Leseprobe

q 24 Schweigen in der monastischen Tradition ten aus den Jahren 323 und 325.54 Pachomius’ Regel verbreitet sich später in fast unveränderter Form in vielen anderen Klosterregeln in ganz Gallien.55 Aus ungefähr derselben Zeit stammt auch die Anordnung von Basilius dem Großen († 379), der in Kappadokien wirkte. Darin wird den Mönchen auferlegt, sich in Schweigsamkeit zu üben und sich vor dem übermäßigen Lachen zu hüten. Denn zuallererst müsse die richtige Verwendung der Worte gelernt werden. Sollten Novizen oder auch später Mönche dazu nicht in der Lage sein, dann sollten sie lieber schweigen: Sie geben einen recht angemessenen Beweis ihrer Selbstentsagung, wenn sie ihre Zunge beherrschen, und gleichzeitig lernen sie dann schweigend, eifrig und aufmerksam von denen, die das Wort recht zu gebrauchen wissen, wie man fragen und einem jeden Antwort geben kann. Es gibt ja einen Ton in der Stimme, ein Maß in der Rede, die passende Zeit zum Reden und die besondere Art von Worten, die diejenigen kennzeichnen und auszeichnen, die ein Leben in der Frömmigkeit führen.56 Basilius fügt noch hinzu, dass man nur dann richtig schweigen lernt, wenn man alte Redegewohnheiten abgelegt hat. Die Stille führe außerdem dazu, dass man alte Gewohnheiten nach und nach vergesse, weil man sich nicht mehr in ihnen übe.57 Die frühen Mönche wurden also aufgefordert, komplett auf Worte zu verzichten, denn diese verunreinigten den Geist, zerstreuten die Aufmerksamkeit und lenkten von Gott ab. Damit sich das Schweigen verfestigt, nennt Basilius explizit bestimmte Orte im Kloster, wo zu bestimmten Uhrzeiten Reden untersagt ist. Demnach sollten die Brüder in der Kirche schweigen, beim Essen im Refektorium (dem Speisesaal) sowie nachts im Dormitorium (dem Schlafsaal). Die Regeln wurden später von allen westlichen Orden übernommen.58 Bis zum Ende des 8. Jahrhunderts sind im Westen und Osten an die 30 unterschiedliche Ordensregeln entstanden. Das Ziel war jedoch nicht, ein eigenes Mönchtum zu etablieren, sondern die in der jeweiligen Gemeinschaft geltenden Regeln schriftlich festzuhalten. Auch in den ersten Texten aus den monastischen Gemeinschaften Westeuropas finden sich in ähnlicher Weise die Forderungen nach Stille mitsamt der Erläuterung deren Notwendigkeit. Fangen wir mit der sogenannten Regel der vier Väter an (Regula sanctorum patrum serapionis, Macharii, Pafnutii et alterius Macharii).59 Diese Regel bildet die Grundlage für spätere westliche Kloster54 Pachomius: Praecepta, Kp. 59–60 – PL 23, 75A. Mehr dazu vgl.: Markt 2008, hier 43–149. 55 Zu den frühen Klosterregeln vgl.: Puzicha 1990, hier auf S. 7–8 mit der Einleitung von Karl Suso Frank. Eine Klosterregel bedeutet nicht immer die Entstehung eines neuen Ordens. Das Ziel dieser Regeln war, für die eigene Klostergemeinde die Traditionen und Bräuche schriftlich festzuhalten, um damit ein verbindliches schriftliches Regelwerk zu schaffen. 56 Basilius von Caesarea: Die Mönchsregel, Großes Asketikon 13 – Frank 1981, 116–117. Die lateinische Edition: PL 103, 485–554. Die Paginierung der folgenden Zitate erfolgt nach der Übersetzung Franks. 57 Bei Basilius kommt die Sorge um den möglichen Rückfall in alte Gewohnheiten ziemlich häufig vor, zum Beispiel in der Frage Nr. 32, in der es darum geht, ob es sinnvoll ist, Familienmitglieder zu treffen – auch hier mit einem Verweis auf die Bibel: Num 14,4. Aus diesem Grund wird ein Treffen mit Familienmitgliedern nur dann erlaubt, wenn sich das Gespräch auf das Erheben und Verbessern der Seele richtet (Frank 1981, 151). Alle Bibelzitate nach der Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift, Stuttgart 2016. 58 Basilius von Caesarea: Die Mönchsregel, Kleines Asketikon 208 – Frank 1981, 307–308. 59 Puzicha 1990, 18–19, Edition: De Vogüé 1982: Zweite Regel der Väter [zitiert als 2RP] (I, 274–283) sowie die Regel der vier Väter [zitiert als R4P] (I, 180–205); Regula Orientalis (II,462–495). In ähnlicher Weise werden mit dem Kloster Lérin noch weitere Regeln in Verbindung gebracht und zwar die Zweite und Dritte Regel der Väter [zitiert als 3RP], beide sind

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