Leseprobe

Stéphane Mallarmés (1842–1898) wenig bekannte Gedichte zu unterschiedlichen Anlässen und Gelegenheiten sind hier erstmals in der Fassung der Erstausgabe vollständig zweisprachig zu lesen, in einer gemeinschaftlich erarbeiteten Übersetzung, die auch die vielen Anspielungen und verborgenen Hinweise der stets adressierten Verse erschließt und kommentiert. Das Projekt der Vers de circonstance/Verse unter Umständen, für alle Lebenslagen passende, meist scherzhaft-ironisch gefärbte Worte zu finden, ist auch für die Geschichte der Avantgarden von besonderer Bedeutung, sind doch die Gedichte zu besonderen Feiern und geselligen Gelegenheiten größtenteils auf ungewöhnliche Materialien oder Dinge geschrieben: Die postum erschienene Buchausgabe von 1920 umfasst nahezu 500 Texte, die unter anderem auf Briefumschläge, Visitenkarten, Fotografien, Papierfächer, Calvados-Krüge und flache Kieselsteine geschrieben wurden. Sie enthalten galant formulierte Komplimente, spielen scherzhaft auf Eigenarten der Adressierten an, reflektieren poetisch ihren Schreibanlass und bilden so eine fortlaufende Sammlung seriell verfasster, minimalistischer Kunstwerke in meist vier oder nur zwei Versen. Die Übertragung ins Deutsche von Christin Krüger, Cornelia Ortlieb, Felicitas Pfuhl, Kristin Sauer, Katherina Scholz und Vera Vogel behält Silbenzahl und Reimschema bei und versucht, zugleich dem Wortlaut des Französischen nahezukommen und die eigentümlichen, oft wiederholt variierten poetischen Bilder und witzigen Anspielungen nachzuvollziehen. Zugunsten der Lesbarkeit ergänzen Anmerkungen und ein Namensverzeichnis die zum Verständnis nötigen Informationen. Die poetische Kunst des Dichters, Übersetzers und Avantgarde-Künstlers Mallarmé tritt in diesen vorgeblich mit leichter Hand nebenbei verfassten Gedichten noch einmal neu vor Augen, in einer besonderen Verbindung von höchster Abstraktion und dinglicher Konkretion, mit Esprit und Witz.

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