Leseprobe

Wir haben uns nun lange genug mit dem Äußeren der Listen beschäftigt. Jetzt ist es Zeit, hineinzuschauen. Die Signa-Listen sind eine interessante Quelle, wenn es darum geht, das Leben hinter den Klostermauern zu erkunden. Auf den folgenden Seiten wird untersucht, welche Wörter in den Listen auftauchen und warum. Es werden Zeichen für konkrete Räume und Tätigkeiten im Kloster beschrieben. Dabei wird in erster Linie die Siquis-Liste untersucht, denn deren Gebrauch ist in mindestens einem der böhmischen Klöster nachgewiesen. Es ist allerdings sehr wahrscheinlich, dass die Liste auch in anderen mitteleuropäischen Klöstern bekannt war. Zum Vergleich werden auch zisterziensische Listen aus anderen Ländern aus dem 15. Jahrhundert herangezogen, um Ähnlichkeiten und Unterschiede auch zu Klöstern außerhalb Mitteleuropas aufzuzeigen. Die Zisterzienser sind bekannt dafür, dass sie viel Wert auf Einheitlichkeit legen, insofern ist es interessant zu schauen, inwiefern sich diese Einheitlichkeit auch in den Zeichen widerspiegelt. Obwohl zwischen der Entstehung der cluniazensischen und der zisterziensischen Listen eine relativ lange Zeitspanne liegt, werden auch diese manchmal zum Vergleich herangezogen, um zu zeigen, welche Zeichen die Zisterzienser übernommen oder eben nicht übernommen haben. Für die Abweichung von der cluniazensischen Vorlage kann es mehrere Gründe gegeben haben. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Tatsache, dass die Siquis-Listen die Situation in Mitteleuropa widerspiegeln, wo andere klimatische Bedingungen herrschten als in den westeuropäischen Klöstern, aus denen Listen überliefert sind. Natürlich spielt auch der zeitliche Unterschied eine Rolle, denn im 11. Jahrhundert kannten und verwendeten die Mönche sicherlich, um nur ein Beispiel zu nennen, jeweils andere Lebensmittel oder Früchte als im 15. Jahrhundert. Die größte Vielfalt herrscht bei den Zeichen für Speisen und deren Zubereitung. Das Grundnahrungsmittel – nicht nur das der Mönche – war Brot in allen möglichen Formen, von Fladenbrot bis Zwieback. Doch auch Eier oder Milchprodukte (Butter, Käse, Quark) kamen oft auf den Tisch und Obst fehlte ebenfalls nicht – vor allem Äpfel und Birnen. Die Mönche kannten auch Heringe oder Aale. Zum Würzen verwendeten sie Salz, Pfeffer oder Muskat. Fleisch von Vierfüßern war nur für Kranke erlaubt. Zwar wurden in den Klöstern Tiere gehalten – Schweine, Schafe, Horntiere –, allerdings nicht zum Verzehr. Hinter den Klostermauern konnte man hier und da auch einen Esel oder ein Pferd sehen, außerhalb wohl nur Wölfe. Zu den im Kloster gängigen Getränken zählten Wein, Wasser und Bier. Mit Zeichen konnte auch ausgedrückt werden, ob etwas bitter oder süß, gut oder schlecht war, ob es zu viel oder zu wenig gab, ob etwas heute oder morgen stattfand, ob das Essen für die Armen bestimmt war oder für einen König, einen Herrn, einen Gast, einen Mönch, einen Konversen oder einen Jungen. Unter den Utensilien tauchen zum Beispiel Messer und Schüsseln auf. Bezüglich der Kirche durften die Zeichen für Kelch, Kerze, Wachs oder Buch nicht fehlen. Und in den meisten Listen tauchen auch Bezeichnungen für unterschiedliche Nationalitäten auf. Aber auch Bezeichnungen für alltägliche Dinge und Tätigkeiten wie Kapitelsaal, Buch, Schuh, Salbe, lügen, schwören, sehen, hören oder schweigen. Und nicht zuletzt gab es auch Abstrakta unter den Zeichen, wie zum Beispiel Kälte, Schmerz, Tag, Jahr, Sünde, weise oder gesund. Zeichen für Speisen Die Zeichen für Speisen und die mit ihnen zusammenhängenden Dinge sind in allen Listen das dankbarste Forschungsthema. Nicht nur, weil die Zeichen hier meist am zahlreichsten sind, sondern auch, weil sie ein konkreteres Bild ergeben als abstrakte Begriffe oder Verben. Detaillierter wurden bis jetzt in dieser Hinsicht nur Zeichen aus den cluniazensischen Listen beschrie-

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