannten Neuen Typografie gestaltet. Sie beschränkt sich auf die Farben Schwarz, Weiß und Rot. Dazu benutzt er meistens die Schrift der Akidenz-Grotesk. In einem später verfassten, undatierten Text Zimmer- und Wandgeister spricht er diesen Dreiklang an: »Es stimmt auch, daß ich selbst immer für Schwarz-Weiß-Rot plädiert habe. Ich tue es noch. Schwarz-Weiß-Rot ist großartig elementar. Das zeigt sich besonders in der Typografie. Bei den Bildern bevorzuge ich differenziertere Farbabstufungen.«10 / 3 / Margarete Oehm Willi Baumeister im Atelier Werastraße 15, um 1923

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