Ronny Heidenreich, Silke Klewin und Gerhard Sälter EINLEITUNG Die Stadt Bautzen ist außerhalb von Sachsen weniger für ihre geschlossene Spätmittelalter- und Renaissance-Altstadt berühmt, als für ihre beiden Gefängnisse berüchtigt. Eine Strafanstalt mit damals etwa 1 100 Haftplätzen wurde 1904 am Rand der Stadt als Königliche Landesgefangenenanstalt in Betrieb genommen. Die Stadtverwaltung Bautzen begrüßte den Bau, sah sie darin doch eine Entwicklungsmöglichkeit für die Stadt. Im Gegensatz zu vielen anderen Gefängnissen wurde kein bestehender Gebäudekomplex umgenutzt, sondern ein Neubau geplant. Er galt mit Zentralheizung, integrierter Krankenstation und einer parkähnlichen Außenanlage für seine Zeit als fortschrittlich. Spätestens seit der Weimarer Zeit diente das Gefängnis auch zur Inhaftierung von Personen, die wegen politischer Delikte verurteilt waren.1 Der Machtantritt der Nationalsozialisten 1933 brachte zwei Veränderungen: Die seit der Jahrhundertwende einsetzenden Reformanstrengungen im Gefängniswesen wurden aufgegeben und die bereits eingeleiteten Veränderungen im Haftregime mehrheitlich wieder rückgängig gemacht. Außerdem wuchs, wie in anderen Gefängnissen und Zuchthäusern des »Dritten Reiches« auch, der Anteil von Häftlingen, die wegen politischer Delikte verurteilt worden waren. Die Strafanstalt Bautzen diente seit 1933 vorrangig dem Vollzug kurzer Haftstrafen an erstbestraften jungen Männern.2 1 Christa Kämpfe, Die Strafvollzugsanstalten in Bautzen – eine Baugeschichte; in: Justizgebäude in Sachsen gestern und heute, Dresden 1995, S. 127–182; siehe die Beiträge von André Thieme, Erich Viehhöfer, Peter Russig und Mike Schmeitzner in Karl W. Fricke (Hrsg.), Humaner Strafvollzug und politischer Mißbrauch. Zur Geschichte der Strafvollzugsanstalten in Bautzen 1904 bis 2000, Dresden 1999. Siehe Thomas Nutz, Strafanstalt als Besserungsmaschine. Reformdiskurs und Gefängniswissenschaft, 1775–1848, München 2001; Silke Klewin/Herbert Reinke/Gerhard Sälter (Hrsg.), Hinter Gittern. Zur Geschichte der Inhaftierung zwischen Bestrafung, Besserung und politischem Ausschluss vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Leipzig 2010. 2 Susanne Hattig/Silke Klewin et al., Haft unterm Hakenkreuz. Bautzen I und II. 1933–1945, Dresden 2018, S. 24; siehe Nikolaus Wachsmann, Gefangen unter Hitler. Justizterror und Strafvollzug im NS-Staat, München 2006, und Sylvia de Pasquale, Zwischen Resozialisierung und »Ausmerze«. Strafvollzug in Brandenburg an der Havel (1920–1945), Berlin 2013.
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