Struktur und Syntax 177 q lung, also die wachsende Abhängigkeit von der Sprache selbst, gab, ist nicht geklärt.749 Was hier allerdings sofort auffällt, ist, dass die Ausgangssprache, in diesem Fall Englisch, mit ihrer Phonetik für die Bildung der Zeichen ausschlaggebend war, wie wir bereits an der Verwendung der Zahl 2 für »to« oder »too« gesehen haben. Ähnlich wird auch der Buchstabe »r« für »-r« oder »-re« verwendet (z. B. für older = old + r), was entfernt an die Abbreviaturschrift der Schreiber erinnert. Aber auch kompliziertere Zeichen können nach diesem Prinzip gebildet werden: zum Beispiel Ceylon = C + long; statt »deer« wird das Zeichen für das phonetisch gleiche »dear« verwendet.750 Die Zeichen der beiden letzten Kategorien bezeichnen Dinge, die in den Signa-Listen nicht auftauchen, nachlesen kann man in diesem Fall also nichts. Das bedeutet jedoch nicht, dass es sich um inadäquate oder geheime Zeichen handelte. Denn es gab dreierlei Klosterzeichen: solche, die in den Listen verzeichnet wurden, solche, die zwar nicht verzeichnet wurden, aber allen bekannt waren und gängig gebraucht, und schließlich solche, die einzelne Gruppen von Mönchen entwickelten, um sich untereinander auszutauschen, ohne dass jemand anderes sie verstehen konnte. Wie schon oft gesagt, verzeichnen die meisten Listen bei Weitem nicht alle gebräuchlichen Zeichen. Die Existenz geheimer Zeichen lässt sich lediglich vermuten aufgrund von Warnungen einiger Prediger, aber direkte Beweise gibt es dafür keine. Zu den Zeichen, die zwar gängig gebraucht werden, aber nicht in den Listen erfasst sind, gehören auch neu entwickelte Zeichen, also Zeichen für neue Begriffe. So ist beispielsweise vor Kurzem (2009) im Kloster de la Fille-Dieu ein Zeichen für Senf entwickelt worden, den die Nonnen dort produzieren. Und zwar als Kombination der Zeichen Creme + scharf. Zu solchen neuen Zeichen gehören zum Beispiel auch die Zeichen Computer oder Kaffee. Robert Barakat beschreibt nicht nur derartige neu entwickelte Zeichen, sondern auch solche, deren Bedeutung sich mit der Zeit geändert hat. So wurde bei den amerikanischen Trappisten der Traktor, der in der Landwirtschaft das Pferd verdrängt hatte, als Kombination der Zeichen rot + Pferd dargestellt.751 Bei der Bildung von zusammengesetzten Zeichen wird die Abhängigkeit von der gesprochenen Sprache sichtbar. Die Zeichen werden so aneinandergereiht, wie es in der jeweiligen Sprache üblich ist. Die amerikanischen Trappisten stellen die Kapelle durch die Kombination der Zeichen klein + Kirche dar. Die französischsprechenden Trappistinnen verwenden die umgekehrte Reihenfolge: Kirche + klein. Da es keine Quellen für die Bildung der Sätze aus dem Mittelalter gibt, lässt sich nicht sagen, welche Sprache dafür ausschlaggebend war, ob die jeweilige Landessprache oder Latein. Zusammengesetzte Zeichen in den Listen werden meist so beschrieben, dass an erster Stelle das Generalzeichen (z. B. Buch) steht und dann das Zusatzzeichen (z. B. Kreuz). Doch in den Listen gibt es insgesamt nur sehr wenige solcher Zeichen. Die Kombination der Zeichen oblag vermutlich den Mönchen selbst, wie sich aus der Beschreibung des Zeichens für Klosterbeamte aus der Siquis749 Barakat 1975 a, 111–112. 750 Diese und andere Beispiele: Barakat 1975 a, 108–112. 751 Barakat nennt viele solche Zeichen, die die Mönche neu entwickelt und verwendet haben: Bulldozer = Bulle + drücken; Heizungsraum = sieden + Raum; Computer = I + B + M; Maschine = Fäuste hochkant nah zueinander aufstellen und dann um die eigene Achse drehen (im Kloster de la Fille-Dieu wird dies mit nach vorn gestreckten Handflächen dargestellt, die sich auch noch nach vorn bewegen); Mechaniker = Bruder + Arbeit + Maschine; Kühlschrank = kalt + Haus. Als Beispiel für alte Zeichen mit neuen Bedeutungen: Benzin = Öl + Feuer. Siehe: Barakat 1975 a, 93–96.
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