Leseprobe

 25 q regeln. Verfasst wurde sie in Südgallien an der Schwelle vom 5. zum 6. Jahrhundert, und sie beinhaltet viele Beschlüsse der dort jährlich stattfindenden Synoden. Die Regel wird mit dem Kloster auf der Insel Saint-Honorat, einer der Îles de Lérins, in Verbindung gebracht, das im 5. Jahrhundert zu einer Art Sprungbrett für das westliche Koinobitentum (gemeinschaftliches Mönchsleben im Kloster) wurde. Der Begründer dieses Klosters, Honoratus von Arles († 430), lernte während seiner Wanderschaft im Osten das dortige Mönchsleben kennen und schuf mit der Gründung einer monastischen Gemeinschaft einen Gegenpol zu dem damals verbreiteten Eremitentum nach dem Vorbild Martins von Tours. Honoratus setzte sich nun für ein Leben in der Gemeinschaft ein, mit manueller Arbeit, der stabilitas loci (Ortsgebundenheit an ein Kloster) und mit einer festen Tagesordnung nach einheitlichen Regeln. Dank der Regel der vier Väter sowie dadurch, dass die dortigen Mönche später vielerorts als Bischöfe eingesetzt wurden, verbreitete sich die Idee des Koinobitentums in ganz Gallien. Die Regel selbst beginnt mit der Erwähnung des Schweigegebots: »Keinem ist es erlaubt zu sprechen, und man höre kein Wort als nur das Wort Gottes, das aus der Schrift vorgelesen wird, und das (Wort) des Vorstehers oder derer, denen er zu sprechen aufgetragen hat, um etwas zu sagen, das sich auf Gott bezieht.«60 Zu Beginn des 6. Jahrhunderts ist wahrscheinlich auch die sogenannte Magisterregel (Regula Magistri) entstanden, vermutlich Vorbild und Grundlage für die bekannte Benediktsregel.61 Die Regel ist in Form von Fragen des Schülers und Antworten des Meisters verfasst und wurde deswegen von Benedikt von Aniane, einem wichtigen Benediktinermönch des 9. Jahrhunderts, als Magisterregel bezeichnet. Die Magisterregel beschäftigt sich mit dem Thema des erlaubten Gesprächs in einigen Kapiteln, aus denen hervorgeht, dass das Sprechverbot grundsätzlich überall galt und man immer eine Sondergenehmigung des Oberen brauchte. Als zentraler Text des Mönchtums, den spätere Gemeinschaften angewandt und weiterentwickelt haben, gilt die Benediktsregel (Regula Benedicti), vor allem Kapitel 6 Das Schweigen (De taciturnitate): Tun wir, was der Prophet sagt: »Ich sprach: Ich will auf meine Wege achten, damit ich nicht schuldig werde durch meine Zunge. Ich stellte meinem Mund einen Wächter auf, ich wurde stumm und demütig und schwieg sogar vom Guten.« Hier zeigt der Prophet: Wenn man der Schweigsamkeit zuliebe mitunter sogar darauf verzichten soll, Gutes zu sagen, um wie viel mehr muss man dann wegen der Sündenstrafe böse Worte meiden. Daher soll wegen der Bedeutsamkeit des Schweigens auch tüchtigen Jüngern nur selten die Erlaubnis zum Reden gegeben werden, selbst wenn es sich um gute, heilige und erbauliche Gespräche handelt, steht doch geschrieben: »Wenn du viele Worte machst, wirst du der Sünde nicht entgehen«, und an anderer Stelle: »Tod und Leben sind in der Gewalt der Zunge. [...] Albernheiten aber, unnützes und zum Ende des 5. und zu Beginn des 6. Jahrhunderts entstanden. Dieser Monastizimus, der mit dem damals verbreiteten Eremitentum eines Martin von Tours konkurrierte, verbreitete sich vor allem dank der Mönche aus Lérin, die oft zu Bischöfen wurden, sowie dank der Ordensregeln, die als Grundlage für Reformen bzw. Neugründungen von Klöstern herangezogen wurden. 60 R4P 2,42. Vgl.: Puzicha 1990. 61 Überlegungen zum Ursprung der Magisterregel vgl.: die Einleitungsstudie in Frank 1989, 1–64. Edition Vanderhoven/Masai 1953 bzw. PL 88, 943–1052.

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