78 1956 – 1989 EINLEITUNG Die Haftanstalt Brandenburg-Görden zählte zu den drei größten Gefängnissen in Ostdeutschland.1 Im Jahr 1931 von der reformorientierten Weimarer Justizverwaltung errichtet,2 gilt sie als unmittelbarer Vorläufer der Haftanstalt Bautzen II zu DDR-Zeiten. Denn im August 1956 wurden 124 politisch wichtige Gefangene von Haus 4 der Haftanstalt Brandenburg-Görden nach Bautzen II verlegt,3 womit das letztgenannte Gefängnis erst seinen besonderen Status als »Sonderhaftanstalt« unter der »Obhut« der Staatssicherheit erlangte. Ihre Funktion für die innere Repression wie auch die Art der Haftbedingungen verbinden die Haftanstalt nahe der Havel und Bautzen II. Doch obwohl beide Haftanstalten inzwischen teilweise erforscht sind, liegen aufschlussreiche Dokumente zu den Hintergründen der besagten Verlegung von Gefangenen und zur Neuprofilierung der beiden Haftorte bislang nicht vor. Trotz dieser unbefriedigenden Quellenlage werden nachfolgend verschiedene Aspekte diskutiert, die in den Überlegungen der Machthaber eine Rolle gespielt haben könnten. Von zentraler Bedeutung war wohl, dass im Sommer 1954 einem politischen Gefangenen der Ausbruch aus Brandenburg-Görden und die Flucht bis nach Westberlin glückte, wie weiter unten noch näher ausgeführt wird. Vermutlich galt die Haftanstalt ab diesem Zeitpunkt nicht mehr als sicher genug, während in Bautzen schon durch die abgeschiedene Lage Ähnliches nicht zu befürchten war. Das Gefängnis war zudem vergleichsweise klein und unbekannt, sodass sich die teils prominenten politischen Gefangenen dort besser vor der Weltöffentlichkeit verbergen ließen. Rätselhaft erschien auch den Betroffenen selbst ihre Verlegung im Sommer 1956. Mit bitterer Ironie bzw. Galgenhumor bezeichneten sie ihren bisherigen Haftort als »gläsernen Sarg«, was sich auf die erzwungene Stille im Inneren und die zahlreichen Insassen mit hohen Haftstrafen bezog.4 Deren Isolation voneinander und ihre hohen Strafmaße prägten ab dem Sommer 1956 dann ebenso Bautzen II. Tobias Wunschik BRANDENBURG-GÖRDEN ALS VORLÄUFER VON BAUTZEN II Zwei besondere Haftanstalten im politischen Strafvollzug der 1950er-Jahre
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