Leseprobe

Struktur und Syntax 175 q Robert A. Barakat gliederte die trappistischen Zeichen in fünf Kategorien, je nachdem, wie sie gebildet wurden, was sie darstellen oder symbolisieren sollten. Es handelt sich bei dieser Gliederung um ein Hilfskonstrukt, keine strikte Kategorisierung, denn manche Zeichen lassen sich nicht eindeutig nur einer Kategorie zuordnen.743 Eine große Gruppe sind die sogenannten pantomimischen Zeichen, deren Bedeutung sich über ihre Gestalt oder Form erschließen lässt. Es gibt aber auch Zeichen, die eine versteckte, übertragene Bedeutung haben, die sich nicht erkennen lässt, sondern gelernt werden muss. Die dritte Gruppe geht, ähnlich wie bei den pantomimischen Zeichen, von einem Merkmal des Wortes oder Gegenstandes aus. Die vorletzte Gruppe versammelt die teils von der Sprache abhängigen Zeichen, die einige Züge der gesprochenen Sprache abbilden, also eine phonetische Ähnlichkeit aufweisen. Die letzte Gruppe bilden Zeichen, die ausschließlich von der sprachlichen Äußerung abhängen, darunter finden sich konkrete phonetische Äquivalente. Die beiden letzten Gruppen zeigen, dass die Zeichensprache eine Ergänzung der gesprochenen Sprache war und nicht bloß ein Ersatz. Sie funktionierte auf Basis der Kenntnis der gesprochenen Sprache, auf deren Grundlage die Zeichen entwickelt worden sind. Schauen wir uns die einzelnen Kategorien mit konkreten Beispielen an.744 Die pantomimischen (oder auch ikonischen) Zeichen sind eine sehr dankbare Gruppe, nicht nur in den trappistischen, sondern auch in den mittelalterlichen Listen. Es handelt sich um Zeichen, die in Form und Gestalt eine Bewegung oder einen konkreten Gegenstand nachahmen – und somit auch einiges über dessen Aussehen verraten. So wird beispielsweise ein Haus mit Händen dargestellt, wobei sich die Fingerspitzen berühren und so ein Dach bilden. Ein Buch wird durch ausgestreckte Arme dargestellt und die Handflächen öffnen und schließen sich, als würde man ein Buch öffnen oder schließen. Durch eine Bewegung werden also nicht nur Verben dargestellt. Das Zeichen Fisch wird beispielsweise durch eine ausgestreckte, sich schnell hin und her bewegende Hand dargestellt, wodurch die Schwimmbewegung eines Fisches nachgeahmt wird. Bei den Verben ist dies um einiges einfacher, wie sich erahnen lässt.745 Viele dieser pantomimischen Zeichen sind in den meisten Kulturkreisen verständlich, wie zum Beispiel diejenigen für schlafen oder laufen. Bei anderen Zeichen – und dies gilt für die anderen Kategorien umso mehr – ist es entscheidend, in welchem Land bzw. Umfeld es verwendet wurde. Denn ein Kloster ist nun mal etwas anderes als die säkulare Welt. So stand im klösterlichen Umfeld das Zeichen für Vater für einen Priester, mit dem Zusatzzeichen für grau konnte der zisterziensische Mönch dargestellt werden. Die zweite Kategorie der trappistischen Zeichen bilden sogenannte reine oder auch abstrakte Zeichen. Sie weisen keine direkte Verbindung zur Form oder den Merkmalen des Dargestellten auf, sondern beruhen auf Konventionen. Doch auch hier lassen sich logische Zusammenhänge erkennen, denn alle Zeichen sollten leicht zu merken sein.746 Für das Zeichen Abt werden Zeige743 Barakat 1975 a, 97–112. 744 Eine ähnliche Kategorisierung, jedoch anhand von mittelalterlichen Listen, unternahm auch Jens Rüffer, Rüffer 1999, 212. Im Prinzip entspricht sie den ersten drei Gruppen bei Barakat. 745 Das Sicheln wird mit einer Handbewegung aus dem Handgelenk dargestellt. Das Zeichen für Sense ahmt das Dengeln derselben nach: Die linke, leicht gebeugte Hand stellt die Sense dar, die rechte hämmert im Halbkreis über sie. 746 Als ich die Zeichen im Kloster de la Fille-Dieu gelernt habe, hatte die Priorin meist zu jedem Zeichen einen Kommentar parat, warum es so oder so gebildet wird. Das ergänzte sie ganz automatisch, so wie sie selbst einst während des Noviziats die Zeichensprache gelernt hatte.

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