Leseprobe

BAND I HERAUSGEGEBEN VOM SCHLOSSMUSEUM SONDERSHAUSEN, CAROLIN SCHÄFER SANDSTEIN VERLAG

IM SCHLOSSMUSEUM SONDERSHAUSEN

Inhalt BAND I 26 Schloss Sondershausen | Gläser aus dem Nachlassinventar des Grafen Johann Günther I. von Schwarzburg- Sondershausen (1586) und den Nachlassinventaren seiner Söhne (1632, 1638, 1643) — 1. Die Weinkellerei 44 Schloss Sondershausen | Gläser aus dem Nachlassinventar des Grafen Johann Günther I. von Schwarzburg- Sondershausen (1586) und den Nachlassinventaren seiner Söhne (1632, 1638, 1643) — 2. Gläser außerhalb der Weinkellerei 54 Schloss Ebeleben | Gläser aus dem Nachlassinventar des Grafen Ludwig Günther von Schwarzburg-­ Sondershausen-Ebeleben (1681) 64 Arnstadt, Schloss Neideck | Gläser aus dem Nachlassinventar des Fürsten Anton Günther II. von Schwarzburg-­ Sondershausen-Arnstadt (1716/17) 70 Schloss Sondershausen | Das Inventar der Schenklade des Erbprinzen Günther von SchwarzburgSondershausen (1720) und das Inventar der Schenklade der Fürstin Elisabeth Albertine von Schwarzburg-Sondershausen, geb. Prinzessin von AnhaltBernburg (1721) 100 Kammergut Haßleben, Schloss Keula, Schloss Sondershausen | Gläser in Inventaren des Fürsten Heinrich von Schwarzburg- Sondershausen (1748, 1757, 1764) 6 Carolin Schäfer Zum Geleit Dank Hendrik Bärnighausen | 10 Archivalische Quellen zu frühneuzeitlichen Glasbeständen in den Schwarzburg-Sondershäuser Hofhaltungen (Unterherrschaft) 12 Das Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen | Archivalische Quellen zu Historischen Glasbeständen 20 Schloss Sondershausen | Aus dem Nachlassinventar der Gräfin Elisabeth von Schwarzburg, geb. Gräfin von IsenburgBüdingen (1572) — Gläser und andere Gegenstände aus Glas

BAND II Ralf Giermann | 6 Einführung 9 Danksagung 10 Formgläser Gläser ohne Schliff und Schnitt 50 Scherzgläser 62 Milch- und Emailgläser 86 Gläser mit Schnitt und Schliff 164 Farbgläser 194 Trinkservice 200 Verluste 206 Anhang 208 Quellen 209 Gekürzt zitierte Literatur 223 Bildnachweis & Impressum 112 Prinzenpalais Sondershausen Jagdhaus Schernberg | Gläser aus dem Nachlassinventar des Prinzen Rudolf von Schwarzburg-­ Sondershausen (1750–1752) 122 Schloss Ebeleben | Gläser im Inventar der Kastellanin (1800) 128 Schloss Sondershausen | Die Schenklade im Tafelzimmer (1809, 1812, 1823) — Eine Situationsbeschreibung 136 Prinzenpalais Sondershausen | Gläser im Nachlassinventar des Prinzen August II. von Schwarzburg-Sondershausen (1806) 140 Blick in die Sammlung des Schlossmuseums Sondershausen 142 Carolin Schäfer Rätselhafte Stangengläser im Bestand des Schlossmuseums Sondershausen — Eine Spurensuche 158 Ralf Giermann ». . . Ich schûsse wildbret, und vögel gern.« — Erotische Anspielungen auf Gläsern in Inventar und Bestand der Fürsten von Schwarzburg-Sondershausen 170 Judith Thomann, Sabine Tiedtke Gläserne Beziehungen — Zusammengehörige Gläser in den Sammlungen des Schlossmuseums Sondershausen und des Thüringer Landesmuseums Heidecksburg in Rudolstadt 186 Philipp Steinkamp »ein Tag, den keiner vergessen wird« — Gläser zum Andenken an das Regierungsjubiläum des Fürsten Karl Günther von Schwarzburg-Sondershausen und das Heimatfest 1905 in Sondershausen 211 Bildnachweis & Impressum

HENDRIK BÄRNIGHAUSEN

AZU FRÜHNEUZEITLICHEN GLASBESTÄNDEN IN DEN SCHWARZBURG-SONDERSHÄUSER HOFHALTUNGEN (UNTERHERRSCHAFT) rchivalische Quellen

DAS FÜRSTENTUM SCHWARZBURG-SONDERSHAUSENQu len ARCHIVALISCHE QUELLEN ZU HISTORISCHEN GLASBESTÄNDEN

13 el Das ehemalige Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen1 war einer der sieben Kleinstaaten, die sich 1920 zum Land Thüringen zusammenschlossen. Dabei brachte es zusammen mit dem Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt eine besondere schwarzburgische Komponente in die vor allem von den Ernestinischen Herzogtümern geprägte Kulturlandschaft Thüringens ein. Wenn auch das Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen bis 1920 noch existierte, gab es doch schon seit 1909 keinen Fürsten von Schwarzburg-Sondershausen mehr. In diesem Jahr war mit dem Tod des Fürsten Karl Günther (1830–1909, reg. ab 1880) die Sondershäuser Linie des Hauses Schwarzburg im Mannesstamm erloschen. Seitdem regierte Günther Victor (1852–1925, reg. 1890– 1918), ursprünglich Fürst von Schwarzburg-Rudolstadt, als »Fürst zu Schwarzburg« beide Fürstentümer in Personalunion. Die staatsrechtliche Zusammenführung der beiden schwarzburgischen Staaten war beabsichtigt, kam aber aufgrund der Abdankung der Monarchie in Deutschland nicht mehr zustande. Günther Victor vollzog diesen Schritt am 23. November 1918 für Schwarzburg-Rudolstadt und am 25. November 1918 für Schwarzburg-Sondershausen. Die Schwarzburger gelten als ältestes nachweisbares Adelsgeschlecht Thüringens. Wahrscheinlich waren sie fränkischer Herkunft. Eine zuverlässige Überlieferung setzt Mitte des 12. Jahrhunderts ein. Aus der mittelalterlichen Geschichte der Schwarzburger, die von zahlreichen Grafen namens »Günther« und »Heinrich«, den Leitnamen der Dynastie, geprägt wird, sei hier nur auf Graf Günther XXI. (1304–1349, Abb. 2) verwiesen, der 1349 von der Mehrzahl der Kurfürsten zum deutschen König gewählt wurde, dieses Amt aber nur 115 Tage lang bekleidete und als »Kaiser Günther« zum Heros der Dynastie stilisiert wurde. Die Rezeption seines Wirkens bot den Schwarzburgern bis ins 19. Jahrhundert hinein zahlreiche Ansätze zur Darstellung ihrer Bedeutung in der Adelshierarchie. Abb. 1 Schloss Sondershausen Luftaufnahme, um 1997 Schlossmuseum Sondershausen, Fotoarchiv

15 Im 16. Jahrhundert strukturierte sich die Dynastie der Schwarzburger neu. Eine entscheidende Konstellation trat in der Regierungszeit des Grafen Günther XL. (1499–1552, reg. ab 1525/26) ein, der durch Erbschaften (1537/38) alle schwarzburgischen Territorien mit Ausnahme der Herrschaft Leutenberg vereinigte und deswegen mit dem Beinamen »Günther der Reiche« bedacht wurde. Diese Situation brachte eine für die Schwarzburger unübliche Konzentration von Besitz und Macht mit sich. Die nächste Generation fand ihren Protagonisten in dem in Arnstadt residierenden Grafen Günther XLI. (1529–1583, reg. ab 1552), der aufgrund seiner kriegerischen Unternehmungen für Kaiser und Reich den Beinamen »Bellicosus« erhielt. Er war wie kein anderer Schwarzburger in die Elite des europäischen Hochadels integriert, leistete Kriegsdienst für Kaiser Karl V., Kaiser Maximilian II., König Philipp II. von Spanien, König Friedrich II. von Dänemark und stand Wilhelm I. von Oranien, mit dem er verschwägert war, persönlich nahe. Die Präsenz der Schwarzburger im Alten Reich dürfte in der Frühen Neuzeit nie so stark gewesen sein wie in den Jahrzehnten, in denen er die Dynastie repräsentierte. Zu einer entscheidenden Weichenstellung kam es 1599. Da von den vier Söhnen von Günther XL., die in Arnstadt, Sondershausen, Frankenhausen und Rudolstadt residierten, nur zwei über Nachkommen verfügten, wurde eine Erbteilung vorgenommen, bei der sich die Linien SchwarzburgSondershausen und Schwarzburg-Rudolstadt herausbildeten. Aufgrund der damit verbundenen Zuordnung von Territorien, die im Wesentlichen bis Anfang des 20. Jahrhunderts gültig blieb, verfügten beide Grafschaften und spätere Fürstentümer fortan über je eine »Unterherrschaft« und eine »Oberherrschaft«. Die »Unterherrschaften« mit Sondershausen und Frankenhausen als Residenzen lagen in Nordthüringen, die »Oberherrschaften« mit Arnstadt und Rudolstadt im südlichen Thüringer Becken und am Thüringer Wald. Von 1599 bis 1909 regierten in SchwarzburgSondershausen Grafen bzw. Fürsten aus acht Generationen. Die jeweiligen Protagonisten werden in den folgenden Beiträgen im Zusammenhang mit den ihnen archivalisch zuzuordnenden Glasbeständen kurz charakterisiert. Eine besonders markante Epoche in der Kulturgeschichte von Schwarzburg-Sondershausen war die 50-jährige Regierungszeit des Grafen und späteren Fürsten Christian Wilhelm (1647–1721, reg. ab 1667/1670). Einen Höhepunkt fand diese Epoche 1697 in der von den Schwarzburgern langfristig und beharrlich betriebenen Erhebung ihrer Dynastie in den Reichsfürstenstand. Die Fürstung war ein großer Erfolg bei der Etablierung einer reichsständischen, von den Wettinern unabhängigen Landesherrschaft. Die Schwarzburger verstanden sich, da sie u.a. über Reichslehen verfügten, als Reichsstand, wogegen die Wettiner, von denen die Schwarzburger ebenfalls lehnsabhängig waren, vorgingen. Die wichtigsten Zeugnisse der Geschichte der Schwarzburger sind heute die ehemals schwarzburgischen Schlösser, insbesondere das Stammschloss Schwarzburg, die Heidecksburg in Rudolstadt und als Hauptsitz der Sondershäuser Linie das Residenzschloss in Sondershausen (Abb. 1),2 das für eine mehr als 700-jährige Bautradition steht. Günther XL. (Abb. 3) ließ das Sondershäuser Schloss von 1533/34 bis Mitte der 1550er Jahre errichten (Südflügel, Ostflügel, Nordflügel), wobei der Hausmannsturm der zuvor existierenden Burg (um 1300) – umgebaut zum Schlossturm – in die neue Anlage übernommen wurde. Unter dem Fürsten Christian Wilhelm (Abb. 4) wurden in den 1690er Jahren der Süd- und Ostflügel, unter dem Fürsten Günther I. (1678–1740, reg. ab 1720/21) in den 1720er Jahren der Nordflügel umgebaut. Fürst Christian Günther (1736–1794, reg. ab 1758) (Abb. 5) erweiterte in den 1760er Jahren das bestehende Schloss durch den Neubau des Neuen Nordflügels und des Westflügels um das Doppelte zu einer unregelmäßigen Vierflügelanlage. 1837 bis 1852 wurde ein vom Fürsten Günther Friedrich Carl II. (1801–1889, reg. 1835–1880) initiierter teilweiser Umbau des Schlosses im spätklassizistischen Stil realisiert, bei dem u. a. das monumentale Ensemble von Schlossterrasse, -treppe und -wache entstand. Besonders charakteristisch ist für Schloss Sondershausen die beispielhafte Präsenz von historischen Raumfassungen und einschlägigen Befunden vom 16. bis ins frühe 20. Jahrhundert. Höhepunkte sind das manieristisch stuckierte Gewölbe am Wendelstein (1616) im Schlossturm, der in den 1690er Jahren entstandene Riesensaal im zweiten Obergeschoss des Südflügels und zahlreiche barock dekorierte Räume aus derselben Ausstattungsphase, der Festsaal im Westflügel (um 1770), das Steinzimmer und das Römische Zimmer im Neuen Nordflügel (1770er Jahre) sowie unter den spätklassizistischen Räumen im Westflügel das Vestibül, das Maurische Zimmer und der Marmorsalon (um 1850). Aus der Stellung der Schwarzburger im Alten Reich und insbesondere in Mitteldeutschland und ihrem daraus resultierenden Anspruch auf Repräsentation ergab sich auch, dass sie Kunstwerke erwarben, Kunst und Kunsthandwerk sammelten und Künstler förderten. In Ausstellungen und Publikationen wird diesbezüglich immer wieder u. a. auf Bildteppiche, Gemälde, Ostasiatika, altes europäisches Porzellan und Glas hingewiesen. Glas trat mit dem Epochenwandel zur Frühen Neuzeit neben zahlreichen anderen Materialien, Innovationen und Themen ins Blickfeld der höfischen Kultur.3 Es wurde an den Höfen als Gebrauchsgut genutzt, aber auch als Gegenstand der Repräsentation benötigt und bewundert. Das Spektrum reichte vom einfachen alltäglichen Trinkgefäß über Glas für spezielle Verwendungen – z. B. in Apotheken, alchemistischen Laboren und opAbb. 2 Günther XXI. von Schwarzburg (1304–1349) Grabmal im Dom St. Bartholomäus in Frankfurt am Main, Gemälde von 1716 Schlossmuseum Sondershausen (Kb 273)

16 Das Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen tischen Geräten – bis zu hochwertigen, an der fürstlichen Tafel benutzten Gläsern, mit prächtigen Dekoren versehenen Schaustücken und der heiteren Unterhaltung gewidmeten Scherzgläsern. Repräsentationsgläser wurden nach ihrer Herkunft, der Qualität ihres Materials, der auf ihre Form und ihr Dekor verwendeten Kunstfertigkeit und der im Dekor gestalteten Themen definiert. In Museen sind zahlreiche, wenn auch – aufgrund des fragilen Materials – viel zu wenige kulturhistorisch bedeutende Gläser erhalten. Angesichts der Exklusivität des Repräsentationsgutes Glas kommt bei seiner Sammlung, Bewahrung und Bearbeitung den Schlossmuseen, aber auch den National- und Kunsthandwerksmuseen besondere Bedeutung zu. Dem Bestand an Glaskatalogen aus diversen Museumssammlungen ordnet sich nun der vorliegende Katalog zur Glassammlung des Schlossmuseums Sondershausen zu. Weniger repräsentativ, für die wissenschaftliche Erschließung der Produktions- und Kulturgeschichte des Glases aber nicht weniger wichtig, ist die schriftliche Überlieferung zur Glasherstellung und zu historischen Glasbeständen. In diesen Quellen findet man gelegentlich heute noch existierende Gläser wieder. Die meisten der in Archivalien fassbaren Gläser beziehen sich jedoch auf längst verlorenes Kulturgut, das durch seinen Nachweis in historischen Quellen in gewisser Weise wieder lebendig wird. Sind doch die aus historischen Dokumenten ersichtlichen Informationen in doppelter Hinsicht von Bedeutung, da sie einerseits der Glasforschung wertvolle Daten liefern, andererseits auf Objekte schließen lassen, die durch ihre künstlerische und kulturgeschichtliche Originalität überraschen. Letztlich sind die erhaltenen Gläser und das in Archivalien gespeicherte Wissen über den Umgang mit historischen Glasbeständen zwei Seiten derselben Sache. In Residenzmuseen wie dem Schlossmuseum Sondershausen ergibt es Sinn, den heutigen Bestand an Gläsern und die schriftlichen Quellen zu ehemaligen Glasbeständen miteinander abzugleichen und dabei historische Sachzeugen und Schriftgut in Wechselwirkung zu erschließen. Zu den historischen Glasbeständen im ehemaligen Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen ist eine aussagekräftige schriftliche Überlieferung nachweisbar, die – wenn auch lückenhaft – eine vom späten 16. bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts reichende Abfolge von Quellen bietet, also im besten Sinne des Wortes »frühneuzeitlich« ist. Dieser Überblick beginnt 1572 mit dem Nachlassinventar der Gräfin Elisabeth von Schwarzburg, geb. Gräfin von Isenburg-Büdingen, das die ältesten im Sondershäuser Schloss nachweisbaren Glasobjekte verzeichnet, und führt über das 1586 entstandene Nachlassinventar eines ihrer Söhne, des Grafen Johann Günther I., in dem auch die komplette Weinkellerei erfasst wird, zu Erwähnungen ebendieser Kellerei in Nachlassinventaren der folgenden Generation von 1632, 1638 und 1643. Da zwischen 1586 und 1643 nicht nur in der Weinkellerei, sondern auch in anderen Räumen des Sondershäuser Schlosses Gläser vorhanden waren, finden auch diese hier Berücksichtigung. Aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ist das 1681 entstandene Nachlassinventar des Grafen Ludwig Günther, der in dem nahe bei Sondershausen gelegenen Schloss Ebeleben residierte, vertreten. Glasinventare von 1720 und 1721, die die Schenklade des Erbprinzen Günther kurz vor dessen Regierungsantritt und die seiner Gemahlin, der Fürstin Elisabeth Albertine, geb. Prinzessin von Anhalt-Bernburg, betreffen, reflektieren die Bedeutung des Glases in der höfischen Kultur der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Dem ordnet sich das Arnstädter Nachlassinventar von Anton Günther II. von 1716/17 zu. Zum Fürsten Heinrich, dem enfant terrible der fürstlichen Familie seiner Generation, sind auf Glasbestände bezügliche Quellen von 1748, 1757 und 1764 nachweisbar. Letztere betrifft das Inventar von Heinrichs umstrittenem Privatnachlass, den er aus Abneigung gegen seine Sondershäuser Verwandtschaft dem Erbprinzen von SachsenCoburg-Saalfeld vererbte. Als Prinz Rudolf, einer der jüngeren Brüder von Heinrich, 1749 verstarb, ohne Nachkommen zu hinterlassen, ging sein Nachlass auf seine GeAbb. 3 Günther XL. (1499–1552) Cranach-Werkstatt, Schlossmuseum Sondershausen (Kb 106)

17 übrig lässt, eine erstaunliche Quantität und Qualität auf. Wertvolle Hinweise auf nicht recherchierte Quellen zu höfischen Glasbeständen des 19. Jahrhunderts, die auch Rückschlüsse auf ältere Bestandsgruppen erlauben, sind Carolin Schäfer zu verdanken.4 Zu verweisen ist darauf, dass es neben den hier hauptsächlich ausgewerteten Inventaren eine weitere archivalische Bestandsgruppe gibt, die ebenfalls Informationen zu Glasbeständen enthält. Es handelt sich um die seit 1695/96 bis in das 18. Jahrhundert hindurch vollständig erhaltenen Sondershäuser Renteikammerrechnungen.5 Eine Auswertung dieser Rechnungen sollte im Rahmen dieser Untersuchung mit erfolgen, was sich jedoch aufgrund der zeitweiligen Auslagerung dieses Bestands aus dem Landesarchiv Thüringen – Staatsarchiv Rudolstadt und der damit verbundenen Benutzungssperre als nicht möglich erwies. Die Durchsicht des Materials sei demzufolge künftigen Bearbeitern dieses Themas empfohlen. Zur Tendenz der dabei zu gewinnenden Informationen sei hier nur bemerkt, dass verschiedene Rubriken dieser Rechnungsbände mitunter Ankäufe von Glas erwähnen, wobei das Datum des Ankaufs, der stichwortartig verkürzte Gegenstand des Ankaufs und schwister über. Die damit verbundene Registrierung der vorhandenen Güter und deren Verteilung unter den Erben gewährt einen Blick auf Gläser im Sondershäuser Prinzenpalais und in Rudolfs Jagdhaus in Schernberg bei Sondershausen. Der Verweis auf das in den 1770er Jahren entstandene Tafelzimmer des Sondershäuser Schlosses und die in diesem nachweisbare Schenklade (1809, 1812, 1823) schlägt den Bogen ins 19. Jahrhundert. Zum Abschluss des mehr als drei Jahrhunderte umfassenden Überblicks führt das 1806 im Nachlassinventar von Prinz August II., dem jüngeren Bruder des Fürsten Christian Günther, erfasste Glas wiederum ins Prinzenpalais. Diese positive Bilanz kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass aufgrund von Schwachstellen in der Überlieferung wesentliches Material fehlt und wohl immer fehlen wird. Verwiesen sei hier nur darauf, dass wichtige Nachlassinventare wie die der Fürsten Christian Wilhelm, Günther und Christian Günther, die 1721, 1740 bzw. 1794 entstanden sein müssen, nicht überliefert sind. Doch weisen die Ergebnisse der hier mitgeteilten Recherchen angesichts der Tatsache, dass die archivalische Überlieferung von Schwarzburg-Sondershausen generell zu wünschen Abb. 5 Christian Günther von Schwarzburg- Sondershausen (1736–1794) Gemälde von Jacob Samuel Beck 1759, Schlossmuseum Sondershausen Leihgabe Förderkreis (LG-Kb 30) Abb. 4 Christian Wilhelm von Schwarzburg- Sondershausen (1647–1721) Gemälde von 1712, Schlossmuseum Sondershausen (Kb 171)

DAS INVENTAR DER SCHENKLADE DES ERBPRINZEN GÜNTHER VON SCHWARZBURG-SONDERSHAUSEN (1720) UND DAS INVENTAR DER SCHENKLADE DER FÜRSTIN ELISABETH ALBERTINE VON SCHWARZBURG-SONDERSHAUSEN, GEB. PRINZESSIN VON ANHALT-BERNBURG (1721) SCHLOSS SONDERSHAUSEN17 1721 bis

71 DYNASTIEGESCHICHTE Dem Grafen und späteren Fürsten Christian Wilhelm von Schwarzburg-Sondershausen (1647–1721)1 kommt aufgrund seiner 50-jährigen Regierungszeit und der Tatsache, dass er als erster Schwarzburger den Fürstentitel trug, für seine Epoche und in der Gesamtbetrachtung der Dynastie besondere Bedeutung zu. Als sein Vater Anton Günther I. (1620–1666) schon 46-jährig starb, hinterließ er mit Christian Wilhelm und dessen Bruder Anton Günther II.2 zwei noch unmündige Söhne, über die deren Onkel, Ludwig Günther von Schwarzburg-Sondershausen-Ebeleben (1621– 1681), und deren Mutter, Maria Magdalena von Pfalz-Zweibrücken-Birkenfeld (1622–1689), die Vormundschaft übernahmen. Christian Wilhelm absolvierte eine Kavalierstour, die ihn nach Frankreich, in die Niederlande, nach England und Italien führte. 1670 übernahm er die Regierung seines Landesteils. Mit Hartnäckigkeit und Geschick betrieb er die Fürstung der Schwarzburger. 1691 wurde er in den Reichsgrafenstand, 1697 in den Fürstenstand erhoben. In Sondershausen initiierte er den Umbau des Residenzschlosses und seine barocke Ausstattung (1690er Jahre), die Fertigstellung und Wiederinbetriebnahme der Stadtkirche St. Trinitatis, die Umgestaltung des Lustgartens zu einer barocken Anlage und die Errichtung von Parkgebäuden wie der Fasanerie, der Orangerie und dem Achteckhaus. Als problematisch für die weitere Entwicklung der Linie Schwarzburg-Sondershausen erwies sich die Konstellation zwischen seinen aus zwei Ehen hervorgegangenen Kindern. Insbesondere das Verhältnis der sechs Söhne zueinander war schwierig. Der ersten Ehe Christian Wilhelms mit Antonia Sybilla von Barby (1641–1684, ⚭ 1673) entstammte der Erbprinz und spätere Fürst Günther (1678–1740, reg. ab 1720/21, Abb. 1),3 der 1712 Elisabeth Albertine von AnhaltBernburg (1693–1774, Abb. 2) ehelichte.4 Aus Christian Wilhelms zweiter Ehe mit Wilhelmine Christiane von SachsenWeimar (1658–1712, ⚭ 1684) gingen die Söhne Heinrich (1689–1758),5 August (1691–1750),6 Rudolf (1695–1749),7 Wilhelm (1699–1762)8 und Christian (1700–1749)9 hervor. 20

72 Schloss Sondershausen DER REGIERUNGSWECHSEL VON 1720/21 Die Probleme kulminierten, als Christian Wilhelm 1720/21 eine bedeutende Weichenstellung vornahm: Am 20. April 1720 erhob er seinen Erbprinzen Günther zum Mitregenten. So aufsehenerregend dieser Akt gewesen sein mag, trat damit doch keine völlig neue Situation ein, da Günther »schon etliche Jahre denen Sessionibus in dem hierzu bestimmten Dicasterio auf der Residenz zu Sondershausen fleißig beygewohnet«10 hatte. Dies entspricht der ebenso zu verstehenden Nachricht, dass Günther nach seiner Vermählung mit Elisabeth Albertine, also nach 1712, von seinem Vater »mit zu denen Regierungs-Geschäfften«11 hinzugezogen worden sei. So lief die 1720 geschaffene Konstellation in der Praxis nicht darauf hinaus, dass Günther neben seinem Vater »mitregierte«, sondern bedeutete, dass er die Rechte und Pflichten des Fürsten in ihrer Gesamtheit wahrnahm. Christian Wilhelm dürfte nur noch protokollarisch in die Regierungsgeschäfte eingebunden gewesen sein. Nichts deutet darauf hin, dass auf den alten Fürsten wegen seines Rückzugs Druck ausgeübt wurde, wie dies am Sondershäuser Hof und auch an anderen Höfen in vergleichbaren Situationen mitunter der Fall war. Ausschlaggebend scheint tatsächlich gewesen zu sein, dass – wie es in Christian Wilhelms Vita heißt – sich »offenbarlich spüren ließ, daß der grosse GOTT diesen glorwürdigen Regenten, nach dem er Ihn [hatte] alt und Lebens statt werden lassen, bald zu seiner Ruhe bringen würde«.12 Der Fürst verstarb am 10. Mai 1721, ein Jahr nach der Übergabe der Regierungsgeschäfte an Günther. Auch Günthers Vita berichtet zu den Vorgängen von 1720/21, »daß Dero Gnädigen Herrn Vaters Durchl. bey abnehmenden Leibes-Kräfften« den Entschluss gefasst habe, seinen Erbprinzen »eventualiter durchs gantze Land huldigen zu lassen, und bey Dero Lebzeiten auf Ihren Fürstlichen Regenten Stuhl zusetzen, [...]«.13 Nachdem am 10. Mai 1721 der »höchst schmertzliche Todes-Fall Dero hochgeehrtesten und geliebtesten Herrn Vaters, Fürst Christian Wilhelms Durchl. unvergeßlichen Andeckens in dem 75. Jahr Ihres Christ-Fürstlichen Lebens und über 50. Jahr geführten preißwürdigsten Regierung«14 eingetreten war, übernahm Günther die Regierung und führte sie »in Segen und FrieAbb. 1 Günther I. von Schwarzburg- Sondershausen (1678–1740) Schlossmuseum Sondershausen (Kb 52) Abb. 2 Elisabeth Albertine von Schwarzburg- Sondershausen, geb. Prinzessin von Anhalt-Bernburg (1693–1774) Schlossmuseum Sondershausen (Kb 127)

73 den und [. . .] zum lustre des gantzen Hochfürstlichen Hauses und Dero Land und Leuten gedeylich bis an Dero theuresten Lebens-Ende weiter glücklich«15 fort. Wenn der Regierungswechsel von 1720 auch formal korrekt verlief, muss die Stimmung bei Hofe doch angespannt gewesen sein, lag doch der noch zu Lebzeiten Christian Wilhelms vollzogenen Huldigung an Günther neben der Rücksichtnahme auf den Gesundheitszustand des alten Fürsten auch ein taktisches Kalkül zugrunde. Die Etablierung des Nachfolgers war in diesem Fall mit einer staatsrechtlich relevanten Veränderung – der Einführung der Primogenitur – verbunden. Diese war den Schwarzburgern mit der Erhebung in den Fürstenstand (1697) und dem Erbfolgevertrag zwischen Schwarzburg-Sondershausen und SchwarzburgRudolstadt (1713) auferlegt worden.16 Da die sich damit abzeichnende Regelung jedoch innerhalb der fürstlichen Familie umstritten war, hatte es sich empfohlen, den nach den Konditionen der Primogenitur einzusetzenden Regierungsnachfolger noch in Anwesenheit und mit ausdrücklicher Billigung Christian Wilhelms zu etablieren. Dem »Überangebot« an männlichen Nachkommen in Sondershausen hatte das absehbare Erlöschen der Linie Schwarzburg-Arnstadt gegenübergestanden, da Anton Günther II., Christian Wilhelms in Arnstadt residierender Bruder, 1716 verstorben war, ohne männliche Nachkommen zu hinterlassen. Dies hatte den Ansatz zu einer grundsätzlichen Neuordnung der Erbfolge im Fürstentum vereinfacht, weshalb Christian Wilhelm noch 1716 ein Testament verfasst hatte,17 in dem er seinen ältesten Sohn Günther zum alleinigen Nachfolger bestimmte. Günthers Halbbrüdern war eine standesgemäße Versorgung durch Apanagen und die Bereitstellung von angemessenen Residenzgebäuden zugesichert worden. Obwohl die Einführung der Primogenitur eine zeitgemäße Veränderung war, die sich für die weitere Entwicklung des Fürstentums als positiv erweisen musste, fand sie doch nicht bei allen Betroffenen Anklang. Insbesondere die älteren unter Günthers Halbbrüdern, die in der Erbfolge unmittelbar hinter ihm rangierten, haderten mit der absehbaren Einführung der Primogenitur und versuchten, diese durch Einflussnahme auf ihren Vater zu verhindern. Durch die 1720 von Christian Wilhelm angeordnete Huldigung an Günther sollte die Primogenitur staatsrechtlich korrekt, aber noch zu Lebzeiten des alten Fürsten und unter dessen formaler Kontrolle etabliert werden. Der Historiker Heydenreich bemerkte hierzu 1743: »Seinem ältesten Herrn Sohn, Fürst Günthern übergab er [Christian Wilhelm] noch bey seiner Lebens-Zeit, zu mehrerer Bekräftigung des eingeführten Primogenitur-Rechts, die Regierung, und ließ ihm durch sein Land huldigen, was am 20ten Aprilis 1720 geschahe.«18 Christian Wilhelms Vita hob zur Huldigung vom 20. April 1720 hervor, dass dieser Akt »auch mit gutwilliger Zufriedenheit der anwesenden Fürstlichen Herren Gebrüder«19 stattgefunden habe. Demzufolge müssen die fünf Halbbrüder Günthers bei der Huldigung anwesend gewesen sein, womit sie den Vorgang bei Hofe offiziell akzeptiert hatten. Von 1721 an wurde die familienintern umstrittene Neuerung zum ersten Mal praktiziert, da Günther nun »die Landes-Regierung auf Fürst-Väterlichen Befehl [...] gäntzlich«20 zugefallen war. Günther erwies sich als ein in der schwierigen Situation geeigneter Regent. Er regierte klug und verantwortungsbewusst. In den zwei Jahrzehnten seiner Regierungszeit wurde er zum vorbildlichen, weithin beliebten »Landesvater«. Diese Wertung der Dynastiegeschichtsschreibung wird heute gern übernommen, sehr wahrscheinlich nicht zu Unrecht. Im Rahmen seiner Epoche war Günther ein aufgeklärter Regent. Als Bauherr ließ er den Nordflügel des Sondershäuser Schlosses umbauen und dabei die Schlosskapelle neu ausstatten, das Jagdschloss »Zum Possen« bei Sondershausen errichten und Residenzen für seine als apanagierte Prinzen abzufindenden Halbbrüder bauen bzw. herrichten. In Arnstadt entstand das Fürstliche Palais als Wittumssitz für seine Gemahlin Elisabeth Albertine. Günther sammelte Kunst, insbesondere Gemälde, Porzellan, Glas, Ostasiatika, und förderte Künstler. Zehn Jahre lang stand der Maler Johann Alexander Thiele (1685–1752) in seinem Dienst.21 Trotz der unbestreitbar korrekten Regelung der Erbfolge und ihrer Etablierung schwelte der Konflikt in der fürstlichen Familie weiter und personalisierte sich vor allem in Heinrich, dem ältesten der fünf Halbbrüder des Erbprinzen, der sich als Sohn einer gebürtigen Weimarer Herzogin seinem Halbbruder Günther, der »nur« der Sohn einer Gräfin von Barby war, herkunftsbedingt überlegen wähnte. Heinrich verließ Schwarzburg-Sondershausen und ging von nun an seine eigenen Wege. DIE INVENTARISIERUNG VON 1720/21 In einem Kodizill vom 19. Februar 1720 ergänzte Christian Wilhelm sein Testament von 1716 durch einige Verfügungen. Eine der hier getroffenen Festlegungen betraf die »Schenklade, und was im Keller Von dergleichen Kleinodgeschirr und Antiquitäten alhier sich findet«.22 Damit richtete der Fürst den Blick auf die Regelung seines Nachlasses an Mobilien. Der Wert dieser Quelle für die Bestandsgeschichte, u. a. die des Glases, hält sich jedoch in Grenzen, werden die betroffenen Bestände hier doch nur summarisch genannt. Im Zusammenhang mit der Übergabe der Regierungsgeschäfte an Günther und dem ein Jahr später eintretenden Tod Christian Wilhelms fand die in einer solchen Situation übliche Inventarisierung der im Schloss befindlichen Mobilien statt. Ein umfangreiches Nachlassinventar, das existiert haben muss, ist nicht überliefert. Nachweisbar sind nur bescheidene Vor- bzw. Zuarbeiten zu einem solchen. Hierzu gehört ein mit »Nr. 15« bezeichnetes Inventar der Gläser in der Schenklade des Erbprinzen, das am 24. April 1720, also unmittelbar nach der Ernennung Günthers zum Mitregenten, erstellt wurde.23 Zudem ist ein mit »Nr. 20« überschriebenes Inventar von in der Hofküche befindlichen Gegen-

74 Schloss Sondershausen ständen vom 25. Juli 1720 überliefert.24 Diese beiden Vorgänge müssen Teil einer Gesamtinventarisierung gewesen sein, die in diesem Fall nach der Huldigung an Günther, doch noch vor dem Tod des alten Fürsten durchgeführt wurde. Diese Vorgehensweise passt zu der kurz vorher erfolgten Ernennung Günthers zum Mitregenten des alten Fürsten. Unabhängig davon wurde 1721 ein weiteres Glasinventar aufgenommen, das eine Umsetzung der Gläser von Günthers Gemahlin von ihrem derzeitigen Standort, der sich in ihrem Gemach befand, in die Schenklade auf dem »grosen Saale« dokumentierte. Da dieses Inventar erst am 9. und 11. Dezember 1721, also nach Christian Wilhelms Tod entstanden ist, wird Elisabeth Albertine hier als »Fürstin« bezeichnet.25 Die im Folgenden behandelten Glasinventare von 1720 und 1721 wurden von verschiedenen Schreibern aufgenommen, woraus sich Unterschiede in der Wahrnehmung, Erfassung und Benennung der Objekte sowie in der Orthografie ergaben. DAS GLASINVENTAR DES ERBPRINZEN GÜNTHER VOM 24. APRIL 1720 Nur vier Tage nachdem Günther die Mitregentschaft angetreten hatte, wurde der in der Schenklade des Erbprinzen befindliche Bestand an Gläsern inventarisiert. Vermutlich ging es dabei darum, das Privatinventar des Erbprinzen von dem Inventar zu scheiden, das Günther als regierendem Fürsten zustand bzw. zustehen würde. Die Günther soeben zugefallene Würde des Mitregenten und designierten Fürsten findet im Sprachgebrauch dieses Inventars, in dem er als »Erbprinz« benannt wird, formal keine Berücksichtigung. Christian Wilhelm wird in einer Position dieses Inventars, die ein von ihm an Günther abgegebenes Glas betrifft, als »Ihro Durchl. der regierende Herr« tituliert. Darüber, wo sich die Schenklade des Erbprinzen befand, können nur Vermutungen angestellt werden. Eine Umsetzung des Bestands innerhalb des Schlosses scheint mit dieser Inventarisierung nicht verbunden gewesen zu sein. Diese widmet sich nur dem Bestand an sich und befasst sich nicht mit den organisatorischen Rahmenbedingungen. | »[Bl. 1a] Inventarium über diejenige Gläser, / welche in des Herrn Erbprinzens Durchl. Schencklade d. 24. April: 1720. / befunden worden. I. An Deckelgläsern [1] 1. großer Pocal mit Grotesqve von des Bau- meiste[r] Ludwigs Sohn geschnitten. [2] 1. Deckelglaß mit ein[em] Hercules mit Jagd- stück. [3] 1. Deckelglaß mit einer devise auf den Nahmen Güntheriy. [4] 1. Deckelglaß mit ein[em] Hund und hiero- glyphischer Inscription. [5] 1. Deckelglaß mit einer Bataille. [6] 1. Stuz Glaß mit einem Deckel, worauf eine besondere Musiqve befindl. [7] 1. Klein Deckelglas mit nackicht[en] Figuren. / [Positionen [2]–[7] mit Klammer und Zusatz: »von Hartmann.«] [8] 1. Deckelglaß, Englisch mit den Hl. Erb / Prinzens Durchl. Nahmen. [9] 1. Englisch Stumpfschwanz mit ein[em] / Deckel. [10] 1. Deckelglaß, Lauensteiner arbeit mit des Königs in Engelland contrefact. [11] 1. Deckelglaß mit Ihro. Durchl. Portrait, / so des Bau- meisters Sohn geschnitten. [Bl. 2a] [12] 1. Deckelglaß mit Ihro Durchl. von Waldeck / Nahmen, und Wappen, Lauenstein. [13] 1. Deckelglaß mit einer devise, Lauenstein. [14] 1. Deckelglaß mit einer Jagd. [15] 1. Flöte mit ein[em) Deckel, worauf ein Pferd. [beide vorstehenden Positionen mit Klammer:] Lauenstein. [16] 1. Deckelglaß mit einer Musiqve, schlesisch. [17] 1. Böhmisch Deckelglaß mit Cupidgens. [18] 1. Böhmisch Deckelglaß mit ein[em] Bauern / Tanz. [19] 1. Böhmisch Deckelglaß mit Grotesqve. [20] 1. Böhmisch Deckelglaß, mit Figuren / geschliffen. [21] 1. Dergleichen ohne Deckel. [22] 2. Böhmische geschliffene Gläser. [23] 2. Böhmische Muscheln-Gläßer. [24] 1. Dresd. Fleute mit ein[em] Deckel, und / Grotesqve. [25] 1. schlechte Fleute mit eine[m] Deckel. [26] 4. Gulcken Gläser. [27] 2. schlechte Böhmische Gläßer mit Deckeln. [28] 4. kleine Deckelgläßer mit grün- und / güldenen Schildern. [29] 1. Deckelglaß von Cammerdiener Bius mit / ein[em] Hirsch. [30] 1. schlecht Böhmisch Deckelglaß. [31] 2. Deckelgläser mit Laubwerck. [32] 2. Dergleichen. [Bl. 3a] [33] 1. Deckelglaß mit einer devise, und rothen / Fuß. [34] 2. Dergl. mit roth Füßen und devices. [35] 1. Böhmisch Deckelglaß mit einer Jagd.

75 [36] 6. Böhmische Fleutges mit devices. [37] 2. Dergleichen ohne Deckel. [38] 1. Deckelglaß mit ein[em] Rand von / Grotesqve. [39] 1. klein Deckelglaß mit Laubwerck. [40] 2. Deckelgläser, woran der Stollberg. Hirsch / geschnitten. [41] 2. kleine geschliffene Deckelgläser. [42] 1. Deckelglaß mit Grotesqve, Böhmisch. [Bl. 3b] II. An Biergläsern. [43] 6. Gordiangens woran Männergen / geschnitten. [44] 1. Dergl. mit einer devise von Berlin. [45] 2. Dergl. achteckigt. [46] 6. Dergleichen schlecht geschnitten. [47] 4. Dünne Dergl. mit Figuren. [48] 1. klein Biergläslyn, mit ein[em] Deckel u. / devise. [49] 2. Biergläser mit Deckeln. [50] 1. groß Bierglaß mit ein[em) Deckel u. / Grotesqve. [51] 2. kleine mit grünen Schilden. [52] 1. großes Bierglaß. [53] 1. blaues Bierglaß. [Bl. 4a] III. An Weingläsern [54] 9. Englische Kelchgläser, mit runden / Knöpfen. [55] 1. Duzend dergl. mit pastichten Füßen. [56] 4. Dergleichen mit sechseckigt[en] Füßen. [57] 6. Glocken-Gläser. [58] 6. Weingläser mit schitzigt[en] Füßen und [59] 8. Muscheln. [60] 6. Weingläser mit rothen Schildgen. [61] 3. Dergl. mit güldenen Schildern. [62] 5. Weingläser mit Bildern. [63) 4. Dergl. von Gotha mit geschliffenen / Kügelgen. [64] 2. geschliffene Muscheln. [65] 1. klein Weingläsgen mit Grotesqve. [66] 1. Muschel, so Ihro Durchl. der regierende / Herr [Fürst Christian Wilhelm] an- hero verehret haben. [67] 2. runde Kugeln mit Glasschauben. [68] 1. Deller mit 6. Gläsern Zu Rossolio. [69] 6. Kugeln mit Glasstöpseln. [70] 2. Flache dünne Weingläser mit ein[em] / Rand von Grotesqve. [71] 6. Weingläser mit: G. [72] 12. Dergl. mit dicken pastigt[en] Knöpfen. [73] 6. Dergl. etwa dünner. [74] 4. eintzeln. [75] 1. eintzel[n]es mit G. [76] 8. schlechte. [77] 4. flache mit Kügelgen geschnitten. [78] 6. kleine Muscheln Zum Rossolio. [Bl. 4b] IV. An Caraffinen und Flaschen [79] 2. große Flaschen mit Schauben und grünen / Schildern. [80] 1. Dergl. mit ein[em] Glasstöpsel. [81] 4. Viereckigte Flaschen mit Glas Stöpseln. [82] 1. länglichte Caraffine mit Ihro Durchl. der / Frau Erb- Prinzeßin Nahmen und Wappen. [83] 1. Dergl. mit Silber beschlagen. [84] 2. Dergl. mit Glas Schauben. [85] 4. Dergl. mit Cupidgens. [86] 2. mit Henckeln und Glas-Schauben. [87] 4. ingl. mit gläsern Deckeln. [88] 4. dergl. noch kleiner. [89] 6. kleinere mit Grotesqve und gülden / Stöpseln. [90] 2. etwas größer mit Glas Stöpseln. [91] 11. Caraffinen mit dergleichen Stöpseln. [Bl. 5a] V. An Fleutes und anderen Gläßern. [92] 5. fleutes, so oben geschnitten. [93] 3. schlechte. [94] 1. Dudelsack. [95] 1. Stieffel. [96] 1. Glas mit ein[em] gewundenen Hals. [97] 4. gewundene Gläßer mit engen Hälsen. [98] 2. Gulcken Gläßer Zum Esig und Baumöhl. [99] 1. Schale mir ein[em] hohlen Fuß. [100] 1. Glaß wie eine Schildkröte formiret. [101] 1. Dünne flache Schale.« | DAS GLASINVENTAR DER FÜRSTIN ELISABETH ALBERTINE VOM 9. BZW. 11. DEZEMBER 1721 Am 9. Dezember 1721 wurden Gläser aus dem Gemach der Fürstin Elisabeth Albertine, geb. Prinzessin von AnhaltBernburg, in die Schenklade auf den großen Saal umgesetzt [1–35], am 11. Dezember folgten weitere Gläser [36– 40]. Als »Gemach« der Fürstin wurde zu dieser Zeit der das dritte Obergeschoss des Schlossturms einnehmende Raumtrakt genutzt. Aus diesem Bereich wurden die Gläser in den »grosen Saale«, also den Riesensaal im zweiten Obergeschoss des Südflügels (Abb. 3), gebracht. Über diesen Saal, der beim Schlossumbau der 1690er Jahre entstanden war, erfährt man im Schlossinventar von 1744/1753, allerdings nur im Zusammenhang der Ausstattung des Saales mit Vorhängen, dass sich hier auch eine Schenklade befand: »20. Leinewandene Vorhänge vor die Fenster.//

76 Schloss Sondershausen 2. kleine oben vor die Schenklade.«26 Der Standort der Schenklade im Saal wird nicht angegeben. Infrage kommt in erster Linie die Nordwand, da nur diese nicht von Fensternischen durchsetzt ist. Der in der Schenklade befindliche Bestand an Gefäßen wurde 1744 bis 1753 – wie kleinere Kunst-, Repräsentations- und Gebrauchsgegenstände generell – nicht erfasst. Bestände dieser Art wurden in Spezialinventaren aufgelistet, die für den Inventarisierungsvorgang von 1744 bis 1753 jedoch nicht überliefert sind. | »[Bl. 7a] Inventario Über diejenigen Gläser, / so den 9 Decb: 1721, aus Ihro Hoch Fürstl. Durchl. der Fürstin Gemach, in den Schenk Laden auf den grosen Saale überliefert werden, alß [1] 1. Ein hoch Englisch glat Glas mit einem Deckel. [2] 2. Ein hoch schmahl Glas mit einem Deckel, woran ein Pferde geschnitten. [3] 3. Ein groß Deckel Glas worauf den Bachus mit seinem Heer geschnitten, den Deckel hat oben einen gläseren Rincken. [4] 4. Ein groß geschnitten Deckel Glas worauf die Venus von Hartmannen geschnitten. [5] 5. Ein groß geschnitten Deckel Glas, auf welchen stehet Güntherus ubiq[ue] coruscat. Abb. 3 Schloss Sondershausen, Riesensaal 1690er Jahre, Blick nach Westen

77 [6] 6. Ein Englisch Deckel Glas mit 2 ineinander gezogenen G. auf der andern Seite aber der Atler. [7] 7. Ein groß Deckel Glas mit 2 Hunde Figuren. [8] 8. Ein groß Deckel Glas worauf Türcken und andere Soldaten geschnitten. [9] 9. Ein groß Deckel Glas, woran nebst ander[n] Sachen 4 kleine Figuren. [10] 10. Ein groß geschnitten Glas ohne Deckel mit einen Stern und Ordens Cette und des Fürsten V[on] Waldeck Nahme. [Bl. 7b] [11] 11. Ein groß Deckel Glas eckicht geschliffen, an welchen nebst andern Sachen 2 Bilder, und Knopf und über de[m] Fuß ist rother Fluß. [12] 12. Ein groß geschnitten Deckel Glas mit 2 Schilden in welchen 2. Figuren, und über [?] in der franz. Schrifft.27 [13] 13. Ein groß Deckel Glas worauf die Diana in eine[m] Wagen sizend, geschnitten. [14] 14. Ein Deckel Glas, auf de[m] Deckel ein hoher Knopf. [15] 15. Ein Deckel Glas in Cnopfe und Fuße grüner Fluß. [16] 16. Ein Hoch schmahl Deckel Glas worauf Schwein Figuren geschnitten. [17] 17. Ein ausgeschweifft Deckel Glas, woran Noten geschnitten. [18] 18. Ein geschnitten Deckel Glas roth und Gold im Knopf und Fuß. [19] 19. Ein klein Deckel Glas mitendrin[en] Figuren. [20] 20. Ein Stutz Glas mit eine[m] Deckel woran große Figuren ge- schnitten. [21] 21. Ein Glas ohne Deckel, geschnitten, auf welche[m] steht, die Zeit ist unwiederbringlich. [22] 22. Ein klein Deckel Glas, worauf der Stolberg. Hirsch, auf der ander[n] Seite ein Öhlbaum, an welchem eine Hand Schaukel. [Bl. 8a] [23] 23. Ein geschnitten Deckel Glas mit Kriegs Armaturen, roth und Gold im Knopf und Fuß. [24] 24. Zwey geschnittene Deckel Gläser mit Blumwerck. [25] 25. Ein geschnitten Deckel Glas worauf eine kleine Jagd ge- schnitten. [26] 26. Ein geschnitten Deckel Glas worauf ein[e] Figur auf einem Fisch sizend, befindlich. [27] 27. Ein geschnitten Deckel Glas worauf nebst denen Figuren geschnitten, Troqvons. [28] 28. Ein klein Deckel Glas mit Blumen. [29] 29. Fünff Deckel Gläser überein auf iede[n] eine Devise. [30] 30. Drey ausgebogene geschnit- tene Deckel Gläser mit Blumen und rothen Fluß. [31] 31. Zwey tief geschnittene Deckel Gläser. [32] 32. Zwey kleine Deckel Gläser mit rothen Fluß u. geschnitten. [33] 33. Drey kleine Deckel Gläser mit Schildern, roth und Golden Fluß. [34] 34. Zwey geschliffene Kelch Gläser ohne Deckel. [35] 35. Zwey geschliffene Stutz Gläser. Sondershausen den 9: Decb. 1721. [Bl. 8b] Ferner [36] 36. Ein groß Engl. Deckel Glas woran der Keyser Caroly VI. geschnitten und der Adler. [37] 37. Ein groß tief geschnitten Deckel Glas worauf die 3 Gratien. [38] 38. Ein klein geschnitten Deckel Glas, mit 3 Altären, über welche[n] stehet, gegen iederman freundl., gegen wenige vertraulich, gegen nie- manden falsch. [39] 39. Ein geschnitten Deckel Glas auf welchen ein Jäger von Hasen gefangen wird, [40] 40. Ein geschliffen und geschnitt[en] Deckel Glas mit rothe[m] Fluß. Sondersh. d. 11. Dec. 1721.« | In Bezug auf Elisabeth Albertines Verhältnis zu Glas als Repräsentationsgut sei hier noch auf eine weitere Erscheinungsform dieses Werkstoffs – auf Glasperlen – verwiesen. Diese fanden in der Raumfassung des »Schmelzzimmers« im Fürstlichen Palais zu Arnstadt (1730er Jahre) Verwendung, das als künftiges Wittumspalais für die Fürstin errichtet wurde.28

Blick in die Sammlung DES SCHLOSSMUSEUMS SONDERSHAUSEN

RÄTSELHAFTE STANGENGLÄSER IM BESTAND DES SCHLOSSMUSEUMS SONDERSHAUSEN EINE SPURENSUCHE CAROLIN SCHÄFER Stang gläse

143 Im Glasbestand der Sammlung des Schlossmuseums Sondershausen hat sich eine Gruppe außergewöhnlicher Hohlgläser erhalten. Es handelt sich um 25 sehr hohe und schmale Stangengläser, die in der auf Knorr’schen Karteikarten1 überlieferten Inventarisation jeweils als Flötengläser des 17. Jahrhunderts geführt werden (Abb. 1, 2). Weitere Angaben finden sich nicht, und auch die Richtigkeit der Datierung kann hinterfragt werden, findet sich doch kein Hinweis darauf, wie die relativ frühe Zuschreibung der Gläser ins 17. Jahrhundert zustande gekommen ist. Selbst die Bezeichnung der Objekte als Flötengläser kann nicht ohne Schwierigkeiten übernommen werden. Ziel dieses Beitrags ist es, die Herkunft und Datierung der Gefäße enger einzugrenzen – durch die Auswertung der archivalischen Überlieferung und indem vergleichbare Objekte gesucht und vorgestellt werden. Mögliche Nutzungen sollen die Beschreibung der Gläser zudem um eine kulturhistorische Perspektive bereichern. Unbekannt sind die Gläser indessen mitnichten, finden sich doch im fotografischen Nachlass der Fürstin Anna Luise von Schwarzburg-Rudolstadt und Schwarzburg-Sondershausen (1871−1951) Aufnahmen, die anlässlich des Geburtstags ihres Ehemanns Fürst Günther Viktor von Schwarzburg-Rudolstadt und Schwarzburg-Sondershausen (1852−1925) im August 1909 das fürstliche Paar mit seinen en er Abb. 1 Stangengläser im Schlossmuseum Sondershausen (v. l.: Kg 416, 411, 403, 410, 412, 470, 469), Kat. 82

145 Abb. 2 Stangengläser im Schlossmuseum Sondershausen (v. l.: Kg 470, 416, 406, 403, 408, 411, 412, 410, 414, 469), Kat. 82 Gästen bei einem festlichen Diner zeigen: Neben der reich gedeckten Tafel im Kaisersaal der Schwarzburg ist die Verwendung der Stangengläser auffällig, aus denen die versammelte Festgesellschaft umständlich trinkt (Abb. 3, 4).2 Die fotografische Passion der letzten Fürstin ist weithin bekannt und wurde in verschiedenen Publikationen gewürdigt.3 Es gibt indessen mehrere Aufnahmen der Stangengläser als Teil einer festlich gedeckten Tafel anlässlich von Geburtstagen des Fürsten. Neben der bereits erwähnten Feier 1909 hat sich auch eine Fotografie vom 60. Geburtstag Günther Viktors erhalten, bei dem sich die Gesellschaft wieder im Kaisersaal der Schwarzburg versammelt hat (Abb. 5). Es handelt sich eindeutig um zwei unterschiedliche Feiern, da 1912 der Schwarzburger Jagdtafelschmuck, den Anna Luise als Geschenk zum 60. Geburtstag ihres Mannes in Auftrag gegeben hatte, fertig gestellt war und nun erstmals die Tafel schmückte.4 Dass die besonderen, hohen Stangengläser, dokumentiert durch Fotografien Anna Luises, mehrfach zu hohen Festtagen des fürstlichen Hauses zum Einsatz kamen, deutet auf eine Tradition hin. Die Gläser müssen also von der Schwarzburg, wo sie demnach noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts Verwendung fanden, nach Sondershausen transportiert worden sein. Der dafür letztmögliche Zeitpunkt war der von den Nationalsozialisten erzwungene Auszug Anna Luises aus der Schwarzburg, ihrem Witwensitz und bevorzugtem Aufenthaltsort, im Juni 1940. Als die einstige Fürstin am 6. Juni auf der Schwarzburg eintraf, durfte sie ihre privaten Räume nicht mehr betreten, das Ausräumen hatte bereits begonnen. Anna Luise wurden Möbelwagen für ihren Auszug zur Verfügung gestellt.5 Dass sie ausgerechnet die langen Stangengläser mitnahm, die zerbrechlich und sicher weder einfach noch platzsparend zu transportieren waren, verdankt sich in Anbetracht der anscheinend mit ihnen verbundenen Geburtstagstradition womöglich sentimentalen Gründen der Erinnerung an glücklichere Zeiten, die sie gemeinsam mit ihrem Gemahl verbracht hatte. Dass es sich um dieselben Gläser handelt, die heute im Sammlungsbestand des Schlossmuseums sind, ist sehr wahrscheinlich, zumal sich in den anderen ehemaligen Schwarzburger Schlössern und musealen Sammlungen keine vergleichbaren Gläser erhalten haben. Das unlängst abgeschlossene Forschungsprojekt der Justus-Liebig-Universität Gießen und des Schlossmuseums Arnstadt, das sich mit dem Schwarzburger Glas zwischen 1600 und 1800 befasst hat und zu diesem Zweck die Glasbestände der vier musealen Sammlungen in den ehemaligen Schwarzburger Schlössern in Arnstadt, Bad Frankenhausen, Rudolstadt und Sondershausen sichtete, ergab in Bezug auf die hier vorgestellte Gruppe von Gläsern keine vergleichbaren Stücke. Lediglich ein sehr langes Scherzglas hat sich im Bestand der Heidecksburg Rudolstadt erhalten, dessen untere Partie einem Kuttrolf nachempfunden ist und das einen sehr langen und schmalen Schaft besitzt (Abb. 6).6 Das erwähnte Forschungsprojekt zum Glas der Schwarzburger spricht die Gläser der hier vorgestellten Gruppe durchweg nicht als Flöten, sondern als Stangengläser an.7 Abb. 3 Stangengläser in der Benutzung anlässlich des 57. Geburtstags von Fürst Günther Viktor von Schwarzburg-Rudolstadt und SchwarzburgSondershausen (1852–1925, reg. ab 1890/1909–1918) am 11. August 1909 im Kaisersaal der Schwarzburg

146 Prinzenpalais Sondershausen Der detaillierten Beschreibung der Gläser im Katalogteil der vorliegenden Publikation soll nicht vorgegriffen werden, weshalb an dieser Stelle nur ihre wesentlichen Charakteristika aufgeführt werden sollen: Die Gläser sind zwischen 78,2 und 101,7 Zentimeter hoch und weisen an der Mündung einen Durchmesser zwischen 2,7 und 7,1 Zentimeter auf. Sie stehen meist auf einem runden, unterschiedlich stark gewölbten Fuß, der jedoch nur bei einem Objekt als glockenförmig anzusprechen ist (Kg 469). Die Durchmesser der Füße variieren zwischen 11,8 und 15,6 Zentimeter. Die Wandstärke, gemessen an der Lippe, liegt zwischen 2 und 4 Millimeter. Das Material ist mehrheitlich farbloses, transparentes Glas sehr guter Qualität, meist mit nur wenigen Einschlüssen oder Bläschen,8 das bei einzelnen Objekten einen leichten Grün-9 oder Graustich10 erkennen lässt. Bei einem Objekt (Kg 423) haben sich der runde Fuß und die hohe Kuppa als einzelne Teile erhalten, da der Fuß von der Kuppa abgebrochen ist. Ein weiteres Stück (Kg 425) ist ohne Fuß gearbeitet, es handelt sich eventuell um ein Halbfabrikat, während bei einem dritten Glas (Kg 424) statt eines Fußes eine optisch gerippte Hohlkugel gearbeitet ist. Dass es sich bei den Gläsern um Raritäten handelt, wurde bereits bei einer Vorstellung der Objekte auf der Herbstsitzung des Fachausschusses V »Glasgeschichte und Glasgestaltung« der Deutschen Glastechnischen Gesellschaft e. V. im Jahr 2007 deutlich.11 Dem versammelten Fachpublikum waren derartige Gläser nicht bekannt, zumal nicht in einer derart großen Stückzahl. Die in der Diskussion geäußerte Vermutung, es handle sich wahrscheinlich um technisches Glas, konnte mit dem Hinweis auf die erhaltene Fotografie der Verwendung der Gläser anlässlich des Fürstengeburtstags entkräftet werden. Dies passt auch zu dem Bild, das sich im Zuge der Recherchen zu dem vorliegenden Beitrag ergeben hat. Anfragen bei zahlreichen Museen im deutschsprachigen Raum, die umfangreiche Glassammlungen betreuen, führten zu keinem Ergebnis.12 In der Fachliteratur aufgeführte Gläser, seien es Stangen oder Flöten, die als außergewöhnlich hoch beschrieben werden, sind kaum mit den Sondershäuser Gläsern in Verbindung zu bringen. Ein Beispiel für eine solche in die Irre führende Recherche sei erwähnt: In Rainer Rückerts Bestandskatalog zur Glassammlung des Bayerischen Nationalmuseums fand sich ein »Riesiges Stangenglas mit bunten Kostümfiguren« aus dem 16. Jahrhundert, das zwar nicht in der Gestaltung, aber doch was Größe und Form betrifft Anknüpfungspunkte zu den Sondershäuser Gläsern vermuten ließ, da es mit immerhin 83,5 Zentimeter etwa so hoch ist, wie die kleinsten Sondershäuser Stangengläser.13 Trotz dieser ähnAbb. 4 Stangengläser in der Benutzung anlässlich des 57. Geburtstags von Fürst Günther Viktor 1909

147 Abb. 5 Stangengläser erneut in der Benutzung anlässlich des 60. Geburtstags von Fürst Günther Viktor 1912 lich ungewöhnlichen Ausmaße zeigte ein Vergleich schnell, dass es sich nicht um denselben Typus handelt. In der Beschreibung des Münchener Glases fanden sich interessanterweise zwei Hinweise auf Vergleichsobjekte, darunter zwei mehr als 2 Meter hohe Riesenflöten der Dresdner Kunstsammlungen, die jedoch als verloren gelten,14 sowie der Hinweis auf ein sehr hohes Stangenglas, das im Lübecker St. Annen-Museum aufbewahrt wird. Eine Nachfrage in Lübeck ergab allerdings, dass es sich leider mitnichten um ein vergleichbares Objekt handelt, sondern vielmehr um ein 50 Zentimeter hohes zylindrisches Stangenglas blauer Farbe mit Diamantriss, das in Hall (Tirol) um 1580 gefertigt wurde.15 Die passendste Bezeichnung für die außergewöhnlich hohen Gläser ist nicht einfach zu wählen. In Abstimmung mit den Autoren der vorliegenden Publikation und in Anlehnung an den im Gießener Glasprojekt verwendeten Terminus wurde der Begriff des Stangenglases gewählt. Auch wenn hiermit gemeinhin schlanke und einigermaßen zylindrische Gläser beschrieben werden,16 treten in der Renaissance- und Barockzeit auch keulenförmige und nach oben sich ausweitende Exemplare auf.17 Die Streckung des Gefäßkörpers ist eine Entwicklungstendenz aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Um 1500 traten im Rheinland hohe zylindrische Stangengläser auf, die mit Nuppen (Tropfenauflagen) besetzt waren. Dieses Dekor zierte bereits in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts sehr hohe, schlanke und leicht konische Trinkgläser, die als »flötenförmiger Typ« (oder »Böhmische Becher«) bezeichnet wurden.18 Hohe, schlanke Flötengläser erfreuten sich dann seit dem 17. Jahrhundert großer Beliebtheit,19 wobei sie archivalisch auf deutschem Boden zunehmend ab dem beginnenden 18. Jahrhundert belegt sind.20 Die Sondershäuser Gläser wurden, wie bereits erwähnt, in früherer Zeit auch als Flötengläser angesprochen. Da ihre Form sich nach oben gehend verbreitert, ist diese Assoziation naheliegend. Die Suche nach vergleichbaren Gläsern musste sich deshalb zwangsläufig auf beide Bereiche – Stangen- und Flötengläser – erstrecken. Somit ist auch Hinweisen auf Flötengläser nachgegangen worden, die in der Literatur als besonders groß bezeichnet werden. Im Bayerischen Nationalmuseum wird beispielsweise ein 31,1 Zentimeter hohes Flötenglas aufbewahrt, das mit einigen Unsicherheiten auf die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts datiert wird. Seine »extrem lange und schmale konische Kuppa« zeichnet das Objekt als »Flöte« aus.21 Als klarer Unterschied zu den Sondershäuser Gläsern ist jedoch der Doppelbalusterschaft zu erwähnen, denn die Son-

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