9 Strafhaftanstalt für Männer und Frauen.6 Im Dezember 1950 wurde das Gefängnis mit 250 Gefangenen der Volkspolizei übergeben. Diese nutzte es fortan als Gefängnis für Strafgefangene. Das Haus war als Objekt II der Strafvollzugseinrichtung Bautzen zugeordnet und mit maximal 400 männlichen und weiblichen Gefangenen mit Kurzzeitstrafen bis zu zwei Jahren belegt. Beide Gefängnisse – Bautzen I und II – standen unter Kontrolle der Hauptabteilung Strafvollzug im Innenministerium und der Abteilung Strafvollzug in der Bezirksbehörde der Volkspolizei Dresden.7 1956 änderte sich der Charakter der Haftanstalt grundlegend. Es blieb formal dem Innenministerium unterstellt, aber tatsächlich erhielt das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) dort erhebliche Zugriffsrechte. Das MfS kontrollierte seitdem die Einweisungen, den Haftalltag und die Behandlung der Gefangenen. Bautzen II wurde damit de facto zu einer Sonderhaftanstalt des MfS. Das Gefängnis wies durchweg einen extrem hohen Anteil von Gefangenen auf, die in der DDR unter Beteiligung des MfS wegen politischer Delikte verurteilt worden waren. Diese Situation änderte sich erst mit der demokratischen Revolution in der DDR und der Entlassung der letzten politischen Gefangenen im Dezember 1989.8 Von 1990 bis 1992 wurde Bautzen II als Außenstelle der Justizvollzugsanstalt Bautzen geführt, bevor 1994 die Gedenkstätte Bautzen auf dem Gelände der ehemaligen Haftanstalt entstand. Der vorliegende Band verdankt seine Entstehung den noch immer erheblichen Forschungslücken zur Geschichte der beiden Gefängnisse. Insbesondere die Zeit des Nationalsozialismus wurde bisher nur rudimentär erforscht. Aber auch zahlreiche Fragen zum Speziallager Bautzen und zur MfS-Sonderhaftanstalt Bautzen II konnten bisher nicht ausreichend beantwortet werden. Für die Zeit nach 1945 ergab sich mitunter der Eindruck, dass die zur Erforschung notwendige Distanz zum Gegenstand nicht immer gewahrt wurde, die Richtung der Forschung wie die Ergebnisse stark von den moralisch determinierten Fragestellungen der Aufarbeitung geprägt waren. Wenngleich in der Gedenkstättenarbeit Empathie mit den Schicksalen der Gefangenen das oberste Gebot 3 Karl W. Fricke, Internierung und Strafvollzug in Bautzen unter sowjetischer Verantwortung (1945 bis 1950), in: Fricke, Strafvollzug, S. 101–117; Cornelia Liebold/Bert Pampel (Hrsg.), Hunger, Kälte, Isolation. Erlebnisberichte und Forschungsergebnisse zum sowjetischen Speziallager Bautzen, 1949–1950, Dresden 42002; Jörg Morré, Das Speziallager Bautzen als Instrument sowjetischer Herrschaftssicherung, in: Rainer Behring/Mike Schmeitzner (Hrsg.), Diktaturdurchsetzung in Sachsen. Studien zur Genese der kommunistischen Herrschaft 1945–1952, Köln 2003, S. 79–100; Cornelia Liebold/Jörg Morré/Gerhard Sälter (Hrsg.), Kassiber aus Bautzen. Heimliche Briefe von Gefangenen aus dem Speziallager 1945–1950, Dresden 2004. Siehe Sergej Mironenko/ Lutz Niethammer/Alexander von Plato (Hrsg.), Sowjetische Speziallager in Deutschland, 1945 bis 1950, Bd. 1, Berlin 1998; Andrew H. Beattie, Allied Internment Camps in Occupied Germany. Extrajudicial Detention in the Name of Denazification, 1945–1950, Cambridge 2020. 4 Fricke, Strafvollzug, S. 126–132. 5 Ronny Heidenreich, Aufruhr hinter Gittern. Das »Gelbe Elend« im Herbst 1989, Leipzig 2009. 6 Fricke, Internierung, S. 101– 102. 7 Bericht zur Übernahme der StVA Bautzen II, 18.12.1950, Bundesarchiv Lichterfelde, DO 1-11/1571– 75396, Bl. 7, Kopie der Historischen Sammlung der Gedenkstätte Bautzen (HSGB), BB-32. Das Übergabeprotokoll datiert vom 14.12.1950, ebd., Bl. 59–67. 8 Karl W. Fricke/Silke Klewin, Bautzen II. Sonderhaftanstalt unter MfS-Kontrolle. 1956 bis 1989. Bericht und Dokumentation, Dresden 32007.
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