81 Die SED-Führung ließ jedoch in den Jahren 1950/1952 die Zuständigkeit für die meisten Gefängnisse in der DDR von der Justiz an die Innenverwaltung übertragen – nicht so sehr aus Sorge um die Unterversorgung der Gefangenen, sondern weil die Volkspolizei als politisch zuverlässiger und unnachsichtiger gegenüber den Insassen galt.18 Ganz besonders wurde der Justiz nämlich vorgehalten, die harten Haftbedingungen für die nach Befehl 201 Verurteilten nicht konsequent durchzusetzen und in Brandenburg-Görden eine Gefangenenselbstverwaltung zuzulassen.19 Justizminister Max Fechner musste daher im Sommer 1950 einen Einschnitt in seine Kompetenzen hinnehmen,20 als auf Beschluss der SED-Führung der »gesamte Strafvollzug an den nach Befehl 201 verurteilten Personen« der Deutschen Volkspolizei übertragen wurde. Dies betraf vor allem Brandenburg-Görden, wo am 1. Juli 1950 die Hauptabteilung Haftsachen des Ministeriums des Innern die Befehlsgewalt übernahm.21 Der bisherige Gefängnisdirektor Paul Locherer wurde seines Postens enthoben.22 Als die Volkspolizei dann zum Jahresbeginn 1951 zusammen mit anderen Gefängnissen auch Bautzen II übernahm,23 wurde dort ebenfalls der bisherige Gefängnisleiter vor die Tür gesetzt.24 Der »beschleunigte Aufbau der Grundlagen des Sozialismus« führte zur Inhaftierung vieler Großbauern und Gewerbetreibender als »Wirtschaftsstraftäter«.25 Da außerdem noch Monate nach dem Volksaufstand vom 17. Juni 1953 viele beteiligte Bürger verurteilt wurden, 7 Vertrag zwischen dem Kommandanten des Lagers 226 und dem Ministerium des Innern des Landes Brandenburg vom Februar 1948, Brandenburgisches Landeshauptarchiv (BLHA), LBDVP Ld. Bb. Rep. 203/311, Bl. 4. 8 Schreiben der Abt. Polizei des Ministers des Innern der Landesregierung Brandenburg an die DVdI vom 23. 4. 1948, BLHA, LBDVP Ld. Bb. Rep. 203/311, Bl. 20–22. 9 Aktenvermerk betr. Zuchthaus Görden vom 3. 4. 1948, BLHA, LBDVP Ld. Bb. Rep. 203/311, Bl. 14. 10 Abschrift eines Vermerks vom 27. 10. 1948, Bundesarchiv (BArch), DO 1 11/1589, Bl. 2. 11 Ergebnisprotokoll der Besprechung der Justizverwaltung beim Chef der Rechtsabteilung der SMAD Professor Karasseff vom 16. 11. 1948, BArch, DO 1 11/1589, Bl. 9–15. 12 Stichtag 1. 2. 1950. Bericht [vermutlich eines in die Bundesrepublik geflüchteten Aufsehers] über die Haftanstalt Brandenburg-Görden, o. D. [1950], 13 Bl., BArch, B 137/1809; Hauptabteilung (HA) III des Ministeriums der Justiz: Nachweisung über den Gefangenenbestand in den Justizvollzugsanstalten der Deutschen Demokratischen Republik am 1. 2. 1950, BArch, DP 1–262, Bl. 91. 13 Bericht der Landeskriminalpolizeiabteilung Brandenburg über die Durchführung des Befehls 201 vom 1. 8. 1949, BLHA, LBDVP Ld. Br. Rep. 203/133, Bl. 102–104. 14 Bericht [vermutlich eines in die Bundesrepublik geflüchteten Aufsehers] über die Haftanstalt Brandenburg-Görden, o. D. [1950], 13 Bl., BArch, B 137/1809. 15 Leonore Ansorg, Strafvollzug an politischen Gefangenen in der DDR. Die Strafvollzugsanstalt Brandenburg-Görden, in: Deutschland Archiv Nr. 5/2002, S. 769–781, hier S. 770. 16 Schlussbericht der Abteilung Org. der HA Strafvollzug (SV) vom 14. 12. 1951, BArch, DO 1 11/1562, Bl. 73–80. »Die Transporte werden so durchgeführt, daß der Öffentlichkeit die Umgruppierung, zumindest während der Zeit der Transporte, unbekannt bleibt.« Schreiben von Mayer an Oberstleutnant Wlassow von der SKK vom 19. 10. 1951, BArch, DO 1 11/1562, Bl. 71. 17 Bericht der HA Strafvollzug über die Arbeit auf dem Gebiet des Strafvollzugs, o. D. [Herbst 1951], BArch, DO 1 11/1508, Bl. 101–142. 18 Siehe Jörg Morré, Vom Niedergang des Erziehungsgedankens im Strafvollzug der DDR, in: Klewin/Reinke/Sälter, Hinter Gittern, S. 241–254. 19 Stellungnahme der HA Haftanstalten vom 14. 12. 1949, BArch, DO 1 11/1479, Bl. 11. 20 Hermann Wentker, Justiz in der SBZ/DDR 1945–1953. Transformation und Rolle ihrer zentralen Institutionen, München 2001, S. 379. 21 Schreiben der HA SV an die Sowjetische Kontrollkommission betr. Struktur der HA SV vom 3. 3. 1953, BArch, DO 1 11/1468, Bl. 125–133. 22 Bericht über die Instrukteurstätigkeit in der Strafanstalt Brandenburg vom 18. 9. 1950, BArch, DO 1 11/1480, Bl. 114–119. 23 Aktenvermerk der HA SV der HVDVP vom 2. 1. 1951, BArch, DO 1 11/1449, Bl. 369. 24 Protokoll über die Dienstbesprechung der mit der Übernahme der Objekte der Justiz beauftragten Verbindungsoffiziere der HA SV vom 5. 1. 1951, BArch, DO 1 11/1449, Bl. 336–344. 25 Siehe Falco Werkentin, Politische Strafjustiz in der Ära Ulbricht. Vom bekennenden Terror zur verdeckten Repression, Berlin 21997, S. 45–80.
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