201 Diese Symboliken finden sich genauso im privaten Bildgedächtnis. Mit der NS-Diktatur verbinden Menschen besonders die Konzentrationslager, mit der DDR Überwachung und die Berliner Mauer (die wiederum lange mit der Chiffre »Ulbrichts KZ« belegt war). Kristallisations- und Konfliktpunkte dieser populären Bilder sind insbesondere die Gedenkstätten mit sogenannter »doppelter Vergangenheit«, an denen mehrere Zeitschichten aufeinander folgen, sich lokal überlagern und unterschiedliche historische Komplexe repräsentieren. DOPPELTE VERGANGENHEIT? Die »doppelte Vergangenheit« bezieht sich auf eine durchgehende Nutzung während der nationalsozialistischen Herrschaft, während der sowjetischen Besatzungszeit und/ oder während der DDR-Zeit als Ort der Repression. Alle Orte befinden sich also in Ostdeutschland. »Doppelte Vergangenheit« trifft in einigen Fällen allerdings nur zu, wenn man dem NS-Unrecht pauschal kommunistisches Unrecht gegenüberstellt. Hier wird die sowjetische Besatzungszeit mit der DDR-Zeit zusammengedacht. Korrekt wäre es – da die historischen Rahmenbedingungen differenziert zu betrachten sind –, von Orten mit »zweifacher Vergangenheit«8 oder »dreifacher Vergangenheit« zu sprechen, wenn die Nutzung sowohl während der sowjetischen Besatzungszeit als auch der DDR-Zeit erfolgte. Wobei dies im engeren historischen Sinne ebenfalls nicht exakt ist, da etwa Gefängnisse aus dem Kaiserreich, die bis 1989/90 genutzt worden sind, natürlich eine 1 Der Beitrag ist 2017 entstanden. Mit einigen Aktualisierungen kann er mit diesem Sammelband erst jetzt erscheinen. 2 Das betrifft allerdings insgesamt historische Orte: Je bekannter sie sind, desto mehr meinen Besucher:innen darüber zu wissen und desto größer können die »Aha-Effekte« sein, wenn sie sich mit dem historischen Ort auseinandersetzen, vgl. Gerhard Sälter, The Berlin Wall explained in context. Rebuilding the Berlin Wall Memorial, in: Emilia Fiandra (Hrsg.), C’era una volta il Muro. A vent’anni dalla svolta tedesca, Rom 2011, S. 191–206. 3 Vgl. Gilbert Schomaker/Jens Stiller, Der neue Leiter über die Gedenkstätte Hohenschönhausen: »Das Dachau des Kommunismus«, in: Berliner Zeitung Online vom 1.12.2000, online abrufbar unter http://www.berliner-zeitung.de/der-neue-leiter-ueber-die-gedenkstaette-hohenschoenhausen--das-dachaudes-kommunismus--16451460, letzter Zugriff am 14.1.2017. Vgl. zu ähnlichen Wording-Versuchen Carola S. Rudnick, Die andere Hälfte der Erinnerung. Die DDR in der deutschen Geschichtspolitik nach 1989, Bielefeld 2011, S. 140–141. 4 Es handelt sich um eine Bildikone zu den NS-Verbrechen in Konzentrationslagern. Für die PETA-Kampagne wurde das Foto allerdings beschnitten, es fehlt ein Häftling, der im Vordergrund rechts zu sehen ist. 5 Vgl. Felix Huesmann, Du kannst auch Veganer sein, ohne den Holocaust zu verharmlosen, in: Vice Online. 14.10.2015, online abrufbar unter https://www.vice.com/de/article/du-kannst-auch-veganer-seinohne-den-holocaust-zu-verharmlosen-372, letzter Zugriff am 4.2.2017. 6 Vgl. Helmut Merschmann, Ziviler Ungehorsam gegen »Stasi 2.0«, in: Spiegel Online, 30. 12. 2007, online abrufbar unter http://www.spiegel.de/ netzwelt/web/chaos-computer-club-ziviler-ungehorsam-gegen-stasi-2-0-a-525923.html, letzter Zugriff am 4. 2. 2017. 7 Vgl. Stefan Lauer/Simon Rafael, Symbole und Codes der Verschwörungsideologien rund um die Coronavirus-Pandemie, in: Belltower News, 28.8.2020, online abrufbar unter https://www.belltower.news/ ikonographie-der-coronaleungerinnen-symbole-und-codes-103111/, letzter Zugriff am 25. 2. 2023. Im Gedächtnis bleiben wird insbesondere »Jana aus Kassel«, die sich mit Sophie Scholl verglich und damit Satiriker:innen wie Jan Böhmermann eine Steilvorlage lieferte. 8 Von Orten mit zweifacher Vergangenheit spricht etwa Prof. Dr. Günther Morsch, ehemaliger Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten.
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