Leseprobe

Das Haus Am Horn Das Haus Am Horn Ein Experimentalbau des Bauhauses wird 100 Die Bau- und Nutzungsgeschichte des UNESCO-Welterbes

Das Haus Am Horn Ein Experimentalbau des Bauhauses wird 100 Die Bau- und Nutzungsgeschichte des UNESCO-Welterbes SANDSTEIN Michael Siebenbrodt, Christiane Wolf, Freundeskreis der Bauhaus-Universität Weimar

Gerd Zimmermann 6 Grußwort »100« Dieter Bauhaus 8 Eine Bauhaus-Ikone wird 100 Michael Siebenbrodt und Christiane Wolf 10 Das Haus Am Horn wird 100 Michael Siebenbrodt 12 Ein Versuchshaus des Bauhauses in Weimar 1923 Das Haus Am Horn als Ikone der Moderne und Welterbe der UNESCO Michael Siebenbrodt 46 Die Ausstellung »Internationale Architektur« 1923 Das Haus Am Horn im Kontext der Bauausstellungen des 20. Jahrhunderts Alessandro Rintallo und Michael Siebenbrodt 60 100 Jahre Nutzungsgeschichte Marlis Grönwald 66 Gedanken und Erlebnisse einer Bewohnerin 1971 bis 1998 Michael Siebenbrodt 78 Adaptionen, Variationen Ein »Musterhaus« im Wandel Michael Siebenbrodt 84 Vom Ausstellungsobjekt zum Museum Das Haus Am Horn als Designmuseum Thomas Wittenberg 88 Die denkmalpflegerische Sanierung 1998 bis 1999 und 2010

Falk Werrmann-Nerlich 98 Der Freundeskreis als Wegbegleiter eines Ortes der Begegnung Auszüge aus der Chronologie auf dem Weg zur Sanierung und Umnutzung des Hauses Am Horn Michael Siebenbrodt 108 Vom Wohnhaus zum Ausstellungsort Vom Bauhaus zu aktuellsten Strömungen in Kunst, Design, Architektur und Bauwissenschaften von 1999 bis 2016 Michael Siebenbrodt 136 Ein Ort der Begegnungen Internationale Sommerfeste im Haus Am Horn von 2001 bis 2017 Bernd Rudolf 148 Ein Haus wächst Konzepte für bauliche Ergänzungen zum Haus Am Horn Birgit Busch 162 Die neue denkmalpflegerische Zielstellung und Ertüchtigung von 2016 bis 2019 Anke Blümm 174 »Architektur von Uebermorgen« – 100 Jahre alt Zum neuen Ausstellungskonzept des Hauses Am Horn Anhang 187 Die Ausstellungen im Haus Am Horn von 1999 bis 2016 194 Freundeskreis der Bauhaus-­ Universität Weimar e.V., Diskussionspapier zur Entwicklungsperspektive Haus Am Horn, Weimar (UNESCO-Weltkulturerbe), 2013 198 Bibliografie 200 Zu den Autorinnen und Autoren 203 Bildnachweis 204 Impressum

Ein Versuchshaus des Bauhauses in Weimar 1923 Das Haus Am Horn als Ikone der Moderne und Welterbe der UNESCO1 Michael Siebenbrodt

13 Das Haus Am Horn wurde nach dem Entwurf des jüngsten Bauhaus-Meisters Georg Muche mit Unterstützung des Architekturbüros von Walter Gropius und Adolf Meyer anlässlich der großen Bauhaus-Ausstellung 1923 errichtet und unter Mitwirkung aller Bauhaus-Werkstätten und zahlreicher Studierender ausgestattet. Dieses einzige vom Staatlichen Bauhaus realisierte Gebäude in Weimar wurde gemeinsam mit den Hochschulgebäuden und den Dessauer Bauhaus-Bauten 1996 durch die UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt.2 Neben den herausragenden architektonischen Leistungen wird damit die bedeutendste und folgenreichste Hochschule für Gestaltung im 20. Jahrhundert gewürdigt.3  Das »Staatliche Bauhaus in Weimar« wurde am 1. April 1919 von dem deutschen Architekten Walter Gropius als eine Avantgardeschule neuen Typs, als Zusammenschluss der ehemaligen »Großherzoglichen Hochschule für Bildende Kunst« und der ehemaligen »Großherzoglichen Kunstgewerbeschule« Henry van de Veldes gegründet.4 Bis 1933 entwickelte sich diese Hochschule für Gestaltung in Weimar, Dessau und Berlin auch unter den nachfolgenden Direktoren Hannes Meyer und Ludwig Mies van der Rohe weiter. Wie keine andere deutsche Bildungseinrichtung war das Bauhaus mit den politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklungsprozessen in der Weimarer Republik verbunden und teilte deren Schicksal.5  Walter Gropius formierte bis 1923 in Weimar einen internationalen Lehrkörper von Weltgeltung mit Lyonel Feininger, Georg Muche, Johannes Itten, Gerhard Marcks, Paul Klee, Oskar Schlemmer, Wassily Kandinsky und László Moholy-Nagy. Sie vermittelten gestalterische Grundlagen und führten als »Formmeister« der Bauhaus-Werkstätten Kreativität und Teamwork in die Arbeits- und Lebensgemeinschaft am Bauhaus ein.6 Im Zentrum der Ausbildung stand die umfassende Förderung aller Talente der Studierenden, die Ausprägung ihrer Individualität, aber nicht die Nachahmung der Lehrervorbilder. Mit der These »Kunst und Technik – eine neue Einheit« gab Gropius dem Bauhaus das unverwechselbare Profil als erste Designhochschule der Welt.7 Am Bauhaus studierten durchschnittlich 150 bis 200 junge Menschen, teilweise über 50 Prozent weibliche und 25 Prozent ausländische Studierende. Weltoffenheit und internationaler Austausch von Ideen, fachübergreifende Zusammenarbeit mit WissenschaftlerInnen und der Industrie prägten das Profil dieser Schule und waren ein Geheimnis ihres Erfolgs.8  In diesem 1 Vgl. Michael Siebenbrodt: Das Haus »Am Horn« – ein Versuchshaus des Bauhauses in Weimar 1923 und Weltkulturerbe der UNESCO, in: SparkassenKulturstiftung Hessen-Thüringen (Hrsg.): Das Haus »Am Horn«. Denkmalpflegerische Sanierung und Zukunft des Weltkulturerbes der UNESCO in Weimar. Frankfurt a.M. (selecta 1), 1999, S. 10–23. 2 Im Kontext der denkmalpflegerischen Sanierung des Hauses Am Horn und der Übergabe an den Freundeskreis der BauhausUniversität Weimar e.V. wurden drei Publikationen herausgegeben. Vgl. Anm. 1 und Freundeskreis der Bauhaus-Universität Weimar e.V. (Hrsg.): Haus Am Horn. Rekonstruktion einer Utopie. Weimar 2000 (Konzeption, Realisierung und Redaktion Bernd Rudolf); Stefan Matz: (Un)geliebtes Muster. Neue Einsichten zum Haus Am Horn. Weimar 2001. 3 Dafür spricht auch die Aufnahme der Kunstschulbauten Henry van de Veldes in Weimar, erbaut 1904 bis 1911, in denen das Bauhaus als Nachfolgeinstitution wirkte. Leider beschränkt sich die Welterbe-Erklärung auch mit der Evaluierung 2017 auf die Architekturobjekte in Weimar, Dessau und Bernau und bezieht die in situ seit 1925 erhaltenen Sammlungen und Archivbestände in Weimar nicht ein. 4 Vgl. Walter Gropius: Programm und Manifest des Staatlichen Bauhauses in Weimar, mit Titelholzschnitt von Lyonel Feininger Weimar 1919. 5 Vgl. Bauhaus-Archiv, Museum für Gestaltung (Hrsg.): Experiment Bauhaus. Das Bauhaus-Archiv Berlin (West) zu Gast im Bauhaus Dessau. Berlin 1988; Michael Siebenbrodt, Lutz Schöbe: Bauhaus 1919–1933. Weimar, Dessau, Berlin, New York 2009; BauhausArchiv Berlin/Museum für Gestaltung, Stiftung Bauhaus Dessau, Klassik Stiftung Weimar (Hrsg.): modell bauhaus. Ostfildern 2009. 6 Vgl. Michael Siebenbrodt (Hrsg.): Bauhaus Weimar. Entwürfe für die Zukunft. OstfildernRuit 2000; Klassik Stiftung Weimar/Ute Ackermann, Ulrike Bestgen (Hrsg.): Das Bauhaus kommt aus Weimar. München, Berlin 2009. 7 Vgl. Walter Gropius: Grundsätze der Bauhausproduktion, in: Neue Arbeiten der BauhausWerkstätten (Bauhausbücher 7). München 1925, S. 5–8. 8 Vgl. Folke Dietzsch: Die Studierenden am Bauhaus. Dissertation an der Hochschule für Architektur und Bauwesen Weimar. Weimar 1990.

14 Kontext kam der ersten öffentlichen Präsentation des Bauhauses im Sommer 1923 eine herausragende Bedeutung zu. Auf Druck des thüringischen Volksbildungsministeriums stellte das Staatliche Bauhaus in Weimar seine Arbeits- und Ausbildungsergebnisse vor. Zum Programm gehörten Ausstellungen in den Hochschulgebäuden und im Landesmuseum, Theater- und Musikveranstaltungen sowie Vorträge in Weimar und Jena. Den Höhepunkt bildete das Musterhaus Am Horn als Gesamtkunstwerk und Teil der seit 1920 geplanten Bauhaus-Siedlung.9  Gropius lobte dazu einen studentischen Wettbewerb für einen modernen Hochschulcampus des Bauhauses aus, der den akuten Mangel an Unterrichts-, Werkstatt-, Atelier- und Wohnraum beheben sollte. Davon haben sich die Entwürfe Walter Determanns erhalten, beginnend mit einer Streusiedlung von kleinen Holzhäusern in einem Kiefernwäldchen bis hin zur utopischen Vision eines wirtschaftlich und sozial autarken Hochschulkomplexes südlich von Weimar. In expressionistischer Formensprache organisierte er eine städtebaulich symmetrische Anlage nach dem Vorbild der französischen utopischen Sozialisten des 18. Jahrhunderts mit eigenem Gutshof zur Lebensmittelversorgung, Kindergarten mit Schwimmbecken, einem Kranz von Werkstätten, Vierfamilienhäusern für die Lehrkräfte, Studierendeninternaten sowie einem Hauptgebäude für Ausstellungen und Feste sowie Gebäuden für die Verwaltung. Im Zentrum der Anlage plante er ein Theater und ein Stadion nach antikem Vorbild, die auf einen Kristall, eine Glaspyramide, ausgerichtet sind. Die Anlage wird von einer Mauer umschlossen, an deren Eckpunkten Leuchttürme das Licht der Moderne in das provinzielle Weimar senden sollten.10  Mit der Gründung der »Bauhaus-Siedlungsgenossenschaft GmbH« 1921 und der Einstellung des jungen ungarischen Architekten Fred Forbát begann in enger Zusammenarbeit mit dem Architekturbüro von Gropius und Meyer die eigentliche Vorgeschichte des Hauses Am Horn. Am Rand des Ilmparks oberhalb des Goethe-Gartenhauses wurde ein Gelände erworben, auf dem Forbát ein völlig anderes, moderneres Hochschul- und Siedlungskonzept entwickelte. Wie eine »Stadtkrone« Bruno Tauts11 erhebt sich das Hauptgebäude weithin sichtbar auf dem höchsten Punkt des Geländes, begleitet von einer Reihe von Werkstattgebäuden. Daran schließen sich mehr als 50 Einfamilienhäuser an, die in einfacher oder Doppelreihe mit Kopfbauten mit Vor- und Rücksprüngen differenzierte Räume bilden. Im Zentrum der Anlage lag der Festplatz, der von einem mehrgeschossigen Studierendenwohnheim zweiseitig gefasst wurde. Dieser Gebäudekomplex nahm Gestaltungsmerkmale des Bauhaus-Gebäudes in Dessau vorweg. Den Übergang zum Park stellten 19 freistehende Einfamilienhäuser mit großen Gärten her, die Wohn- und Atelierhäuser für die Bauhaus-Meister.12  Diese Häuser sollten unter Mitwirkung der zukünftigen EigentümerInnen, der Mitglieder der Siedlungsgenossenschaft, auf der Basis des »Baukastens im Großen« geplant werden, den Gropius 1922 entwickelt hatte. Dieser Baukasten bestand aus sechs unterschiedlichen Raumzellen mit vorgefertigten Bauteilen, die je nach Familiengröße, Budget und Geländetopografie zu ganz unterschiedlichen Häusern addiert und kombiniert werden konnten.13 9 Vgl. Oskar Schlemmer: Programm zur Bauhaus-Ausstellung 1923, Postkarte, Buchdruck/beidseitig. Für die Werbung sorgten 20 Postkarten, die als großes Gemeinschaftsprojekt von Lehrenden (8) und Studierenden (12) in der hohen Auflage von je 2 000 realisiert wurden – eine frühe Mail-Art-Aktion. Dabei nahmen Gerhard Marcks und Paul Häberer das Haus Am Horn als Motiv auf. Vgl. Klaus Weber (Hrsg.): Punkt. Linie. Fläche. Druckgrafik am Bauhaus. Berlin 1999, S. 266–277. 10 Der Nachlass von Walter Determann wurde durch die Familie des Künstlers als Schenkung an das Bauhaus-Museum der Klassik Stiftung Weimar übergeben. Vgl. Michael Siebenbrodt (Hrsg.): Bauhaus Weimar. Entwürfe für die Zukunft. OstfildernRuit 2000, S. 26–31 11 Vgl. Bruno Taut: Die Stadtkrone. Jena 1919. 12 Vgl. Klaus-Jürgen Winkler: Die Architektur am Bauhaus in Weimar. Berlin, München 1993, S. 79–94. 13 Vgl. Hartmut Probst, Christian Schädlich: Walter Gropius. Band 1: Der Architekt und Theoretiker. Werkverzeichnis Teil 1. Berlin 1995, S. 90–99.

15 Dies sollte die Planungs- und Baukosten sowie den Zeitaufwand reduzieren und zugleich gestalterisch monotone Häuser und Siedlungen verhindern. Die Industrialisierung des Bauwesens − möglichst auf dem Niveau der amerikanischen Automobilherstellung − sah Gropius als Weg zur Überwindung der Wohnungsnot.14 Das implizierte für ihn die Erforschung neuer Materialien, Konstruktionen und Technologien15 ebenso wie die Frage nach neuen Bedürfnissen und Lebensweisen der Menschen, dem Verhältnis von Mensch und Natur in einer sich rasant verändernden und zunehmend globalisierten Industriegesellschaft.16  Es charakterisiert die menschliche Größe von Walter Gropius, dass er seine eigenen Ambitionen zurückstellte, als der jüngste Bauhaus-Meister, der Maler und Grafiker Georg Muche in einer Vollversammlung des Bauhauses seine Ideen für ein modernes Wohnhaus vorstellte und damit die Studierenden begeisterte: das Haus Am Horn. Muche schlug ein Wohnhaus für eine dreiköpfige Familie vor, die ohne Hauspersonal auskommen sollte und in dem die Frau durch pflegeleichte Materialien, moderne Haustechnik und geschickte Raumorganisation von traditioneller Hausarbeit entlastet würde.17 Im Mittelpunkt stand die Kommunikation in Familie und Freundeskreis. Deshalb organisierte Muche auf einer Grundfläche von 12,7×12,7 m alle Bereiche um einen zentralen Hauptraum von 6×6 m, der nur durch die angegliederte Arbeitsnische an die Außenwand grenzt. Über den Wohnraum erreicht man das Speisezimmer sowie das Zimmer der Dame und des Herrn mit dazwischen liegendem Bad. Der kleine Flur erschließt in der Hauptachse den Wohnraum, links Küche und WC sowie rechts ein Gästezimmer. Von der Küche aus erstreckt sich eine Zimmerfolge über das Speisezimmer zum Kinderzimmer, sodass der Kontakt zu den Kindern auch während der Küchenarbeit erhalten bleibt. Die Küche ist als reine Arbeitsküche konzipiert, so wie sie wenige Jahre später von Margarete Schütte-Lihotzky als »Frankfurter Küche« vollendet weiterentwickelt und tausendfach gebaut wurde.18 Die beschriebenen Räume 14 Vgl. Walter Gropius: Programm zur Gründung einer allgemeinen Hausbaugesellschaft auf künstlerisch einheitlicher Grundlage m.b.H., 1910, in: Hartmut Probst, Christian Schädlich: Walter Gropius, Band 3: Ausgewählte Schriften, Berlin 1987, S. 18–25. 15 Walter Gropius und Adolf Meyer planten den Aufbau eines Versuchsplatzes und die Einbeziehung der Bau- und Ingenieurwissenschaften am Bauhaus, wie es das Schema des Studiengangs am Bauhaus 1922 dokumentiert. 16 Dieses Thema beeinflusste den Diskurs am Bauhaus Weimar nachhaltig, wie auch zahlreiche künstlerische Arbeiten der Studierenden belegen, beispielsweise Peter Kelers Entwürfe für ein fahrbares oder ein drehbares Haus, Mokka-Maschinen von Theodor Bogler, der Frisiertisch für eine Dame von Marcel Breuer, der Maschinenmensch von Theobald Emil Müller-Hummel oder Kurt Schmidts Mechanisches Ballett. 17 Die Qualifizierung der Entwurfsidee wurde im Zusammenwirken von Muche mit dem Architekturbüro Gropius/Meyer unter Leitung von Adolf Meyer als Teamwork umgesetzt. Mehrere Entwurfsphasen sind überliefert, die die funktionelle Gliederung, aber auch die Gestaltung des Hauses betreffen. 18 Vgl. Klaus Klemp, Matthias K. Wagner (Hrsg.): Das Neue Frankfurt und die Frankfurter Küche. Frankfurt a.M. 2020; Peter Noever: Die Frankfurter Küche von Margarete SchütteLihotzky. Berlin 1992. Den Höhepunkt bildete das Musterhaus Am Horn als Gesamtkunstwerk.

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25 Walter Determann, Entwurf für eine Bauhaussiedlung, Lageplan, 1920. Walter Determann, Entwurf für ein Verwaltungs-, Fest- und Ausstellungshaus der Bauhaussiedlung, 1920.

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100 Jahre Nutzungsgeschichte Alessandro Rintallo Michael Siebenbrodt

61 Die wechselvolle Nutzung des Hauses Am Horn spiegelt in besonderer Weise die politische, soziale und kulturelle Entwicklung Deutschlands in der Weimarer Republik, der nationalsozialistischen Diktatur, der DDR und der Bundesrepublik nach der Wiedervereinigung seit 1990 wider.  Wenige Monate war das Haus ein viel besuchter Muster- und Experimentalbau und Teil der großen Bauhaus-Ausstellung 1923.1 Von 1924 bis 1998 wurde das Haus als Wohngebäude genutzt. Ab 1973 war es im bewohnten Zustand bereits als »Hausmuseum« öffentlich zugänglich, bevor es 1996 zum UNESCO-Welterbe erklärt und 1999 nach Generalsanierung durch den Freundeskreis der Bauhaus-Universität Weimar e.V. als Ausstellungs-, Kultur- und Bildungsort eröffnet wurde. Seit 2019 ist es nach erneuter denkmalpflegerischer Ertüchtigung Teil der Klassik Stiftung Weimar mit ihrem neuen Bauhaus-Museum.  Bereits die Errichtung des Hauses in kürzester Bauzeit von nur vier Monaten im Frühjahr und Sommer 1923 war ein Abenteuer. Ohne staatliche Förderung und in Hochzeiten der Inflation gelang der Bau nur durch die privaten Kredite des Berliner Bauunternehmers Adolf Sommerfeld, für den Gropius mit dem Bauhaus gerade ein großes Wohnhaus errichtet hatte.2 Erschwerend erwies sich der Streik der Thüringer Bauarbeiter, der für dieses Objekt ausgesetzt wurde, weil Gropius mit den Bauhaus-Werkstätten 1922 für das Weimarer Gewerkschaftskartell das Denkmal für die Märzgefallenen realisiert hatte.3  Da die Kredite nicht an Sommerfeld zurückgezahlt werden konnten, fiel diesem nach Ausstellungsende vertragsgemäß das Haus mit dem beweglichen Inventar, den Möbeln, Leuchten und Textilarbeiten von Bauhaus-Studierenden zu, die das Haus für die Ausstellung ausgestattet hatten.4 Vermietung und Verkauf des Hauses erwiesen sich 1923/24 als außerordentlich schwierig,5 sodass zunächst Bauhaus-Studierende als temporäre Bewohner das Haus mit seinem Inventar 6 nutzten und sicherten. Zugleich konnten sie das Haus praktisch erproben und erste Baumängel feststellen, die vor dem Verkauf behoben werden mussten.7  Erst im September 1924 konnte das Haus an den Rechtsanwalt Friedrich Alfred Kühn verkauft werden,8 der bereits vor dem Einzug Reparatur- und Renovierungsarbeiten ausführen ließ. Er bewohnte das Haus mit seiner Lebenspartnerin Johanna Becker und ließ 1926/27 sowie 1933 durch die Weimarer Architekten Ernst Flemming und Georg Hirche umfangreiche Umbauten am Gebäude vornehmen. Das betraf einen Windfang mit Verlagerung der Kellertreppe auf der Nordseite, zwei Räume auf der Ostseite sowie einen Wintergarten als Erweiterung des Zimmers der Dame auf der Südseite.9 Die Ansicht von der Straßenseite blieb davon weitgehend unberührt. Auch der Garten wurde durch den Eigentümer nach seinen Vorstellungen grundlegend umgestaltet. Durch eine hohe Hecke entlang des Zauns und zahlreiche Baumpflanzungen wurde eine romantische Gartenidylle geschaffen und das Haus den Blicken der Öffentlichkeit entzogen.10  Mit der erzwungenen Übersiedlung des Bauhauses nach Dessau zum 1. April 1925 wurde die intensive Rezeption des Hauses Am Horn unterbrochen. Mit den Bauhaus-Bauten in Dessau, insbesondere den Meisterhäusern und der Siedlung Dessau-­ Törten, entstanden Bauten, die den Diskurs zum modernen Wohnen in eine neue Richtung lenkten. Durch die zahlreichen Bauhaus-Absolventen als Lehrende an der Staatlichen Hochschule für Architektur und Baukunst in 1 Vgl. Staatliches Bauhaus Weimar 1919–1923. Weimar 1923; Adolf Meyer: Ein Versuchshaus des Bauhauses in Weimar. München 1925; Klaus-Jürgen Winkler: Bauhaus-Alben 4. Weimar 2009. 2 Vgl. Klaus-Jürgen Winkler: Die Architektur am Bauhaus in Weimar. Berlin, München, 1993, S. 95–110 und S. 36–41. 3 Winkler (Anm. 2), S. 63–74. 4 Zur Finanzierung und Vertragsgestaltung mit Adolf Sommerfeld vgl. Alessandro Rintallo, Miniatur der Moderne? Ein Vermittlungsversuch der fast 100-jährigen Bau- und Nutzungsgeschichte des Hauses Am Horn. Masterarbeit, Bauhaus-Universität Weimar, 2020, S. 38–44. 5 Vgl. Rintallo (Anm. 4), S. 49–65. 6 Auflistung der ursprünglichen Einrichtung des Hauses Am Horn, November 1923. Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, Bauhaus 47, Bl. 118–123. 7 Vgl. Auflistung baulicher Mängel am Haus Am Horn, Januar 1924. Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, Bauhaus 46, Bl. 100–101. 8 Vgl. Rintallo (Anm. 4), S. 60–64. 9 Vgl. Rintallo, S. 90–96, Veranda-­ Anbau S. 104–110, bauliche Erweiterungen 1933, S. 126–136. 10 Vgl. Rintallo (Anm. 4), S. 118– 123.

62 Weimar unter Leitung von Otto Bartning lebte die Erinnerung an das Haus Am Horn aber weiter, zumal Erich Dieckmann, Ludwig Hirschfeld-Mack, Otto Lindig, Wilhelm Wagenfeld und Richard Winkelmayer direkt am Haus und an der Ausstellung 1923 beteiligt waren.  Mit den Landtagswahlen am 8. Dezember 1929 wurde die NSDAP zweitstärkste politische Kraft in Thüringen und an der Regierung beteiligt. Wilhelm Frick leitete als stellvertretender Ministerpräsident und zuständiger Minister die erste direkte Aktion »entartete Kunst« ein, entließ alle Bauhaus-Lehrkräfte der Bauhochschule und etablierte den langjährigen Sympathisanten des Nationalsozialismus, den Architekten Paul Schulze-Naumburg, als neuen Direktor. Die Bauhaus-Moderne wurde offiziell zum kulturpolitischen Feindbild erklärt, die ModerneAbteilung an den Staatlichen Kunstsammlungen zu Weimar auf ministerielle Anweisung hin geschlossen und die verbliebenen Kunstwerke des Bauhauses in den Hochschulgebäuden zerstört oder übermalt.  Der Abriss des Hauses Am Horn wurde spätestens 1933 als Übungsaufgabe an der Bauhochschule durchgespielt. Das belegt kurioserweise der erhaltene Entwurf Rudolf Ortners, der zuvor am Bauhaus in Dessau und Berlin studiert hatte. Nach der endgültigen Schließung des Bauhauses 1933 empfahl Ludwig Mies van der Rohe seinem Studierenden die Fortsetzung des Studiums in Weimar. Und die erste große Entwurfsaufgabe sah den Ersatz des Hauses Am Horn durch den Neubau eines Einfamilienhauses nach den Vorgaben Schulze-Naumburgs vor. Ortner entschied sich für eine Adaption des Goethe-­ Gartenhauses mit Ausrichtung nach Süden.11  Ende der 1930er Jahre wurde das Haus Am Horn mit seinem Grundstück in die Planungen der Deutschen Arbeitsfront (DAF) für ihr zentrales Schulungsprojekt, der »Adolf-­ Hitler-Schule« (AHS) involviert. In diesem Kontext verkaufte Kühn das Haus an die DAF. Das Vorhaben AHS wurde wegen des Kriegsbeginns 1939 nicht weiterverfolgt und schließlich aufgegeben. Das Haus Am Horn entging so dem geplanten Abriss und wurde 1938 bis 1945 an den Major und Reserveoffizier Ewald Zoeth und dessen Familie vermietet.12  Nach der Besetzung Weimars durch die amerikanische Armee im April 1945 und die Übergabe an die Sowjetische Militäradministration am 6. Juli 1945 wurden alle Nazi-Organisationen enteignet und das Haus als Eigentum an den FDGB (Freier Deutscher Gewerkschaftsbund) übergeben und durch die Stadt Weimar verwaltet. 1951 wurde es zum »Volkseigentum« erklärt, der Stadt Weimar übertragen und durch die Kommunale Wohnungsverwaltung (KWV) verwaltet.13  Wie schon nach dem Ersten Weltkrieg wurde der knappe Wohnraum auch nach 1945 zwangsbewirtschaftet. Das bedeutete die Zuweisung von Wohnraum mit Berechtigungsscheinen und die Aufteilung des Hauses Am Horn 1946/47 auf bis zu drei Parteien mit zehn Personen. In den 1950er Jahren lebten im Haus die Ehepaare Weinert und Zeuner sowie die Familie Glimm mit zwei Kindern.  Mit dem Auszug der Familie Glimm 1970 verblieb nur noch die 1963 eingezogene Buchbindemeisterin Christa Martin im Haus. So konnte die junge Familie Marlis und Bernd Grönwald14 mit ihren Söhnen Jens und Ingo in den größeren Teil des Hauses einziehen. Als MitarbeiterInnen der Hochschule für Architektur und Bauwesen kannten sie die Geschichte und den kulturhistorischen Wert des Gebäudes. Sie enga11 Vgl. Rudolf Ortner: Einfamilienhaus »Am Horn«, Hochschule Weimar, Sommersemester 1933, Archiv Deutsches Architekturmuseum Frankfurt a.M. 12 Vgl. Rintallo (Anm.4), S. 154– 162. 13 Vgl. Rintallo (Anm.4), S. 163. 14 Bernd Grönwald wurde nach seiner Zeit als Oberassistent und Parteisekretär 1979 zum Professor für Architekturtheorie an der HAB Weimar berufen. Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/ Bernd_Grönwald; seine Frau Marlis wirkte lange Jahre als Leiterin der Kustodie. 15 Bereits 1964 hatte der ehemalige Bauhäusler Konrad Püschel als Dozent der Weimarer Hochschule mit Studierenden eine Bauaufnahme des Bauhaus-Gebäudes in Dessau in Vorbereitung geplanter Bau- und Restaurierungsmaßnahmen vorgenommen. In diesem Kontext regte Prof. Hermann Räder auf einer Tagung in Weimar im Oktober 1964 die Rekonstruktion des Hauses Am Horn mit anschließender Einrichtung einer Ausstellung an.

63 gierten sich sofort für das Haus, sowohl hinsichtlich seiner baulichen Erhaltung als auch für die Erlangung des Denkmalstatus.15 Bernd Grönwald wurde neben Christian Schädlich zum wichtigsten Organisator und Ideengeber für die Bauhaus-Forschungen in der DDR, die bereits 1976 in die Internationalen Bauhaus-Kolloquien an der Weimarer Hochschule mündeten. Dabei wurde das Haus Am Horn zu einem wichtigen Treffpunkt, in dem durch die Familie Grönwald ab 1973 im ehemaligen Wohnraum eine Kabinettausstellung eingerichtet wurde. Die Miete für diesen Raum, der nun nach Anmeldung öffentlich zugänglich war, übernahm die Hochschule. Als Frau Martin 1980 auszog, konnte endlich die störende Trennwand zwischen Wohnraum und Arbeitsnische entfernt werden und 1983 einen vergrößerten Raum für eine zweite Kabinettausstellung bieten. 1985 wurde eine Ausstellung zum 90. Geburtstag des Bauhaus-Meisters Georg Muche präsentiert, der »sein« Haus mehrfach besuchte.  Die Entspannung der Belegung im Haus Am Horn seit den 1970er Jahren hatte zumindest indirekt auch mit dem Wohnungsbauprogramm der DDR zu tun, das ab 1971 die akute Wohnungsnot beseitigen sollte.16 Rationalisierung im Bauwesen mit dominierendem Plattenbau und die komplexe Ausstattung der neuen Wohngebiete mit sozialen Einrichtungen wurden kulturpolitisch mit dem Rückblick auf den sozialen Wohnungsbau der 1920er Jahre und das Bauhaus-Erbe verknüpft. 1971 wurden 86 700 und 1979 162 000 Wohnungen übergeben, bis 1990 insgesamt 1,92 Millionen. Auch in Weimar entstanden drei große Neubaugebiete, ab 1962 Weimar-Nord mit 2 600 Plattenbau-Wohnungen und 6 000 Einwohnern, Weimar-West ab 1977 mit 3 250 Wohnungen und etwa 7 000 Einwohnern17 und ab 1985 Schöndorf-Waldstadt. So konnten innerhalb von 20 Jahren mehr als 25 Prozent der Einwohner Weimars neugebaute Wohnungen beziehen.  Das Haus Am Horn war seit 1976 stets offizieller Bestandteil der Internationalen Bauhaus-Kolloquien und beliebter Treff der ehemaligen BauhäuslerInnen mit Architekten sowie Architektur- und DesignhistorikerInnen aus aller Welt.18 In entspannter Atmosphäre wurde über die Geschichte des Bauhauses ebenso diskutiert wie über aktuelle Tendenzen in Politik, Kunst und Architektur. Die Ehrendoktorwürde der Hochschule für Architektur und Bauwesen Weimar (heute Bauhaus-Universität) für Georg Muche 1979 basierte auf seinem architektonischen Werk,19 das mit dem Haus Am Horn begann, ebenso wie auf seinem pädagogischen Wirken am Bauhaus und darüber hinaus.  Ab 1973 lud Familie Grönwald ausländische Studierende und MitarbeiterInnen zur Feier des 1. Mai in Haus und Garten ein, kleinere Kreise auch zu Weihnachtsfeiern.20 Schließlich integrierten sie das Haus ab 1979 in den Einführungskurs der Architekturstudierenden der Hochschule für Architektur und Bauwesen (HAB) Weimar. Die Geschichte 16 Vgl. https://de.wikipedia.org/ wiki/Wohnungsbauprogramm_ (DDR). 17 Vgl. www.weimar-west.de. 18 Vgl. Erstes Internationales Bauhaus-Kolloquium »50 Jahre Bauhaus Dessau«, Tagungsband. In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Hochschule für Architektur und Bauwesen 23 (1976), H. 5/6. 19 Vgl. Zweites Internationales Bauhaus-Kolloquium. Tagungsband. In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Hochschule für Architektur und Bauwesen 26 (1979), H. 4/5. 20 Sie setzten damit bewusst die Tradition der legendären Bauhaus-Feste fort. 1929 wurde die NSDAP zweitstärkste politische Kraft in Thüringen.

70 Blick auf den Fotoprint der Zwischenwand im Hauptraum des Hauses Am Horn, nach 1973. Überarbeitete Dauerausstellung (Kabinettausstellung) im Haus Am Horn, Ecke zwischen Flurtür und Speiseraumtür, um 1983. Blick in den Ausstellungsraum im Hauptraum Haus Am Horn, Klischeedruck.

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73 Georg Muche zu Besuch im Haus Am Horn anlässlich des 3. Internationalen Bauhaus-Kolloquiums. Links Bernd Grönwald, Juli 1983. Führung einer Gruppe der »Bartlett International Summer School« durch Marlis Grönwald im Haus Am Horn, 11.9.1986. Geselliges Beisammensein im Garten des Hauses Am Horn, wahrscheinlich im Rahmen des 2. Internationalen Bauhaus-­ Kolloquiums 1979. V.l.n.r.: Claude Schnaidt, Ursula Schädlich, Christian Schädlich, Marlis Grönwald, Bernd Grönwald.

Die denkmalpflegerische Sanierung 1998 bis 1999 und 2010 Thomas Wittenberg

89 Das Haus Am Horn hat im Laufe seiner Geschichte mehrere Eigentümer und Nutzer gehabt und wurde bereits kurz nach seiner Errichtung, ohne Einfluss des Bauhauses, wesentlich verändert. An der Nordseite wurde ein Eingangsbau mit Windfang und Vordach sowie einer neuen Kellertreppe zur Vergrößerung des Flurs angebaut, an der Südseite eine Veranda am Zimmer der Dame. Der größte Eingriff erfolgte mit der Erweiterung des Esszimmers und des Kinderzimmers nach Osten sowie mit dem Anbau eines zusätzlichen Raums mit Unterkellerung, die durch eine Außentreppe erschlossen wurde. Neben dem erforderlichen Abriss von Außenwänden wurden auch im Inneren einzelne Wände versetzt und neue Türöffnungen hergestellt. Darüber hinaus wurde das gesamte Gartengelände komplett umgestaltet und mehrere Garagen und Geräteschuppen sowie ein Hundezwinger errichtet.1  Durch ungenügenden Bauunterhalt hatten sich nach 75 Jahren gravierende Schäden am Gebäude eingestellt. Sie waren die Folge mangelnder Wartung in der Kriegs- und Nachkriegszeit mit teilweise dramatischer Überbelegung des Hauses. Auch in den folgenden Jahrzehnten wurden in der DDR andere Prioritäten im Wohnungsbau gesetzt, sodass erst ab den 1970er Jahren durch Initiative der Familie Grönwald als Mieter mit Unterstützung der Hochschule für Architektur und Bauwesen akute Baumängel beseitigt werden konnten.  In den 1990er Jahren verstärkten sich die Bauschäden und veranlassten die Weimarer Wohnstätte als Eigentümer, Untersuchungen zum Baugrund und Tragwerk sowie zur Bauphysik des Hauses durchzuführen. Schäden am Eingangsbauwerk und Risse in der Dachabdichtung wurden vermutlich durch Bewegungen im Baugrund hervorgerufen. Der ermittelte Sanierungsaufwand überstieg die durchschnittlichen Kosten für eine Wohnungseinheit wesentlich und wurde deshalb als wirtschaftlich nicht angemessen eingeschätzt.  1996 wurde das Haus als Teil der Bauhaus-Stätten zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt. Parallel dazu gab es Aktivitäten zur Finanzierung der Sanierung und Trägerschaft des Hauses. Es wurde ein Sanierungs- und Nutzungskonzept diskutiert, das die Wiederherstellung des Hauses in seiner räumlichen Fassung von 1923 mit dem Freundeskreis der Bauhaus-Universität Weimar e.V. und einem Designinstitut der Bauhaus-Universität Weimar als Nutzer vorsah. Die Sparkassen-Finanzgruppe Hessen-Thüringen übernahm den Hauptteil der Finanzierung, die durch Förderungen der Bundesrepublik Deutschland, des Freistaates Thüringen und der Stiftung Denkmalschutz ergänzt wurde. Der Freundeskreis als Bauherr unter Leitung von Bernd Rudolf ließ sich für die Sanierung durch die Gesellschaft für Kommunalbau in Thüringen mbH vertreten. Die architektonische Planung lag beim Architekturbüro Schettler & Wittenberg,2 die Gartenplanung bei den Landschaftsarchitekten DANE. Darüber hinaus wurde eine baubegleitende Projektgruppe mit Dieter Bauhaus, dem Vorstandsvorsitzenden der Sparkasse Weimar, und Heiko Schulz, dem Kanzler der Bauhaus-Universität Weimar, berufen, in der sich auch ein denkmalpflegerisches Beratungsteam mit Barbara Happe und Michael Siebenbrodt formierte.3  Die bauhistorische Recherche begann mit dem Bauhausbuch 3 »Ein Versuchshaus des Bauhauses in Weimar«, das von Adolf Meyer, dem Bauhaus-Meister und Büropartner von Walter Gropius, zusammengestellt worden war. Darin sind Firmen und Baumaterialien ebenso dokumentiert wie die beteiligten Studierenden 1 Vgl. Thomas Wittenberg: Schwerpunkte der denkmalpflegerischen Sanierung, in: Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen, Thomas Wurzel (Hrsg.): Das Haus »Am Horn«. Denkmalpflegerische Sanierung und Zukunft des Weltkulturerbes der UNESCO in Weimar. Frankfurt a.M. 1999, S. 24–31, S. 50. 2 Thomas Wittenberg: Haus Am Horn. Baukonstruktion und Bauweise, S. 32–33; Die Instandsetzung der Außenwand, S. 60; Der partielle Ersatz der Außenwand, S. 61; Die Dachabdichtung, S. 64; Das Opakglas, S. 70; Die Fußbodenbeläge, S. 71; Die Fenster, S. 78; Sonnenschutzeinrichungen, S. 79, in: Freundeskreis der Bauhaus Universität Weimar e.V. (Hrsg.): Haus Am Horn. Rekonstruktion einer Utopie. Weimar 2000 (Konzeption, Realisation und Redaktion: Bernd Rudolf). 3 Vgl. Wittenberg (Anm. 1), S. 63.

90 am Ausbau und der Ausstattung des Hauses.4 Die verwendeten, unretuschierten Originalfotos befanden sich in den »Bauhaus-Alben« im Archiv der Bauhaus-Universität. Sie wurden im Auftrag des Bauhaus-Direktors Walter Gropius bereits 1923 in einem Fotoalbum zusammengestellt und beschriftet.5  Darüber hinaus wurde im Thüringischen Hauptstaatsarchiv Weimar, im Bauaktenarchiv der Stadt Weimar sowie im Archiv der Familie Grönwald zur Planung, zum Bau, zu den Bauschäden sowie den Bau- und Sanierungsmaßnahmen am Gebäude und Grundstück bis 1998 recherchiert.6  Nach dem Auszug der Familie Grönwald erfolgten ab Mai 1998, und auch noch baubegleitend, Untersuchungen zur originalen Farbfassung durch Thies Müller. Darüber hinaus wurden eine metallrestauratorische Stellungnahme und eine Einschätzung der bestehenden haustechnischen Anlage eingeholt. Die Bestandskartierung aller Oberflächen bildete die Grundlage für die spätere maßliche Zuordnung und Wiederherstellung nicht mehr vorhandener An- und Einbauteile, beispielsweise der Leuchten.  Die Wiederentdeckung der komplexen Farbigkeit im Haus Am Horn war die größte Überraschung der denkmalpflegerischen Befunde. Und sie musste überhaupt erst durch das Beraterteam durchgesetzt werden. Das betraf nicht nur die Farbuntersuchung aller Wand- und Deckenflächen, sondern auch den Holzanstrich von originalen Türen, Fenstern und Einbaumöbeln bis hin zu den farbigen Opakgläsern als Fußbodenleisten und Wandverkleidungen sowie Bodenbelägen. Die Ergebnisse waren umso wertvoller, da es keinen Farbentwurf für das Haus gab. Die befundeten Probeanstriche im Wohnraum belegen, dass der endgültige Anstrich vor Ort festgelegt worden war. So konnte ein weiteres wichtiges Objekt farbiger Architektur des Bauhauses rekonstruiert werden, das den Mythos der »Weißen Moderne« widerlegt.7  Bei der Restaurierung des Hauses Am Horn als UNESCO-Weltkulturerbe hatte der sorgfältige Umgang mit der historisch überlieferten Bausubstanz besondere Priorität. Alle Bauelemente wurden begutachtet und erfasst. Beschädigte und nicht mehr nutzbare Bau- und Ausbauteile wurden gesichert, dokumentiert und im ehemaligen Vorratsraum des Kellers in einem Regalsystem eingelagert.8  Nach dem Rückbau und der baukonstruktiven Wiederherstellung von Wänden, Decken, Kellertreppe und Lichtschächten folgte die Erneuerung aller nicht mehr im Original erhaltenen Metall- und Holzfenster bis zu den Metallkonstruktionen für die Rollos. Die verlorenen Fußbodenleisten und Wandbekleidungen aus Opakglas in Küche und Bad konnten leider nicht mit dem ursprünglichen Material ersetzt werden. Dieses Problem wurde durch die Fehlinterpretation der retuschierten Fotos verstärkt, die deutliche Fugen an den Wänden zeigen. Statt der ursprünglich realisierten pflegeleichten und besonders hygienischen Verkleidung mit großen Glastafeln, die fugenlos versetzt wurden, führte man bei der Rekonstruktion dunkelgraue Fugen ein.9  Originale Einbauteile wie Leuchten, Türen, Fenster, Türgriffe und Fensterriegel sowie Einbaumöbel wurden restauratorisch bearbeitet 4 Staatliches Bauhaus Weimar, Adolf Meyer (Hrsg.): Ein Versuchshaus des Bauhauses in Weimar (Bauhausbücher 3). München 1925. 5 Vgl. Klaus-Jürgen Winkler (Hrsg.): Haus am Horn, Architektur, Bühnenwerkstatt, Druckerei (Bauhaus Alben 4) Weimar 2009. 6 Diese Recherche lässt sich in der Masterarbeit von Alessandro Rintallo an der Bauhaus-Universität Weimar 2020 detailliert nachvollziehen. 7 Vgl. Michael Siebenbrodt: Der Wohnraum Adolf Meyers in Weimar. Ein Gesamtkunstwerk mit Wandbildern von Oskar Schlemmer und Werner Gilles im Kontext der Bauhaus-Ausstellung 1923, in: Hellmut Th. Seemann, Thorsten Valk (Hrsg.): Klassik und Avantgarde. Das Bauhaus in Weimar 1919–1925. Göttingen 2009, S. 203–223. 8 Bei den Vorbereitungen der Baumaßnahmen 2018/19 wurde nicht nur das Gebäude digital vermessen, sondern auch die gesicherten Artefakte digital inventarisiert. 9 Zu dieser Fehlinterpretation trugen hauptsächlich die retuschierten Fotos bei, die offensichtlich auch Adolf Meyer nicht beanstandet hat. Aber auch die Originalfotos zeigen wesentlich schmalere Stoßkanten der Glaselemente, die aber optisch nicht beabsichtigt waren. 10 Vgl. Klaus-Jürgen Winkler: Bauhaus-Alben 2. Weimar 2007; Klaus Weber: Die Metallwerkstatt am Bauhaus. Berlin 1992.

91 und ergänzt, etwa im Zimmer der Dame. Im Zimmer des Herrn wurde eine Schrankattrappe eingebaut, um die ursprüngliche räumliche und ästhetische Situation erlebbar zu machen.  Im Haus Am Horn wurde das Licht durch das Bauhaus als komplexes Gestaltungsmittel eingesetzt. Das betraf die natürliche Belichtung mit den Oberlichtbändern im Wohnraum, bei dem die MattglasVerglasung wiederhergestellt wurde, bis hin zum Oberlicht im Flur. Dazu gehörten aber auch die wieder eingebauten hellen Rollos als Sonnen- und Sichtschutz vor allen Fenstern der Wohnräume, die eine meditative Atmosphäre erzeugen können.  Ähnlich kreativ wurde schon 1923 auch mit dem elektrischen Licht umgegangen. Das begann mit der Einbauleuchte am Eingang, den Leseleuchten im Zimmer der Dame und des Herrn bis hin zur Beleuchtung von Waschtisch und Wanne im Bad. Eine Besonderheit bildete der beleuchtete Schacht des Oberlichtes im Flur. Im Kinderzimmer und im WC waren auch halbkugelförmige Keramikelemente als Reflektoren der Glühbirnen in die Decke eingebaut. All diese Bauteile wurden restauratorisch überarbeitet und die Elektroinstallation erneuert. Die Deckenleuchten im Esszimmer und im Kinderzimmer wurden als Kopien ergänzt, wobei die originalen Verschraubungen und Fotografien als Referenzen dienten. Die Leuchten wurden durch die Metallwerkstatt des Bauhauses angefertigt.10  Ein wesentliches Element der Lichtgestaltung bildeten Soffittenleuchten, die als Wand-, Decken- und Spiegelleuchten genutzt wurden. Diese industriellen Massenprodukte wurden in zwei Modellen im Haus eingesetzt. Sie verschwanden im Laufe der Zeit und wurden teilweise durch andere Leuchten ersetzt. Mithilfe von Fotografien konnten im Zuge der Befundungen sämtliche Holzdübel zur Befestigung der Leuchten in Wänden und Decken entdeckt werden. Bei der damaligen Recherche der Soffittenproduktion stellte sich heraus, dass sie zur Zeit der Sanierung des Hauses noch in den Abmessungen der 1920er Jahre hergestellt wurden. Nur die Konstruktion der Leuchte stellte sich als besondere Herausforderung heraus, da aktuelle Sicherheitsstandards zu erfüllen waren. Um die ursprüngliche Lichtstärke und warme Lichtwirkung zu erzielen sowie die Lebensdauer wesentlich zu verlängern, wurden die Soffitten gedimmt.  Das Nutzungskonzept des Hauses bedingte zahlreiche bauliche Veränderungen gegenüber dem Original. Das bedeutete den Einbau von doppelt verglasten Fenstern mit breiteren Rahmenprofilen überall dort, wo keine Originalfenster mehr vorhanden waren. Das bedeutete auch, neue Sanitäranlagen in Bad und WC zu installieren. Die Küche wurde in Anlehnung an das Original neu gestaltet. Schließlich wurde im ehemaligen Gästezimmer das Büro für den Freundeskreis mit großem Einbauregal eingerichtet. Auch die neue Heizungsanlage folgte nicht dem Ursprungszustand, sondern zeitgemäßen Erkenntnissen und Vorschriften. Zu den aktuellen »Zutaten« gehörten zusätzliche Steckdosen und Leuchten bis hin zu Brand- und Bewegungsmeldern. Der Freundeskreis ergänzte noch Hängeleisten an den Wänden für seine Ausstellungsvorhaben.  Die vorgegebene Nutzung des Hauses stellte sich rasch als Fehler heraus. Das Designbüro der Bauhaus-Universität kollidierte mit der öffentlichen Nutzung als Bauhaus-Ikone und Ausstellungs- und Begegnungsort des Freundeskreises mit internationalem Publikum. Nach zwei Jahren wurde das Haus Am Horn zur alleinigen Nutzung durch den Freundeskreis freigemacht. Im Haus Am Horn wurde das Licht durch das Bauhaus als komplexes Gestaltungsmittel eingesetzt.

92 So wurden zahlreiche bauliche Elemente obsolet, die aber das UNESCO-Objekt bis zur Restaurierung 2018/19 negativ begleiteten.11  Nach der Sanierung traten zahlreiche bauliche Probleme auf, die durch den Freundeskreis behoben oder zumindest beherrscht werden mussten. So traten beim erneuerten Außenputz ohne Spritzwassersockel die gleichen Schäden auf wie am Original Mitte der 1920er Jahre. Dieser konstruktiven Schwachstelle konnte nur mit Putzausbesserungen und der systematischen Reinigung der Spritzwasserzone begegnet werden.  An den einfach verglasten Originalfenstern trat starker Tauwasseranfall auf, wie er bereits im Winter 1923/24 von Bauhaus-Studierenden dokumentiert worden war. Das gefrierende Tauwasser sprengte regelmäßig die Einbruchmelder von den Scheiben ab, die neu verklebt werden mussten.  Die originalen Innenwände des Kellers waren nicht gegen Feuchtigkeit gesperrt und führten zur ganzjährig erhöhten Feuchtigkeit und nur bedingten Nutzbarkeit der Kellerräume. Selbst mobile Entfeuchtungsgeräte konnten das Problem nur bedingt reduzieren. Eine konsequente Lüftung durch alle Lichtschächte brachte die besten Ergebnisse.12  Auch die Außenanlagen wurden 1999 nur teilweise auf den Originalzustand zurückgeführt. Das betraf die gesamte Einfriedung mit Zaun und Hecke, aber auch den gewachsenen Baumbestand. Die verlegte Grundstücksgrenze zum Haus Am Horn 62 mit Garagenbebauung besaß Bestandsschutz. Auch die Geländemodellierung des Grundstücks war im Laufe der Jahre verändert worden, Gartenwege und Treppen waren verschwunden. Aber ein Plan zur mittelfristigen Rekonstruktion des Gartens wurde bereits 1999 vorgelegt13 und zum Impuls für die weitere Arbeit des Freundeskreises.  Aufgrund von UNESCO-Fördermitteln erhielt der Freundeskreis der Bauhaus-Universität e.V. 2010 die Möglichkeit, weitere Maßnahmen dieses Konzeptes umzusetzen. So konnten der alte Lattenzaun und die Hecke entfernt werden, um eine Kopie des ursprünglichen Zauns entlang der Straße Am Horn und eines Teils des Wegs an der Südseite des Grundstücks zu errichten.14 Der Neubau eines Tores an der Südostseite der Einfriedung gewährleistete die Zufahrt zum Garten. Im Zuge dieser Arbeiten wurde das Gelände neu modelliert und der ursprünglich umlaufende Weg mit seinen kleinen Treppenanlagen wieder angelegt. Anschließend wurden die Rasenflächen wieder hergestellt. Mit diesen umfangreichen Arbeiten konnte auch der Baumbestand auf der Fläche des ehemaligen Gemüsegartens und der großen Rasenfläche im Süden reduziert werden – ein nächster Schritt auf dem Weg zum Originalzustand. Der Freundeskreis leistete den geforderten finanziellen Anteil der Fördergelder aus eigenen Mitteln.  Die Bemühungen des Freundeskreises zur Ergänzung der Einbaumöbel im Zimmer der Dame blieben allerdings erfolglos, da die beantragten Fördermittel nicht gewährt wurden.15  Die Evaluierung und Ergänzung der UNESCO-Welterbestätten des Bauhauses sowie die vom Freundeskreis initiierte Übertragung der Rechtsträgerschaft zur Klassik Stiftung Weimar mit seinem Bauhaus-Museum eröffnete seit 2017 auch neue Perspektiven für die erneute Sanierung und denkmalpflegerische Ertüchtigung des Hauses Am Horn.16 11 Bei der Evaluierung und Ergänzung der Bauhaus-Stätten durch die UNESCO-Kommission 2016/17 spielten diese Fakten eine wesentliche Rolle. Vgl. Monika Markgraf: Welterbestätte Bauhaus. Leipzig 2017. 12 Die Entfeuchtungsgeräte zogen vermutlich zusätzlich Feuchtigkeit aus dem Erdreich hinter den durchlässigen Kellerwänden. 13 Vgl. Heiko Donath: Der Garten des Hauses »Am Horn«, in: Wittenberg (Anm.1), S. 42–51, Plan S. 51. 14 Ein Rest des Originalzauns konnte gesichert werden und diente als Vorlage für die Rekonstruktion. 15 Der Freundeskreis der Bauhaus-Universität Weimar e.V. wurde als Rechtsträger und Nutzer des Hauses Am Horn lediglich durch die Bauhaus-­ Universität Weimar durch regelmäßige Mietzahlungen unterstützt, die lediglich die Betriebskosten des Hauses abdeckten. Alle Projekte, die Öffnung des Hauses für die Öffentlichkeit mit studentischen Hilfskräften und die bauliche Erhaltung des UNESCOWelterbes wurden ausschließlich durch den Freundeskreis organisiert und finanziert. 16 Die Auszeichnung des Hauses Am Horn mit dem »Europa Nostra Award 2021« zeigt die internationale Wertschätzung auch für die denkmalpflegerischen Leistungen an diesem UNESCO-WelterbeObjekt.

Haus Am Horn Zustand vor der Sanierung, Oktober 1994 Detail im Eingangsbereich. Detail der äußeren Metallfenster, Obergaden im Hauptraum, Fußpunkt der korrodierten und durch Lasteintrag aus der Decke verformten Metallprofile, Detail Eingangsbereich. Detail im Eingangsbereich.

Vom Wohnhaus zum Ausstellungsort Vom Bauhaus zu aktuellsten Strömungen in Kunst, Design, Architektur und Bauwissenschaften von 1999 bis 2016 Michael Siebenbrodt

109 Nach der Generalsanierung wurde das Haus Am Horn mit der Ausstellung »Georg Muche – Malerei. Bauhaus Weimar – Design« im April 1999 als Projekt des Freundeskreises der Bauhaus-Universität Weimar und der Kunstsammlungen zu Weimar mit seinem Bauhaus-Museum eröffnet.1 Haus und Exposition waren zugleich wichtige Elemente für Weimars Rolle als Europäische Kulturhauptstadt 1999. Bis zur Übergabe des Hauses 2017 an die Klassik Stiftung Weimar mit ihrem neu errichteten Bauhaus-Museum organisierte der Freundeskreis dort 65 Ausstellungen mit drei inhaltlichen Schwerpunkten: Bauhaus und Klassische Moderne, künstlerische Positionen von AbsolventInnen der Hochschule für Architektur und Bauwesen nach 1945 sowie aktuelle Statements aus Kunst und Wissenschaft an der Bauhaus-Universität Weimar. Dabei bildete das Haus Am Horn als Teil des UNESCO-Welterbes »Die Bauhaus-Stätten in Weimar und Dessau« stets den innovativen Rahmen für die temporären Ausstellungen, teilweise ergänzend oder aber im Kontrast zu den aktuellen Themen.2  Das Nutzungskonzept für das Haus Am Horn sah nach der Sanierung eine Aufteilung für Aktivitäten des Freundeskreises und ein Designinstitut der Bauhaus-Universität als Mieter vor.3 Mit den Mieteinnahmen sollten die Betriebskosten des Hauses gedeckt werden. Der Freundeskreis nutzte den Wohnraum mit seiner Arbeitsnische für Veranstaltungen und Ausstellungen, das Gästezimmer als Vereinsbüro. Küche und Keller wurden durch beide Partner genutzt. Die vier Räume vom Zimmer des Herrn bis zum Esszimmer waren dem Institut vorbehalten. Dieses Nutzungsmodell stellte sich für beide Seiten als problematisch heraus und wurde besonders durch internationale Besucher kritisiert, die nur einen kleinen Teil des Hauses besichtigen konnten. Ab 2001 wurde das Haus komplett durch den Freundeskreis genutzt, und dieser konnte nun größere Ausstellungen mit bis zu 150 Exponaten auf 100 Quadratmetern realisieren.4  Dazu wurden Hängeleisten montiert, einfache Ausstellungstische passgenau gefertigt, während Vitrinen bei Bedarf von der Klassik Stiftung ausgeliehen wurden. Einbruch- und Volumensicherung gehörten zur technischen Ausstattung,5 ebenso die Brandmeldeanlage und eine moderne Zentralheizung. Eine Klimaanlage und ein Verdunklungssystem kamen aus denkmalpflegerischen Gründen nicht infrage, sodass hochkarätige Kunstausstellungen ausgeschlossen waren. Gelegentlich wurden diese Defizite durch Abdecken der Werke mit schwarzem Tuch außerhalb der Öffnungszeiten minimiert – Not macht erfinderisch.  Aufsicht, Kassierung von Eintrittsgeldern und Publikationsverkauf wurden durch ein Team von Studierenden der BauhausUniversität übernommen, das durch den Freundeskreis museumspädagogisch geschult und sicherheitstechnisch eingewiesen wurde. Diese Studierenden realisierten unter Anleitung auch die Verpackung und den Transport der Exponate sowie den Auf- und Abbau der Ausstellungen. So erhielten sie Einblicke in praktische Museumsarbeit. Diese Gruppe von etwa zehn Studierenden wurde jährlich neu zusammengestellt, oft mit mehr als 50 Prozent ausländischer Studierender, die damit ihr Studium finanzieren konnten. Der Freundeskreis der BauhausUniversität wurde damit auch zu einem erfolgreichen Arbeitgeber für studentische Hilfskräfte.  Das Haus Am Horn startete mit den üblichen Öffnungszeiten von 1 Vgl. Michael Siebenbrodt: Georg Muche – Malerei. Bauhaus Weimar – Design. Faltblatt. Weimar 1999. 2 Vgl. die Welterbe-Erklärung der UNESCO von 1996 und die Ergänzung von 2017. 3 Der 1993 gegründete Freundeskreis der Bauhaus-Universität Weimar e.V. wurde zum Träger des Hauses, da die Landesregierung eine direkte Anbindung und Finanzierung durch die BauhausUniversität oder die Kunstsammlungen zu Weimar verhindert hatte. Damit änderten sich die Aufgaben des Freundeskreises grundlegend, und der Vorstand wurde persönlich haftbar für ein UNESCO-Welterbe-Objekt. 4 Die Ausstellungen mit den meisten Exponaten, darunter zahlreiche kleinformatige Originalfotos und Dokumente, waren »Bauhaus-Parallelen«, »LohelandWerkstätten« 2012 mit 165 Positionen und »Der Bildhauer Johannes Ilmari Auerbach« 2016 mit 166 Positionen. 5 Diese Sicherheitssysteme waren mit dem beauftragten Wachdienst und der Polizei verbunden, die Brandmeldeanlage direkt mit der Feuerwehr.

110 Museen, im konkreten Fall mit denen des Bauhaus-Museums. Bereits nach zwei Jahren hatten sich die Besucherzahlen nach der Eröffnungseuphorie und dem Kulturstadtjahr eingepegelt. Die Statistik zeigte wenige Besucher in den Wintermonaten und auch an einigen Wochentagen. Die Eintrittsgelder konnten die Ausgaben für die studentischen Mitarbeiter nicht decken, diese gefährdeten damit die finanzielle Basis des Freundeskreises. Da eine Förderung durch die Landesregierung für ihr UNESCO-Welterbe nicht ermöglicht wurde, musste der Vereinsvorstand handeln: Das Haus Am Horn wurde nun von Mitte März bis Anfang November Mittwoch, Samstag und Sonntag von 11 bis 17 Uhr geöffnet. Darüber hinaus wurde das Haus für angemeldete Gruppen und im Rahmen des Bauhaus-Spaziergangs der Bauhaus-Universität zugänglich gemacht. Während der Saison wurden jeweils drei Sonderausstellungen präsentiert, in den Wintermonaten eine Dauerausstellung zum Haus Am Horn.6 Jährlich besuchten durchschnittlich 6 500 Besucher das Haus mit seinen Ausstellungen, 1999 waren es mehr als 12 000 und im Bauhaus-Jahr 2009 als Dependance des Bauhaus-Museums 23 500.  Bereits mit der ersten Ausstellung wurden die wichtigsten Kooperationspartner und Arbeitsmethoden der kommenden Jahre sichtbar, so die enge Zusammenarbeit zwischen der Bauhaus-Universität und dem Bauhaus-Museum an den Kunstsammlungen zu Weimar (heute Klassik Stiftung Weimar).7 Ebenso ertragreich waren die Kontakte zu ehemaligen BauhäuslerInnen und deren Familien sowie zu den ausstellenden KünstlerInnen, die nach Personalausstellungen oft zu Schenkungen an die Kustodie der Bauhaus-Universität oder das BauhausMuseum führten – eine Nachhaltigkeit über institutionelle Grenzen hinaus.  Von Georg Muche wurden dabei erstmals elf seiner Tafel-Fresken öffentlich vorgestellt, die er zwischen 1934 und 1947 als Gegenbilder zur Kulturpolitik der Nationalsozialisten geschaffen hatte. Sein Verleger Ernst J. Wasmuth hatte sie mit weiteren in seinem Wohnraum in Tübingen installiert und in einer großzügigen Schenkung an die Stadt Krefeld und die Kunstsammlungen zu Weimar übereignet.8 Dazu traten vier Gemälde aus der bedeutenden Muche-Sammlung Steinfeld aus Schlüchtern9 sowie zwei Gemälde aus dem Spätwerk, die Muche 1983 als Schenkung direkt für das Haus Am Horn ausgewählt hatte.10 Bauhaus-Design des Jahres 1923 wurde in drei Werkgruppen vorgestellt:11 die Lattenstühle nebst Tisch von Marcel Breuer12 und die Stehleuchte von Gyula Pap im Wohnraum, ein Schreibtisch mit Schreibtischsessel von Erich Dieckmann und Tischleuchte von Jucker/ Wagenfeld13 in der Arbeitsnische sowie der Spielschrank und Leiterstuhl von Alma Siedhoff-Buscher im Kinderzimmer.14 Im Kinderzimmer wurden außerdem der Entwurf zum Gesamtraum und Fotos der Möbel präsentiert.15 Die Grenzen des Nutzungskonzepts für das Haus wurden be6 In dieser Zeit wurde das Haus auch für wissenschaftliche Veranstaltungen und Tagungen der Bauhaus-Universität genutzt, ebenso für die Präsentation und Verteidigung von Masterarbeiten. 7 Der Autor war Leiter des Bauhaus-Museums seit 1992 und Vorsitzender des Freundeskreises seit 2001 (auch Gründungsmitglied 1993 und denkmalpflegerischer Berater für das Haus Am Horn ab 1997). 8 Vgl. Georg Muche: Buon Fresco. Briefe aus Italien über Handwerk und Stil der echten Frescomalerei. Tübingen 1938 (2. Auflage 1950). – Die Fresken wurden vom Autor aus dem Wohnraum Wasmuth demontiert und nach Krefeld und Weimar überführt. 9 Eine größere Muche-Ausstellung mit Werken aus der Steinfeld-Sammlung und der Weimarer Muche-Schenkung präsentierte der Autor ein Jahr später im Sparkassen-Zentrum Erfurt. Vgl. Georg Muche: Sammlung Steinfeld. Fulda 1981 10 Aus dem Bestand der Kustodie der Bauhaus-Universität Weimar (heute Archiv der Moderne). Vgl. auch Magdalena Droste: Georg Muche. Das malerische Werk 1928–1982. Berlin 1983. 11 Vgl. Michael Siebenbrodt: Ausstellungskonzeption vom 12. 11. 1998. 12 Aus der Karl Peter Röhl Stiftung an der Klassik Stiftung Weimar. 13 Aus der Klassik Stiftung Weimar. 14 Bei den Kindermöbeln handelte es sich um Kopien des Schloss- und Beschläge-Museums Velbert, die durch den VDGVerlag Weimar angekauft und dem Freundeskreis als Spende übereignet wurden. 15 Der Entwurf und die Fotos waren Leihgaben und Schenkung 2004 der Familie Siedhoff an die Klassik Stiftung Weimar. Vgl. Stiftung Weimarer Klassik und Kunstsammlungen, Michael Siebenbrodt (Hrsg.): Alma Siedhoff-Buscher. Eine neue Welt für Kinder. Weimar 2004.

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