80 1956 – 1989 Durch individuelle Überprüfungen zu Entlassung, Repatriierung oder Verurteilung sowie die Verlegung anderer Insassen verlor das Lager 226 an Bedeutung. So konnte die sowjetische Seite am 27. Januar 1948 die Verwahrhäuser 1 und 2, das Verwaltungs- und das Wirtschaftsgebäude sowie die Arbeitshallen und Werkstätten dem brandenburgischen Innenministerium übertragen,7 während die Besatzungsmacht zunächst die Häuser 3 und 4 sowie das Krankenhaus mit zusammengerechnet etwa 25 Prozent der Gesamtkapazität behielt. In deutscher Hand waren nun 300 Einzelzellen, 360 Doppelzellen sowie 36 Zellen für sieben bis acht Häftlinge. Dies ergab eine Kapazität von rund 1 300 Plätzen,8 doch wollten die Verantwortlichen hier von vornherein bis zu 3 000 Personen unterbringen. Diese Überbelegung wurde wohl wegen des allgemeinen Mangels an Haftraum sowie der dann letztlich geringeren Personalkosten einkalkuliert, obwohl die so bewirkte drangvolle Enge für die Insassen menschenunwürdig war. Im April 1948 zeigte sich die Besatzungsmacht dann bereit, auch die restlichen Gebäude einschließlich Haus 4 zu übergeben, was wenig später umgesetzt wurde.9 Die seinerzeit insgesamt 2080 nach Befehl 201 Verurteilten in Ostdeutschland sollten nun hierhin eingeliefert werden;10 dieser Befehl der Sowjetischen Militäradministration diente formal der Entnazifizierung. Möglicherweise lag es in der Logik der Machthaber, diese Häftlingsgruppe vermeintlicher oder (meist »kleiner«) echter NS-Täter in einem Zuchthaus unterzubringen, das schon den Nationalsozialisten zur Inhaftierung ihrer Gegner gedient hatte und das noch dazu als besonders sicher galt. Die zehn Prozent Frauen unter den nach Befehl 201 Verurteilten sollten in das Haus 4 eingewiesen werden, weil das Gebäude durch zusätzliche Zäune vom übrigen Anstaltskomplex abgetrennt war.11 Tatsächlich wurden hier dann jedoch in Einzelzellen 119 Untersuchungshäftlinge inhaftiert und von der Kriminalpolizei oder Staatssicherheit ständig verhört. Unter ihnen waren auch in Ungnade gefallene Abgeordnete von CDU und LDP.12 Die nach Befehl 201 verurteilten Frauen wurden schließlich in der Haftanstalt Luckau konzentriert.13 Im Februar 1950 saßen dann 1508 Häftlinge in Brandenburg-Görden ein, die alle nach Befehl 201 (meist zu Strafmaßen von unter fünf Jahren) verurteilt waren.14 Im Juli 1950 wurden zudem die in den Waldheimer Prozessen besonders streng bestraften Gefangenen von Waldheim nach Brandenburg-Görden verlegt, wohl weil diese Haftanstalt als besonders sicher galt. Die Häftlingszahlen weiter ansteigen ließen auch Gefangene aus Bautzen I, die im März 1950 an der dortigen Hungerrevolte teilgenommen hatten und im August nach Brandenburg-Görden kamen.15 Anfang Dezember 1951 wurden zudem rund 400 Personen, die zuvor von Sowjetischen Militärtribunalen (SMT) verurteilt worden waren, aus der (nahe der Grenze gelegenen) Haftanstalt Untermaßfeld nach Brandenburg-Görden verlegt.16 Bereits im Herbst 1951 wurden dort so 2945 Insassen gezählt, unter denen sich nun etwa zehn Prozent Kriminelle befanden.17 Zu Beginn der 1950er-Jahre lag die Zuständigkeit für den Strafvollzug in Ostdeutschland noch überwiegend bei der Justiz, wie es in der Weimarer Republik der Fall gewesen war. Die neue ostdeutsche Justizverwaltung favorisierte indes relativ moderne Konzepte mit einer Gefangenenselbstverwaltung und parlamentarischen Kontrollgremien, auch wenn nachkriegsbedingt Nahrung und Heizmaterial für die Gefangenen oft nicht ausreichten.
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