26 wieder fragen, einzelne Worte sich deuten lassen u.s.w. sodass Kraft und Zeit aufgewendet werden mussten, um eine phonetische Verständigung und eine sinngemäße Verständigung zu erzielen. Oft blieb es ein lückenhaftes Resultat. Die erste Frage die ich an ihn direkt richtete war aus welchem Grund es ihm an dem Abend der ersten Begegnung gefallen hätte. Er antwortete nicht direkt, sondern ließ mir durch Karl Vollmar sagen, die Witze hätten ihm gefallen. [...] Ich ließ deshalb Vollmar fragen, warum ihm die Witze gefallen hätten, da wir doch auf ihn keine Rücksicht genommen hätten? Er ließ mir die Antwort in lakonischer Kürze zukommen: ›Eben deshalb‹, d. h. nur aus dem von mir erwähnten Grunde, d. h. weil wir uns ohne Vorbehalt natürlich, und ohne Rücksicht auf ihn gaben. Einfach gesagt, echt gemeint, in der Tat das allein richtige getroffen.«6 Es entwickelte sich eine intensive Freundschaft zwischen Schlemmer, Meyer und Baumeister, die vor allem eine präzise und nachhaltige, inhaltliche Klärung zentraler künstlerischer Fragen zur Folge haben sollte, welche besonders Oskar Schlemmer zu denjenigen ästhetischen Lösungen und Formulierungen führte, für die er später berühmt wurde. Die reduzierten, schematischen Profilköpfe, die direkt auf Meyer-Amdens sogenanntes Maiglöckchen-Bild zurückgehen, finden sich auch bei Willi Baumeister in seiner Amdener Zeit. Das legendäre Maiglöckchen-Bild Um 1909 malte Otto Meyer das sogenannte Maiglöckchen-Bild, das heute als verschollen gilt. Es gibt aber eine Skizze von seiner Hand mit einer handschriftlichen Notiz von Willi Baumeister (Abb. S. 52), eine ausführliche Beschreibung des Bildes7 und eine undatierte Gedächtnis-Skizze von der Hand Baumeisters (Abb. 1).8 In diesem Bild entwickelte Otto Meyer den berühmten schematischen Profilkopf. Er ist aus einem quadratischen Raster aufgebaut und nimmt die Pixelstruktur digitaler Dateien durchaus vorweg. Das Gesichtsprofil wird in ein quadratisches Raster eingefügt. Die Konturen von Stirn, Nase, Lippen und Kinn orientieren sich zwar an diesem geometrischen Raster, besitzen aber noch die Freiheit, davon abzuweichen. Mit dieser Formulierung fand Meyer-Amden eine künstlerische Lösung, die besonders von Oskar Schlemmer übernommen wurde und auch bei Willi Baumeister in den Jahren 1912 und 1913, in seiner Amdener Zeit, eine wichtige Rolle spielte. Ein Plakat von Oskar Schlemmer zum Neuen Kunstsalon am Neckartor von 1913 baute auf diesem schematisierten Profil Meyers auf.9 arbeiteten. In der Klasse von Adolf Hölzel, in der Baumeister von Oktober 1910 bis April 1912 studierte, trafen verschiedene internationale Freigeister aufeinander, die an der Kunst der Moderne Interesse hatten und die systematische Formen- und Farbenlehre Hölzels als kompositorische Struktur und Haltung gut fanden. Wenngleich sie diese Lehre vielleicht innerlich ablehnten, profitierten sie doch indirekt oder unbewusst mehr davon, als sie sich selbst eingestehen mochten.5 Baumeister stellte in dieser Zeit bereits fleißig aus. Seine erste Ausstellung dürfte 1909 eine Schau von Malereien der Studierenden in der Königlichen Württembergischen Kunstakademie gewesen sein. Dadurch ergab sich der erste Kontakt zu Adolf Hölzel, der ihm ausrichten ließ, dass er seine dort ausgestellten Bilder sehr schätzen würde. Aber auch 1910 war schon ein reges Ausstellungsjahr für Baumeister. Im Februar nahm er an einer Ausstellung im Kunsthaus Schaller in Stuttgart teil, in der Handzeichnungen und farbige Studien von Stuttgarter Künstlern gezeigt wurden. Im März beteiligte er sich an der Jahresgaben-Ausstellung des Vereins Württembergischer Kunstfreunde, im September an der Ausstellung Zeitgenössische französische Künstler (Pariser Independants) im Württembergischen Kunstverein Stuttgart, in der er als Gast das Bild Junge am Landungssteg von 1909 zeigte, und im Dezember an der Weihnachtsausstellung der Akademieschüler im Museum der Bildenden Künste Stuttgart sowie an einer Gruppenausstellung im Kunstsalon Vollmar. Er befand sich zu diesem Zeitpunkt im siebten Studiensemester und war noch nicht ganz 21 Jahre alt. Er malte vorwiegend impressionistisch und spätimpressionistisch inspirierte Landschaftsbilder und Porträts. Seinen Stil hatte er offensichtlich zum damaligen Zeitpunkt noch nicht gefunden. Die Freundschaft mit Otto Meyer Im selben Jahr, in dem er zu Gustav Igler wechselte, lernte Willi Baumeister durch Vermittlung eines Freundes, des Architekten Karl Vollmar, den Schweizer Künstler Otto Meyer in einem Café kennen. In einem emotional sehr bewegenden Rückblick, der höchstwahrscheinlich nach dem Tod von Oskar Schlemmer 1943/44 entstanden ist, schildert er diese erste Begegnung: »Eines Tages verabredete Vollmar ein abendliches Treffen in einem Café der Büchsenstraße. Er wolle jemand mitbringen unter bestimmten Bedingungen. Wir dürften mit dem Unbekannten keine Umstände machen, jedoch Zurückhaltung sei angebracht. Er sei beiläufig gesagt der bedeutendste Maler seit Anfang des vergangenen Jahrhunderts. [...] Vollmar brachte den erstaunlichen Mann abends. Er war ein Mann, denn er hatte zu unserem Erstaunen einen Vollbart. Er war erstaunlich, weil er kein Wort redete, ausgenommen etwas Unverständliches bei der Begrüßung und beim Abschied. Am anderen Tag baten wir Vollmar um Aufklärung. Er berichtete uns, Otto Meyer hätte es in unserer Gesellschaft sehr gefallen. Es war um diese Zeit ungewöhnlich schwer, mit O. M. in einen Kontakt zu kommen. Ein derartiges Maß von Zurückhaltung habe ich nie wieder beobachtet. Was er sprach war nur karge Antworten auf Fragen. Diese Antworten waren zudem sehr leise und in berner Dütsch gegeben! Man musste also wieder und
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