Leseprobe

95 Die Spionageabwehraktionen unterschieden sich in mehrfacher Hinsicht von ähnlichen früheren Verhaftungswellen. Der Ausbruch des Volksaufstands 1953 ging nicht unwesentlich auf Repressionserfahrungen der Bevölkerung zurück. Entsprechend wurde dem MfS im Nachgang des Aufstands Zurückhaltung bei der Verfolgung von Demonstrierenden auferlegt. Von den mehr als 15 000 Verhafteten wurde die übergroße Mehrheit nach kurzer Zeit entlassen, um nicht erneut Unmut in der Bevölkerung zu schüren.9 Bei den im Herbst 1953 einsetzenden Verhaftungswellen beschwichtigte das MfS öffentlich, dass es sich nicht um willkürliche Festnahmen, sondern in den Worten von Staatssicherheitsminister Wollweber nur um »richtig gezielte Schläge« handele.10 Solche öffentlichen Beteuerungen wurden durch interne Anweisungen untermauert, vor der Festnahme eine möglichst genaue Prüfung und Validierung der Verdachtsmomente vorzunehmen.11 7 Klaus-Dieter Müller/Joachim Scherrieble/Mike Schmeitzner (Hrsg.), Der 17. Juni 1953 im Spiegel sowjetischer Geheimdienstdokumente. 33 geheime MWD-Berichte über das Geschehen in der DDR, Dresden 2008; Christian Ostermann, Uprising in East Germany 1953. The Cold War, the German Question, and the First Major Upheaval Behind the Iron Curtain, Budapest 2001. 8 Roger Engelmann/Karl-Wilhelm Fricke, Konzentrierte Schläge. Staatssicherheitsaktionen und politische Prozesse in der DDR 1953–1956, Berlin 1998; Ronny Heidenreich/­ Daniela Münkel/Elke Stadelmann-Wenz, Geheimdienstkrieg in Deutschland. Die Konfrontation von Staatssicherheit und Organisation Gehlen 1953, Berlin 2016. 9 Roger Engelmann/Karl Wilhelm Fricke, Der »Tag X« und die Staatssicherheit. 17. Juni 1953. Reaktionen und Konsequenzen im DDR-Machtapparat, Bremen 2003. 10 Rundfunkansprache Wollwebers, BArch, MfS, SdM 2612. 11 Engelmann/Fricke, Konzentrierte Schläge, S. 115–119. DDR-Propagandabroschüre über westliche Geheimdienste, 1954

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