Leseprobe

Overkill MI L I TÄR .TECHNI K . KULTUR IM K ALTEN KR I EG

Herausgegeben von Jens Wehner, Götz Ulrich Penzel, Katja Hartmann, Rudolf J. Schlaffer, Kristiane Janeke Militärhistorisches Museum der Bundeswehr SANDSTEIN VERLAG

Overkill MI L I TÄR .TECHNI K . KULTUR IM K ALTEN KR I EG

Rudolf J. Schlaffer Overkill – Durch die Hölle zur Ewigkeit 6 Christian Kehrt Zwischen Fortschrittseuphorie und Weltvernichtung Zur gesellschaftlichen und politischen Bedeutung von Wissenschaft und Technik im Kalten Krieg 86 Kristiane Janeke Anmerkungen zur Musealisierung des Kalten Krieges 12 Armin Wagner Dritter Weltkrieg in fiktivem Gewand NATO-Offiziere und der nächste war-to-come 102 Jens Wehner Overkill Warum eine Ausstellung zur Militärtechnik im Kalten Krieg? 18 Vincent Fröhlich Kriegsschauplatz Kultur? Westliche Populärkultur und ihre mediale Verbreitung im Kalten Krieg 120 Susanne Schattenberg »Amerika einholen und überholen« Die Sowjetunion und der Wettlauf mit dem bewunderten Rivalen USA 68 Bernd Greiner Hiroshimas langer Schatten Wie Nuklearwaffen die internationale Politik verändert haben 38 Bernd Stöver Der Westen im Kalten Krieg 1945–1991 54

Katja Hartmann Massenvernichtung im »Kleinen« Kleinwaffentechnik im Kalten Krieg 178 Jens Ebert Das Virus – Epidemie oder Biowaffe 194 Moritz Kosel Was ist ein guter Panzertyp? Alternative Sichten auf Panzer und die NATO-Typenvielfalt 206 Isabel Dzierson Unsichtbare Frauen im Kalten Krieg Geschlechterverhältnisse und Rollenbilder 162 Frank Biess Die Angstgeschichte der Bundesrepublik 136 Autoren / Bild- und Quellennachweis Impressum 387 Götz Ulrich Penzel Dual Use/Spin-off in der Luftfahrt am Beispiel des strahlgetriebenen Passagierflugzeugs 152 150 Katalog 222 Intro / 224 Die deutsche Technologie bis 1945 / 230 Das Rennen / 236 Atomkultur / 246 Höher, schneller, weiter – tödlicher / 258 Weltkrieg mit Atombombe? / 270 Die Grenze / 278 Grenzen der Atombombe / 290 Grenzen der Beherrschbarkeit / 302 Grenzen der Kriegstechnik / 320 Grenzen des Alten und Möglichkeiten des Neuen / 326 Die Reflexion / 334 Die Folgen der Technik / 350 Technikkampf / 362 Wir Nutzer / 368 Gescheiterte Technik 374 Gemeinsame Probleme, gemeinsame Lösung? 220

langer Sch Hirosh Wie Nuklearwaffen die internationale Politik verändert haben

BERND GREINER hatten himas

40 Hiroshimas langer Schatten Zu erzählen ist die Geschichte einer unerquicklichen Liaison. Von einer Technologie im Dienst der Politik und von einer Politik, die sich zur Magd der Technologie macht. Wann diese Geschichte begann, ist strittig. Vielleicht 1938, als Lise Meitner und Otto Hahn die Spaltbarkeit von Uranatomen nachwiesen, möglicherweise kurz darauf und angesichts der Erkenntnis, dass die im Zuge einer Kernspaltung freigesetzte Energie für neuartige Waffen von beispielloser Zerstörungskraft geeignet war. Gab Albert Einstein im August 1939 den Anstoß? Mit einem Brief an den amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt, in dem er darauf hinwies, dass deutsche Physiker ihre einschlägigen Forschungen vorantrieben, das Hitlerregime in Kürze eine Superbombe besitzen könnte und die USA alles daransetzen sollten, diesen Wettlauf zu gewinnen? Unstrittig ist nur, wann der »point of no return«, der Kipppunkt einer unumkehrbaren Entwicklung, erreicht war. Am 16. Juli 1945 nämlich. An diesem Tag wurde in der Wüste von New Mexico die erste Atombombe erfolgreich getestet. Vom »größten Ereignis in der Geschichte der Menschheit« sprach Roosevelts Nachfolger Harry S. Truman,1 eine Einschätzung, die Robert Oppenheimer, wissenschaftlicher Leiter des bis dahin weltweit größten Forschungsprojekts, brüsk zurückwies. »Herr Präsident, ich glaube, ich habe Blut an meinen Händen.«2 Der Beginn des Nuklearzeitalters markiert zugleich eine politische Zeitenwende. Im engsten Beraterkreis des Präsidenten war von einer »winning weapon« die Rede, einer Art Zauberwaffe. Oder von einem »royal straight flush«, dem militärischen Äquivalent zum unschlagbaren Blatt beim Poker, das plötzlich neue Perspektiven eröffnet. Mit diesem Druck- und Drohmittel in der Hinterhand, so die Fantasie, könnte man nicht nur sowjetische Begehrlichkeiten in der Mandschurei, im Pazifik, gegenüber dem Iran und Osteuropa zügeln, sondern langfristig die eigenen Vorstellungen von einer tragfähigen Nachkriegsordnung durchsetzen. Die Sowjets müssten notgedrungen klein beigeben, zumal sie auf absehbare Zeit wohl kaum über die Mittel zum Aufbau eines ähnlich angsteinflößenden Arsenals verfügen würden. Dass im Februar 1943 auch in der UdSSR ein »Uranprojekt« auf den Weg gebracht worden war und Geheimdienstchef Lawrenti Berija auf Weisung Stalins seit dem Sommer 1945 aufs Tempo drückte, wusste im Westen niemand.3 Ein ungebremster Rüstungswettlauf nahm Fahrt auf – und seither vergiftet Misstrauen die Beziehungen zwischen Moskau und Washington. Atomwaffen in allen Größen, Variationen und Stückzahlen, platziert auf Lafetten, Flugzeugen und Raketen wurden somit zum Brandbeschleuniger Zeitenwende

41 politischer Konflikte. Sie standen im Zentrum des Kalten Krieges, sie verliehen der ideologischen Rivalität ihre eigentümliche Schärfe, sie gaben den Takt im Ringen um Macht und Einfluss vor. Forciert wurde dieser Umbruch von einer beispiellosen technologischen Beschleunigung. Revolutionäre Umwälzungen nahmen fortan nicht mehr Jahrzehnte, sondern nur noch wenige Jahre in Anspruch. Kaum war die Atombombe in der Welt, wurde die ungleich wuchtigere Wasserstoffbombe in Dienst gestellt, bei den Trägersystemen verdrängten Raketen mit interkontinentaler Reichweite alsbald die Langstreckenbomber, Satelliten übernahmen wesentliche Teile militärischer Kommunikation und Koordination, jede »Generation« neuer Waffen übertraf die vorherige hinsichtlich ihrer Treffsicherheit, Wucht und Zuverlässigkeit. Wobei die Waffenschmieden in Ost und West sich ständig weiter anglichen. Zu Lande, zu Wasser, in der Luft und im All – was der eine tat, kopierte der andere, wissend, dass der Vorsprung von heute schon morgen der Vergangenheit angehört, aber trotzdem erpicht auf den Profit des Augenblicks. Je mehr Gelder in Forschung und Entwicklung flossen, desto üppiger wucherte die Furcht vor qualitativen Durchbrüchen auf der Gegenseite. Aktion und Reaktion vermischten sich bis zur Unkenntlichkeit, es scheint, als bewegten sich alle Beteiligten in einem geschlossenen Spiegelkabinett. Abb. 1 Förderwagen zum Abbau von Uran: Um den Entwicklungsrückstand aufzuholen, der der Sowjetunion nach der Entwicklung der Atombombe durch die USA entstanden war, ließ sie im Zuge der Reparationen im sächsischen Aue Uran abbauen. Bis 1957 bestritt die Produktion der staatlichen Wismut AG fast 75 Prozent des gesamten sowjetischen Urans.

42 Hiroshimas langer Schatten

43 Überlegene Technik könnte zum Angriff verleiten, Arglose könnten wehrlos sein, verschlagene Feinde könnten sich Hintertüren offenhalten – die suggestive Kraft der Technologie verleitete zu einem Diskurs im ewigen Konjunktiv. Oder, in zulässiger Überspitzung, zur Kapitulation politischen Denkens. Dafür steht die nimmermüde, noch heute aktuelle »Ein-Prozent-Doktrin«. Ihr zufolge ist davon auszugehen, dass minimale Risiken sich jederzeit zu maximalen Gefahren auftürmen können. Folglich muss man das zu einem Prozent Mögliche stets für das zu 100 Prozent Wahrscheinliche halten, also Schaden abwehren, bevor er überhaupt eingetreten ist. Damit ließen sich allerlei Szenarien und Empfehlungen rechtfertigen, nicht zuletzt der Präventivkrieg, um einen Feind im Verdachtsfall am Einsatz seiner tödlichsten Waffen zu hindern. Dieser Vorschlag kam bekanntlich nie zum Zuge. Stattdessen kaprizierten sich die USA und die UdSSR auf eine Permanent Preparedness, auf die Mittel und Bereitschaft für einen Krieg aus dem Stand. Faktisch ging es um militärische Dominanz. Zwar wussten die Atommächte, dass sie mit stumpfen, unbrauchbaren Waffen hantierten. Wer gegen einen nuklear gerüsteten Feind zu Felde zieht, geht das Risiko der Selbstvernichtung ein. Zumindest in diesem Punkt stimmten alle Staats- und Regierungschefs seit 1945 überein. Nicht umsonst warnten Dwight D. Eisenhower, Winston Churchill und Nikita Chruschtschow in den 1950er-Jahren wiederholt vor einem drohenden Selbstmord der Menschheit und nahmen damit ein späteres Bonmot vorweg: Wer als Erster schießt, stirbt als Zweiter. Gerade deshalb trieben die nuklear aufgeplusterten Supermächte ihr Kräftemessen nicht zum Äußersten, im Unterschied zu früheren Zeiten, als wechselseitige Hochrüstung die Lunte an politische Konflikte gelegt und wiederholt große Kriege entfacht hatte. Andererseits stand diese Einsicht auf wackeligen Beinen. Man darf nicht in eine Situation kommen, so der Tenor in Ost wie West, aus Furcht vor dem Tod Selbstmord zu begehen. Oder nur die Wahl zwischen Kapitulation und Untergang zu haben. Die Angst vor der Bombe sollte unter keinen Umständen als Verängstigung verstanden werden. Denn eine Weltmacht, die mit ihren schärfsten Instrumenten nichts anzufangen weiß, besiegelt ihren Niedergang aus freien Stücken. Worauf diese Einwürfe auch immer hinausliefen, eines meinten sie zweifellos: dass es politisch von Vorteil ist, wenn andere den Krieg mehr fürchten als man selbst. Und dass, wer sich behaupten will, das Handwerk der Einschüchterung beherrschen und seinen Willen zur Gewalt glaubhaft demonstrieren muss. Rätsel über die eigenen Absichten aufgeben, Misstrauen säen und Unsicherheit ausbeuten, die Grenze zwischen Bluff und va banque unkenntlich Brüchiges Tabu Abb. 2 Nach den beiden Satelliten Sputnik 1 und 2 war Explorer 1 der erste künstliche Erdsatellit der USA. Explorer 1 wurde mit der vierstufigen Juno I, einer leichten Modifizierung der Mittelstreckenrakete Jupiter C, am 31. Januar 1958 ins All befördert. Das Foto zeigt die Rakete vor dem Start.

44 Hiroshimas langer Schatten machen und die Gegenseite zermürben, dergleichen wurde während des Kalten Krieges mit klerikaler Bestimmtheit vorgetragen – mal von Spitzenpolitikern wie John Foster Dulles und Nikita Chruschtschow, mal von Publizisten, deren Denkschriften reißenden Absatz fanden. Der Widerwille gegen eine Entwertung des Militärischen war allgegenwärtig, das unentwegte Anrennen gegen das Wissen um die Unzumutbarkeit eines Atomkriegs fast schon verzweifelt und die Hoffnung auf technologische Wunderheilung dementsprechend groß. Ein nukleares Tabu gab es im Grunde genommen nicht. Obendrein folgten die Strategieplaner im Pentagon – wie ihre sowjetischen Pendants – einem Merksatz ganz eigener Art: Wer nicht als Erster schießt, verspielt von Anfang an jegliche Aussicht auf sein Überleben. So lautet die überzeitliche, sämtliche Eventualpläne bis heute umklammernde Richtlinie. Der amerikanische Spieltheoretiker Thomas Schelling hat sie in den 1960er-Jahren popularisiert und dafür das Bild des Revolverhelden bemüht. Genauer gesagt dessen vage Hoffnung, im Duell mit einem Ebenbürtigen schneller zu ziehen und sich damit wider Erwarten doch noch einen Vorteil zu verschaffen.4 Rodion J. Malinowski, sowjetischer Verteidigungsminister von 1957 bis 1967, kam zu dem gleichen Schluss und bezeichnete den Erstschlag als wichtigstes Instrument nuklearer Kriegführung.5 Offensive oder Niederlage: Die Furcht des Zuspätkommens überlagerte sämtliche Bedenken, sie trieb das Austüfteln von Abläufen für einen Atomkrieg verlässlich an – im Osten wie imWesten. So wurde die Saat einer geistigen Monokultur ausgebracht, die von der Machbarkeit des Krieges nicht lassen wollte und sich einen ethisch porösen Bezug zum Frieden leistet. Wie viel Vernichtungspotenzial muss sein? Welche zivilen Einrichtungen sollten geschont, welche militärischen Ressourcen unbedingt anvisiert werden? Was ist unter hinnehmbaren Schäden oder der wolkigen Vorstellung gesellschaftlicher Regeneration nach dem Tag X konkret zu verstehen? Militärs und zivile Experten schlagen sich unablässig mit diesen Fragen herum. Und dies umso mehr, als die Entwicklung von Wissenschaft und Technik immerzu neue Ideen hervorbringt. Verkleinerte Atomwaffen, sogenannte Mini-Nukes, eignen sich scheinbar für »feingesteuerte Operationen« auf »begrenzten Schauplätzen«, eine einzige, mit Mehrfachsprengköpfen bestückte Interkontinentalrakete kann zahlreiche Objekte auf einmal und in großem Umkreis zerstören, verbesserte Steuerleitsysteme lenken Waffen derart präzise ins Ziel, dass eine Lähmung oder Entwaffnung der Gegenseite nicht mehr ausgeschlossen ist – zumindest in der Theorie. In der Sowjetunion bastelte man zeitweilig sogar an einem System, das im Fall einer »Enthauptung«, der Zerstörung sämtlicher Befehlszentralen, einen vollautomatisierten Gegenschlag auslösen sollte. »Dead Hand«, so die amerikanische Bezeichnung, scheiterte an Komplexität und astronomischen Kosten, der Ingenieurstraum jedoch lebt weiter.6

45 So unterschiedlich die Entwürfe zum Krieg der Zukunft waren, am Dogma des »Overkill« rührte am Ende nichts und niemand. Der unter John F. Kennedy vom Strategic Air Command in Washington abgesegnete Eventualplan sah den Abschuss von 3500 Atomwaffen gegen 1077 Ziele in der UdSSR vor, sofort nach Kriegsbeginn und auf einen Schlag. Selbst die viel gepriesene Flexible Response, als Mittel zur Eskalationskontrolle beworben, setzte bei einer Überschreitung der Nuklearschwelle auf die Major Attack. Demgemäß hielt man noch in den frühen 1980er-Jahren den gleichzeitigen Einsatz von 1000 Nuklearraketen gegen Ziele in der Sowjetunion für ein strategisches Minimum. Wohlgemerkt: Minimum. Wobei auf jedem Trägersystem mehrere Sprengköpfe von der zigfachen Stärke jener Bombe montiert waren, die am 6. August 1945 die japanische Großstadt Hiroshima ausradiert hatte. Hin und wieder vorgenommene Korrekturen betreffen die Modalitäten von Einsätzen, nicht das Prinzip. Im Fall der Fälle würde es auch heute keine Beschränkungen geben.7 Obwohl die USA auf der einen, die Sowjetunion und das heutige Russland auf der anderen Seite über das gleiche Vernichtungspotenzial verfügen, kann von einem »Gleichgewicht des Schreckens« oder einer »strategischen Stabilität« nicht die Rede sein. Warum? Weil ein Gutteil der Weltuntergangswaffen hüben wie drüben in ständiger Einsatzbereitschaft gehalten werden. Launch on Warning lautet die darauf zugeschnittene Einsatzdoktrin. Sollte Abb. 3 Test eines LGM-118A PeacekeeperRaketensystems auf den Marshallinseln, 7. März 1985. Die Langzeitbelichtung zeigt die Wiedereintrittsspuren von acht unabhängig zielbaren Mehrfach-Wiedereintrittskörpern, abgefeuert von einer Interkontinentalrakete. Eine Peacekeeper kann bis zu zehn nukleare Sprengköpfe tragen.

ARMIN WAGNER Weltkrie fiktivem

NATO-Offiziere und der nächste war-to-come eg in Dritter Gewand

104 Dritter Weltkrieg in fiktivem Gewand Der Atompilz ist das Signum des Kalten Krieges. Es gibt noch andere: präsenter die Berliner Mauer etwa, metaphorischer der »Eiserne Vorhang«, geheimnisvoller das »Rote Telefon«. Mit der Atom- und der Wasserstoffbombe allerdings strukturierte realpolitisch wie nie zuvor eine Waffe die Optionen der großen Mächte – auch wenn deren Einsatz in der Rückschau nach Hiroshima und Nagasaki stets nur imaginiert war und nie mehr Wirklichkeit geworden ist. Angesichts ihres Vernichtungspotenzials geht es im strategischen Denken über »die Bombe« nämlich nicht um die »tatsächliche Herbeiführung« der atomaren Apokalypse: Es genügt allein deren »suspendierte Möglichkeit«.1 Die Existenz nuklearer Arsenale und die daraus resultierende Drohung gegen die Menschheit prägte die zeitgenössischen Mentalitäten nach 1945. Der nicht nur von Militärs und Wissenschaftlern, sondern auch in der Populärkultur simulierte Krieg hat ganze Gesellschaften in eine Art Geiselhaft genommen.2 Das atomare Paradigma der internationalen Ordnung stand im Hinter- und phasenweise, wie in der Kuba-Krise 1962, im Vordergrund des Kalten Krieges. Es prägte deshalb unvermeidlich auch die Aneignung, Bearbeitung und Darstellung eines Dritten Weltkriegs in Film, Fernsehen, Theater, Rundfunk, Literatur, Comic und Graphic Novel, Brett- und Computerspiel, Schlager- und Popmusik. Der Dritte Weltkrieg war in diesen Repräsentationen nicht zwangsläufig nukleares Armageddon, er konnte auch konventionell (auf- und vor-)geführt werden. Doch mussten sich diese gedachten Szenarien in irgendeiner Form zu Atomwaffen verhalten. Eine fehlende Aussage über deren Gebrauch oder Nichtgebrauch hätte den Charakter »der Bombe« als zwingendes Paradigma des Kalten Krieges in einer Weise ignoriert, die die Fiktion im Kern gegenstandslos gemacht hätte. Gäbe es angesichts der möglichen Nutzung von Nuklearwaffen überhaupt noch so etwas wie einen echten Gewinner in einem drohenden Krieg? Das war keine Frage nur für Politiker, Diplomaten und Soldaten als »Profis« der nuklearen Strategie. Die kulturelle Rezeption zeigt, wie eine sensibilisierte Öffentlichkeit das Wissen und das Denken über die »absolute« Waffe mitgeprägt hat. Aus der Möglichkeit der atomaren Vernichtung in einem kommenden Weltkrieg resultierten zudem weiterführende Fragen: über das »bessere« Gesellschaftssystem etwa und um persönliche Verantwortung im Ost-West-Konflikt.3 Kalter Krieg: atomares Signum – atomares Paradigma Kultur des Kalten Krieges: Literatur und Atomkrieg

105 Während Spiel- und Dokumentarfilme mit ihren Möglichkeiten der Visualisierung die Handlung in knapper Laufzeit melodramatisch zuspitzen oder auf den Schauwert technischer Spezialeffekte setzen, bleibt es Vorteil von Literatur über den nächsten großen Krieg, Handlungsabläufe mehr in die Tiefe und in die Breite entwickeln zu können. In der einschlägigen Belletristik finden sich in verstärktem Maße in den 1950er- und frühen 1960erJahren sowie dann wieder in den 80er-Jahren des 20. Jahrhunderts Darstellungen über die Folgen eines Dritten Weltkriegs. Allein zwischen 1980 und 1990 sind fast 250 thematisch relevante Romane und Erzählungen in englischer Sprache erschienen.4 Es sind verschiedene literarische Genres, die aus der Gegenwart auf diese (manchmal ganz weit entfernte, oft aber recht nahe) Zukunft blicken. In Science-Fiction geht es in der Regel nicht um den Krieg selbst, sondern um die Fortexistenz der Menschheit danach. In solchen postdoomsday novels oder survivalist fantasies werden letzten Endes die Natur des Menschen und die Grundlagen seines Zusammenlebens verhandelt. Der politische Thriller hingegen dreht sich um die Verhinderung des Kriegsausbruchs; er spielt nicht nach der vollendeten, sondern vor der verhinderten Katastrophe. Im Technothriller wiederum stehen die Art und Weise der Kriegführung, die technischen Voraussetzungen und Mittel militärischen Handelns, der Effekt des Staunens über das technologisch (vermeintlich oder vermutlich) Mögliche im Mittelpunkt. Vorbildcharakter kann Tom Clancys Roman Red Storm Rising von 1986 (deutsch: Im Sturm, München 1994) zugesprochen werden, in dem der Krieg die nukleare Schwelle allerdings nicht überschreitet. Romane, die einen anderen Ansatz wählen, vor allem jene, die das hoffnungslose Schicksal der Überlebenden eines atomar ausgefochtenen Konflikts erzählen, sind demgegenüber Melodram oder Aufklärungs- und Mahnliteratur. Als Beispiel für letztere Gattung erzielte auf dem westdeutschen Büchermarkt Gudrun Pausewangs Die letzten Kinder von Schewenborn. Oder ... sieht so unsere Zukunft aus? Erzählung (Ravensburg 1983) großen Erfolg. In den 1980er-Jahren entwickelte sich zudem eine besondere Sparte solcher Literatur: Erzählungen, in denen Offiziere aus NATO-Staaten über einen Dritten Weltkrieg schrieben. Ein gutes Dutzend solcher Romane wurde publiziert. Bei einigen handelt es sich um Analysen auf strategischer, operativer oder taktischer Ebene, die bemüht konstruiert in einen nichtfaktischen Plot eingefügt sind; bei anderen um kolportagehafte, reißerische Erzählungen mit einer hier und da recht demonstrativ untergebrachten politischen Botschaft. Hinter bloßer Kriegsschilderung stand in den Texten die Sorge um die Glaubhaftigkeit der NATO-Strategie und um die Resilienz der eigenen Gesellschaft, kurz: um die Standfestigkeit »des Westens«. Wissenschaftlich gehaltene Publikationen aus der Welt der Universitäten, Think Tanks und Parteizentralen oder militärische Strategiedokumente verlangten (zu) hohe Voraussetzungen, um größere Adressatenkreise zu erreichen. Über Romane schien das sperrige Thema Sicherheitspolitik breiten­

106 Dritter Weltkrieg in fiktivem Gewand wirksamer platzierbar zu sein. Nicht einziger, aber zentraler Schauplatz der meisten dieser Bücher war (West-)Deutschland. Folgerichtig lag ihr Fokus vor allem auf der Landkriegführung. Referenzwerk des Subgenres ist der fast zeitgleich im englischen Original und in deutscher Übersetzung erschienene Roman Der Dritte Weltkrieg. Hauptschauplatz Deutschland (München 1978). Offiziell zeichnete dafür der ehemalige britische (Vier-Sterne-)General Sir John Hackett (1910–1997) verantwortlich, und sein Name ist bis heute mit dem Buch verbunden. Tatsächlich war es nicht die Arbeit eines Einzelnen; Hackett wurde von einem Stab hochrangiger Militärs und Diplomaten unterstützt.5 Dem Werk war bemerkenswerter Erfolg beschieden, mit Übersetzungen in zehn Sprachen und einer Gesamtauflage von weltweit drei Millionen Exemplaren, davon in der Bundesrepublik 60000 Stück in einer Hardcover- und einer Taschenbuchausgabe – obwohl der Darstellung eine klassische Romanstruktur abgeht und sie eher den Charakter eines militärischen Handbuchs annimmt. Dritter Weltkrieg: Exposition und Referenz (John Hackett) Abb. 1+2 General und Gelehrter: Der Dritte Weltkrieg als Plädoyer John Hacketts für eine konventionelle Stärkung der NATO in Zeiten des atomaren Paradigmas

107 Hacketts Der Dritte Weltkrieg stellt die Exposition eines kommenden Krieges auf dem zentralen Schauplatz Westdeutschland vor: als Duell großer Panzerverbände des Warschauer Paktes mit einer durchaus panzerabwehrstarken NATO, unter massivem Einsatz von Artillerie und Luftwaffe auf beiden Seiten. Die Angriffswucht des Gegners bringt die Allianz allerdings bereits am Ende des ersten Kriegstags in die Defensive und zwingt ihre Truppen, immer weiter nach Westen auszuweichen. Obwohl der Krieg verloren zu gehen droht, verweigert der NATO-Oberbefehlshaber die Freigabe von taktischen Nuklearwaffen. Erst frisch aus den USA eingeführten Verbänden gelingt es, die Truppen des Warschauer Paktes zurückzudrängen. Angesichts ihrer nunmehr unerwartet drohenden Niederlage zerstören die Sowjets mit einer Nuklearwaffe die englische Stadt Birmingham, um ihre Entschlossenheit zu demonstrieren und um die USA zu bilateralen Verhandlungen über die jeweiligen Einflusssphären in der Welt zu bewegen. Washington und London lehnen ab und vernichten das weißrussische Minsk ebenfalls mit Atomschlägen. Ihr Beweis von Unbeugsamkeit beschleunigt Auflösungserscheinungen innerhalb der multiethnischen Sowjetunion und Absetzbewegungen der osteuropäischen Paktmitglieder. Zuerst Kasachstan, dann die Ukraine spalten sich unmittelbar ab, sodass die UdSSR schließlich zerfällt.

Kleinwaffentechnik im Kalten Krieg vern Massen im »Kle

KATJA HARTMANN nichtung neinen«

180 Massenvernichtung im »Kleinen« Die blutige Seite des Kalten Krieges, welche oftmals nicht im Fokus der globalen Weltöffentlichkeit stand, war während der gesamten Epoche grausame Realität mit teils weitreichenden Folgen bis in die heutige Zeit und Politik. Sie begann zum Ende eines weltumspannenden Krieges und hat ihren Abschluss noch immer nicht gefunden, denn auch heute noch wird mit einem gewissen Anteil dieser Waffentechnik Blut vergossen. Diese Waffentechnik ist klein, billig und zum Teil selbst von vorindustriellen Akteuren herstellbar. Es ist stets ein Kampf der Interessen, von Angebot und Nachfrage und Verbindungen. Die Akteure können dabei lokal sehr begrenzt oder um die halbe Welt nach der Quelle des Machtmittels Handwaffentechnik suchen und fündig werden. Als Kleinwaffen werden Waffen definiert, die von einer einzelnen Person benutzt und getragen werden können. Dazu zählen unter anderem Pistolen, Gewehre, leichte Maschinengewehre, aber auch Handgranaten und Minen. Aufgrund ihrer Größe sind sie sehr flexibel und entziehen sich leichter als große Waffensysteme der Kontrolle von außen. Nach Schätzungen des Small Arms Survey befinden sich aktuell mehr als eine Milliarde Schusswaffen weltweit im Umlauf, davon mehr als zwei Drittel in ziviler Hand.1 Es wird angenommen, dass täglich etwa 1000 Menschen durch Schussverletzungen, verursacht von Kleinwaffen, sterben.2 Kofi Annan, früherer Generalsekretär der Vereinten Nationen, beschrieb Kleinwaffen in seiner im Oktober 2000 gehaltenen Millenniumsrede We the Peoples hinsichtlich der unkontrollierten Proliferation derselben als Massenvernichtungsmittel.3 Und obwohl in der spannungsgeladenen Zeit des Kalten Krieges immer die Bedrohung durch die atomare Vernichtungstechnik und die gegenseitige Androhung in Phasen der politischen Konfrontation für Angst und Schrecken sorgten, so war es doch die Technik der Kleinwaffen, die real über Jahrzehnte eingesetzt den wahren Blutzoll des Kalten Krieges forderte. Der Anfangsphase des Kalten Krieges liegt eine tiefgreifende Erkenntnis zugrunde, die Nicht-Einsetzbarkeit des atomaren Waffenpotenzials. Aufgrund der massiven Rüstung und immer stärkerer atomarer Sprengköpfe würde deren gegenseitiger Einsatz die Menschheit sehr wahrscheinlich vernichten. Dies führte zu einer Umstrukturierung des strategischen Ansatzes, aber gleichzeitig auch zu einer Erhöhung des Drohpotenzials durch immer bessere Trägersysteme und Abschussmöglichkeiten, um den jeweiligen »Feind« in Schach zu halten. Das verursachte immense Kosten, die ihrerseits erwirtschaftet werden mussten. Schlussendlich sollte am Ende des Kalten Krieges der Kostenanteil für die atomare Rüstung, mit Sprengköpfen, Trägersystemen und Weiterem, den überproportionalen LöwenVorbetrachtung

181 anteil der Ausgaben darstellen. Die konventionelle Rüstung dagegen verbrauchte weit weniger Mittel. Auch bei dieser gab es natürlich Weiterentwicklungen und neue technische Lösungen, aber sie verliefen deutlich rascher und billiger. Gewehre lassen sich einfach schneller entwickeln als Langstreckenbomber zum Abwurf von Atomsprengköpfen. Abb. 1 Establishing Shot: Die größten Killer des Kalten Krieges und auch noch heute sind Kleinwaffen. Sturmgewehre stellen einen Millionenanteil. Sie sind recht leicht verfügbar, brauchen wenig Ausbildungsaufwand und sind äußerst langlebig. Häufige Vertreter sind unter anderem das M16, das G3 und die Varianten der Kalaschnikow.

182 Massenvernichtung im »Kleinen« Am Ende von Kriegen bleibt vieles zurück. Tote, Verwundete, Zerstörung, zutiefst traumatisierte Menschen und Wehrmaterial. Dieses Material, angehäuft durch enorme Kraftanstrengungen der Volkswirtschaften, bleibt zumeist in sehr großer Zahl übrig. Es wird in der Regel von den »Gewinnern« des Konflikts eingezogen, gesammelt und entweder vernichtet oder weiter genutzt. Diese Nutzung erfolgt dabei sowohl für eigene Verbände, für die Ausstattung von Nachfolgestrukturen des einstmaligen Feindes oder geht an interessierte Käuferschichten in aller Welt. Es ist äußerst erstaunlich, um welche Mengen es sich teilweise handelt und wo so manch verstecktes Depot noch aufgetan wird. Auch unverbrauchte Bauteile werden gern noch zu funktionsfähigen Waffen zusammengesetzt, wie beispielsweise mit Restbeständen von Karabiner 98k oder auch MG 42 in Nachkriegsdeutschland geschehen. Diese Bestände, die technisch den Stand ihrer Zeit repräsentierten, und die rasche Wiederaufnahme der Rüstungsproduktion nach Ende des Zweiten Weltkriegs schufen im Zuge der Zuspitzung des beginnenden Kalten Krieges ein reichhaltiges Angebot an Waffen. Und Angebote suchen Absatz. Dieser Absatz war zum einen durch die Neuausstattung neu gegründeter Armeen, wie der Bundeswehr, gegeben. Staatliche Aufträge mit festgelegten Lieferzeiten und Abnahmemengen. Dann natürlich auch durch Unterstützungsleisten für offizielle Partner und befreundete Staaten im Lichte der Öffentlichkeit. Und dann noch nicht ganz so lupenreine Aktivitäten. Diese liefen größtenteils ohne Kenntnis der eigentlichen Produzenten ab oder zumindest in dem Glauben, nach geltendem Recht und Verantwortung zu handeln. Ab den 60er- und 70er-Jahren sah die Situation anders aus. Vor allem deutsche Firmen fanden einen neuen Weg des Exports, die Lizenzvergabe.4 Durch die Produktion im Ausland griffen deutsche Gesetzte kaum und konnten somit umgangen werden. Interessant zu betrachten ist dabei das Sturmgewehr G 3, welches in mehr als einem Dutzend Ländern produziert wird, unter anderem in Pakistan, dem Iran und Saudi-Arabien. Auf diese Weise konnten die Überkapazitäten der Firmen wirtschaftlich genutzt werden. Abseits dieser »grauen« Zone bleibt natürlich auch der illegale Handel ein großes weltweites Problem, das kaum zu bändigen ist. Der Schmuggel von Waffen, wie auch anderer Waren, war von jeher ein lukratives Geschäft. Dieses wurde durch verschiedene Faktoren begünstigt: die einsetzende Dekolonisierung Asiens und Afrikas, politische Instabilität in den neu gegründeten Staaten und den Kampf rivalisierender Gruppierungen innerhalb dieser. Und allen Ortes der Schrei nach Waffen. Der Schmuggel von Kleinwaffen bietet dabei mehrere Vorteile für die Beteiligten. Es ist Der Weg der Kleinwaffentechnik

183 wesentlich unauffälliger, kleinere Kisten mit zum Beispiel Handfeuerwaffen zu transportieren bzw. zu schmuggeln, als Panzer oder auch mobile Raketenabschussanlagen. Zudem sind die entstehenden Kosten für Beschaffung, Transport oder bei Verlust durch Entdeckung deutlich geringer einzuschätzen als bei größeren Waffensystemen. Dieses verdeckte Operieren ermöglicht es ebenfalls recht gut, die eigentlichen »Lieferanten« des Wehrmaterials zu verschleiern. Durch den Einsatz von Mittelsmännern versucht man dabei, die eigentliche Herkunft im Dunkeln zu halten und dadurch wiederum eine politische Verwicklung zu umgehen. Auf diese Weise können Eingriffe von außen relativ diskret kaschiert werden. Zwar kommt dieser »Hilfsleistung« früher oder später die Öffentlichkeit auf die Schliche, aber bis dahin ergibt sich das Trugbild der Neutralität. Natürlich gibt es auch auffällige Merkmale potenzieller Unterstützer, wie etwa Modellvielfalt, Abb. 2 Kleinwaffen sind sehr langlebig. Einmal produziert, wandern sie oft jahrzehntelang von Hand zu Hand und überwinden Landesgrenzen. Illegale Waffenmärkte sind gut gefüllt mit diesen Hinterlassenschaften auch es Kalten Krieges. Region Ma’rib, Jemen, 31. August 2008

Beschriftungen oder Ähnliches, was allerdings ebenso sehr funktional zur Desorientierung eingesetzt werden kann. Zudem kann man nahezu jedes gebräuchliche Kleinwaffensystem auf dem freien Markt erwerben, egal ob östlich oder westlich, ob Kalaschnikow, M 16 oder G 3. Selbstverständlich kann eine Unterstützung mit Waffen auch ganz öffentlich und propagandawirksam in Szene gesetzt werden. Politisch instrumentalisiert, erreichen damit die Lieferungen von Kleinwaffen noch mehr Wirksamkeit für den jeweiligen Lieferanten als nur die pure materielle Unterstützung für den Interessensgenossen. Die politische Dimension von Waffensystemen und eben auch von Kleinwaffen darf nicht unterschätzt werden. Begonnen bei dem Terminus »Kanonenbootpolitik« bis hin zum sprichwörtlichen »Säbelrasseln«, haben Waffen und deren Lieferung oftmals eine politische Botschaft. Was von wem zu welcher Zeit angeboten, geliefert oder auch geschenkt wird, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab. Diese Erkenntnis bestand schon in vielen Nationen über Jahrhunderte hinweg. Unterstützungstruppen oder einheimische Kolonialverbände zweifelhafter Treue zu ihrem jeweiligen Befehlshaber erhielten nur in seltenen Fällen die fortschrittlichsten Waffen ihrer Zeit, da immer das Risiko für die Vormacht bestand, dass diese Waffen

185 gegen sie Verwendung finden könnten. Auch die Steuerung des Zustroms von Waffen in beispielsweise ehemalige Kolonialgebiete ist ein macht- und interessenspolitisches Instrument. Wenn ganz gezielt eine Gruppe, die den eigenen Interessen folgt, mit Wehrmaterial versorgt wird, um innere Unruhen auszulösen, ist dies ganz klar mit eindeutigen Motiven des Lieferanten verbunden. Zu beobachten ist dies unter anderem in verschiedenen postkolonialistischen afrikanischen Staaten, die aufgrund der teilweise weiterhin verfolgten Interessen und Einflussnahmen der ehemaligen alten Kolonialmacht oder eines der beiden großen Blöcke in Bürgerkriegen und Revolutionen versanken. Vielfach vermischen sich dabei politische und wirtschaftliche Überlegungen, etwa im Sektor der Rohstoffgewinnung, bei Edelmetallen oder Öl. Oftmals bildeten sogenannte Kompensationsgeschäfte auch den Grundstock großzügiger Rüstungshilfen von großen Partnern wie den USA oder der Sowjetunion, aber ebenso eher kleineren Exporteuren wie der DDR. Im Gegenzug für Wehrmaterial, Ausbildung oder eine Lizenzvergabe erhielten die Ursprungsländer Wirtschaftsprodukte in Form von Öl, Getreide oder Kaffee. Vor allem gegen Ende des Kalten Krieges häuften sich derlei Abkommen. Solche Lieferungen können sich allerdings auch als Bumerang entpuppen, so etwa beispielsweise geschehen beim Angriff der Koalitionstruppen auf Afghanistan nach dem Terroranschlag des 11. September 2001. Dort standen sie Kämpfern gegenüber, die zuvor in den 1980er-Jahren von den USA selbst gelieferte Stinger-Raketen zum Kampf gegen die sowjetischen Truppen im sowjetisch-afghanischen Krieg erhalten hatten. Dies ist kein Einzelfall, sondern in den letzten Jahren häufiger zu beobachten. Interessant zu verfolgen ist dabei, dass unterschiedliche Waffensysteme jeweils eine differenzierte öffentliche bzw. politische Reichweite haben. Dies hängt in der Regel unter anderem von ihrem Wirkungspotenzial, ihrer strategischen Bedeutung und der öffentlichen Wahrnehmung ab. Kleinwaffen fallen dabei oftmals aus dem Betrachtungsspektrum, zu kleinteilig und wenig publikumswirksam. Hier schaut man erst seit ein paar Jahren genauer hin. Erst seit dem Jahr 2000 werden konkrete Bemühungen um eine stärkere Kontrolle der Proliferation von Kleinwaffen in allerdings nur recht wenigen Staaten durchgeführt. Im Gegensatz dazu ist der Blick der Weltöffentlichkeit vor allem auf große Waffensysteme wie Panzer, Kriegsschiffe oder anderes schweres Gerät gerichtet. Und von der Anspannung im Themenkomplex atomarer, biologischer und chemischer Waffen spricht sofort die ganze Welt. Ein weiterer entscheidender Punkt ist die Langlebigkeit von Kleinwaffen. In der Regel sind diese Systeme auf eine möglichst hohe Lebensdauer ausgerichtet, robust, recht einfach zu warten und durch Zurüstsätze an neue Gegebenheiten anpassbar. So ist es keine Seltenheit, dass so manches Sturmgewehr, welches auch heute noch in Nutzung ist, mehrere Jahrzehnte auf dem Buckel hat. Möglich ist dies durch große Reserven an Ersatzteilen oder deren Nachbau mit einfachsten Mitteln, wenig Aufwand Abb. 3 Ein Mudschahid-Kämpfer mit einer amerikanischen Stinger-Rakete. Als die USA die Bewaffnung des afghanischen Widerstands während der sowjetischen Besatzung einstellten, blieben diese hochentwickelten Flugabwehrraketen zurück. Afghanistan, 1991

Katalog

222 Overkill – Militärtechnik im Kalten Krieg Technologien aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs (1939–1945) prägen unser Leben bis heute: Atomkraft, Düsenflugzeuge, Raumfahrt und Computer sind nur die wichtigsten. Ihre volle Wirkung entfalteten sie oft erst im Kalten Krieg (1947–1991), weil das Militär viel Geld in sie investierte. Seit den 1970er-Jahren löste die Beschäftigung mit der Technik kontroverse gesellschaftliche Debatten aus. Zusammen mit den Technologien selbst wirken auch sie bis heute fort. Die Ausstellung zeigt die Entwicklung dieser Erfindungen und welche Rolle Militär, Gesellschaft und Kultur dabei spielten. Sie reagierten auf die Technik, nutzten sie und formten sie aktiv mit.

223 Zu Beginn des Kalten Krieges hatten deutsche Technologien des Zweiten Weltkriegs noch eine immense Bedeutung. Mit der Zeit wuchs die kritische Auseinandersetzung mit der Technik. Denn die Atomkraft, der Kohlendioxid-Ausstoß der Flugzeuge und die Digitalisierung haben auch militärische Hintergründe, die mit der Zeit häufig aus dem Blick geraten sind. Den Blick dafür schärft die Ausstellung. Sind diese Technologien zu sehr hinsichtlich ihres unmittelbaren Nutzens entwickelt? Wurde dabei zu wenig Rücksicht auf langfristige Folgen genommen? Sind sie daher ähnlich der Atombombe ein »Overkill«?

Die deutsche

225 echnologie bis 1945 Die Stellung Deutschlands als wissenschaftlich-technische Macht war infolge der Machtübernahme der Nationalsozialisten geschwächt. Einige der besten Wissenschaftler, darunter Albert Einstein, waren aus rassistischen Gründen vertrieben oder ermordet worden. Nur in wenigen Bereichen wie der Raketentechnik war das Deutsche Reich 1945 weiterhin führend. In der Atomtechnologie dagegen lagen die USA vorn. Die Alliierten versuchten nach Kriegsende, von deutschen Technikern und Wissenschaftlern zu profitieren. Die USA verbrachten im Rahmen der Operation »Overcast« deutsche Experten nach Nordamerika. Ähnlich verfuhren Frankreich und Großbritannien. In größerem Umfang und mit mehr Zwang verschleppte die Sowjetunion deutsche Fachleute. Unter anderem Konrad Zuse, der Erbauer des ersten programmierbaren Computers (1941) der Welt, blieb vom Zwangsumzug verschont. Gleichwohl verwerteten die Alliierten auch seine Forschungsergebnisse.

226 Die deutsche Technologie bis 1945 1 Funkgesteuerte Fernbombe Henschel Hs 293 Henschel //Deutsches Reich, 1943–1945 MHM Berlin-Gatow AAAF5858 Die Hs 293 war eine der ersten Präzisionsbomben. Im Zweiten Weltkrieg kam sie vorrangig gegen Schiffe zum Einsatz. Per Funk steuerte sie ein Bombenschütze ins Ziel. Prototypen hatten sogar eine TV-Kamera mit Bildschirm für den Schützen. Während der Berechnung ihrer Flügel entwickelte der Ingenieur Konrad Zuse seine ersten Computer. Familie Söldner in der Sowjetunion Franz Söldner war bis 1945 ein Ingenieur für Optiken von Kriegsschiffen der Wehrmacht bei Carl Zeiss Jena. Sowjetische Soldaten verschleppten ihn mit seiner Familie 1946 in die Nähe des heutigen St. Petersburg. Im Rahmen dieser Aktion Ossoawiachim genannten Verschleppung kamen Tausende deutsche Wissenschaftler und ihre Familienmitglieder in die Sowjetunion. Söldner konstruierte mit sowjetischen Kollegen Schiffsoptiken. Andere entwarfen Flugzeuge, Raketen und weitere Technik. Nach der Rückkehr lebte die Familie Söldner in Jena. 1 2.1 Umzugskisten der Familie Söldner von der Sowjetunion nach Deutschland Sowjetunion, 1950er-Jahre Dietrich Söldner 2.2 Fotoalbum der Familie Söldner zeigt Söldner mit weiteren deutschen Spezialisten in der Sowjetunion Sowjetunion, ab 1946 Dietrich Söldner 2.3 Dietrich Söldner in seiner Wiege Sowjetunion, ca. 1952 Dietrich Söldner

227 2.1 2.2 2.3

2.4 2.4 Wiege der Familie Söldner Sowjetunion, um 1950 Dietrich Söldner

270 Die Grenzen der Technik zeigten sich in den 1960er-­ Jahren. Viele Rekorde aus dieser Zeit haben bis heute Bestand. Ihre bloße Steigerung brachte keinen Vorteil mehr. Es kam zu einem Umdenken, das die mit der Technik verbundenen Risiken und negativen Folgen in den Vordergrund rückte. Auch politisch zeigten sich Grenzen. Die Zeit der Kolonialherrschaft europäischer Staaten ging zu Ende. In einigen Kolonien kam es zu gewaltsamen Konflikten. Die ehemaligen Kolonialmächte und die Sowjetunion versuchten, den Ausgang der Kämpfe zugunsten ihrer politischen Systeme mit der Lieferung von Handfeuerwaffen und moderner Waffentechnik zu beeinflussen. Die USA zum Beispiel engagierten sich im Vietnam-Krieg. An eine Grenze durch Abwanderung geriet auch die DDR, weil immer mehr Fachleute das Land verließen. Allein der Bau der Mauer 1961 konnte diese Fluchten eindämmen. Die

renze

272 86

273 86 Stützwandelement UL 12.41 der Grenzmauer GM 75 von der Grenze zwischen Ost- und WestBerlin (Nr. 249) VEB Baustoffkombinat Neubrandenburg //Malchin, DDR, nach 1975 MHM Dresden BAAF7778 Die DDR geriet um 1960 in große Schwierigkeiten. Gesellschaftliche Unfreiheit verursachte einen Rückstand in Wirtschaft, Technologie und Wohlstand. Millionen Menschen und besonders Fachkräfte hatten bis 1961 das Land Richtung Westen verlassen. Die sozialistische Diktatur wurde dadurch destabilisiert und geriet an ihre Grenzen. Daher erlaubte die Sowjetunion der DDR-Führung, die Grenze Richtung Westen zu sperren. Die bewaffneten Organe führten die ab dem 13. August 1961 geltenden Grenzabsperrmaßnahmen mit Härte durch. Berlin trennte nun eine Mauer in Ost und West. Das hier ausgestellte Element stammt aus den 1970er-Jahren. Es verlieh der Mauer bis zu ihrem Abriss 1989 die charakteristische Form. 87 Fernschreibmaschine Typ T63/20-SU13 mit Empfangslocher T52/3 D8 der NVA Gerätewerk Karl-Marx-Stadt // DDR, um 1970 MHM Dresden BBAL7321 1962 drohte der Kalte Krieg, zum Atomkrieg zu eskalieren. Um eine erneute so dramatische Zuspitzung zu verhindern, beschlossen die Supermächte die Einrichtung eines sogenannten Heißen Drahtes. Das auch als Rotes Telefon bezeichnete Kommunikationssystem ermöglichte das schnelle und direkte Gespräch zwischen den politischen Führungen. Dafür ließ die Sowjetunion vier Fernsprecher der NVA vom Typ T63/SU-12 nach Washington D. C. senden. Das war der gleiche Typ, allerdings in einer anderen Variante, wie der hier gezeigte. Kommunikation und Verhandlungen waren der wichtigste Weg, Krisen zu vermeiden. 87

274 Die Grenze Kuba-Krise Während der Kuba-Raketen-Krise im Oktober 1962 stand die Welt am Abgrund. Die USA hatten sowjetische Atomraketen in ihrer Nähe im kommunistischen Inselstaat Kuba entdeckt. Zur Durchsetzung ihrer Interessen verhängten die USA eine Seeblockade der Insel. Das DDR-Schiff MS Völkerfreundschaft durchbrach die Blockade, obwohl amerikanische Streitkräfte es längst entdeckt hatten. Die Amerikaner eröffneten das Feuer nicht. Zur Beilegung des Streits forderte die Sowjetunion den Abzug amerikanischer Atomraketen aus der Türkei. Beide Supermächte einigten sich schließlich über den Rückzug von Atomraketen in ihrer jeweiligen Grenznähe. Die Kuba-Krise gilt als der gefährlichste Zeitpunkt des Kalten Krieges. Nie wieder stand die Welt so dicht am Abgrund eines Atomkriegs. Die KubaKrise zeigte, dass Atombomben nicht einsetzbar waren, wollte man nicht die eigene Vernichtung riskieren. 88.1

275 88.1 Amerikanisches Aufklärungsfoto von sowjetischen Raketen auf Kuba Kuba, Oktober 1962 picture-alliance/dpa/DB PA (Reproduktion) 88.2 Amerikanisches Aufklärungsflugzeug am DDR-Kreuzfahrtschiff MS Völkerfreundschaft Hanke // Kuba, 27. 10. 1962 BArch, Bild 183-A1128-0053-011/Hanke (Reproduktion) 88.2

290 Die Grenze Grenzen der eherrschbarkeit Die 1960er-Jahre brachten technische Rekorde, die bis heute Bestand haben. Der sowjetische Kosmonaut Juri Gagarin war 1961 der erste Mensch im Weltraum. Die höchste je von Menschen erzielte Geschwindigkeit erreichte 1969 die Landekapsel des US-Raumschiffs Apollo 10 beim Wiedereintritt in die Atmosphäre mit knapp 40000 km/h. Zwei Monate später betraten die Astronauten von Apollo 11 als erste Menschen den Mond. Damit hatte die Luft- und Raumfahrttechnik strahlende Helden. Mit den Erfolgen waren aber auch Gefahren verbunden. Menschen kamen zu Schaden oder sogar zu Tode. Die Bereitschaft der Gesellschaft, dies hinzunehmen, sank mit jedem weiteren Unfall durch technisches Versagen. In Deutschland sorgten die zahlreichen Abstürze von Starfighter-Flugzeugen für heftige Diskussionen. Die technologischen Möglichkeiten waren um 1970 ausgereizt. Menschen hatten jeden Punkt der Erde erreicht. Allein der Mond ist eine bis heute bestehende Grenze. 119

291 sicher. Gagarin war der erste Mensch im Weltraum und wurde als Held verehrt. Für die Sowjetunion war der Erfolg ein Zeichen der Stärke ihres Staats- und Gesellschaftssystems. 123 Konfektdose Belka und Strelka Sowjetunion, nach 1960 MHM Dresden BBAG4446 Zu weiteren Testzwecken startete Sputnik 5 mit den beiden Hündinnen Belka und Strelka sowie Mäusen und Ratten am 19. August 1960 in die Erdumlaufbahn. Im Gegensatz zu der Hündin Laika waren die Tiere die ersten Lebewesen, die einen Raumflug überlebten. Die Testflüge mit Tieren brachten wichtige Erkenntnisse und ebneten somit den Weg für die bemannte Raumfahrt. Die Konfektdose erinnert an die beiden Hunde. Raumfahrt Sieg Ost 118 Foto Hündin Laika Sowjetunion, 1957 akg-images/Universal Images Group/Sovfoto (Reproduktion) Die Bedingungen außerhalb der Erdatmosphäre für den Menschen waren bisher unerforscht. Bevor die ersten Menschen ins Weltall flogen, erfolgten Versuche mit Tieren. Aus diesem Grund startete Sputnik 2 am 3. November 1957 mit der Hündin Laika in die Erdumlaufbahn. Obwohl die Rückkehr der Hündin nicht vorgesehen war, überraschte ihr früher Tod. Laika starb vermutlich an Überhitzung und Stress. 119 Buch Raketen, Schild und Schwert Karl-Heinz Eyermann //DDR, 1967 MHM Dresden B 217 Das Buch bekundet in propagandistischer Art den Fortschritt sowjetischer Raketentechnik. Die hier gezeigte Grafik setzt den technischen Fortschritt in einen Zusammenhang mit der Technikentwicklung der Menschheitsgeschichte. Die Erzählung sollte die erfolgreiche Entwicklung der kommunistischen Technik als Gesetzmäßigkeit untermauern. 120 Foto Juri Gagarin Sowjetunion, 12. 4. 1961 akg-images/fine-art-images (Reproduktion) Am 12. April 1961 umkreiste der sowjetische Kosmonaut Juri Gagarin in der Raumkapsel Wostok 1 als erster Mensch die Erde. Das Foto zeigt Gagarin in seinem Raumanzug in der Kapsel liegend kurz vor dem Start. 121 Plakette Lunochod-2 Sowjetunion, 1973 MHM Dresden BAAX7369 Lunar hießen die sowjetischen Mondsonden, die seit 1959 gestartet wurden. Das Programm diente der Erforschung der Mondoberfläche. Mit Lunar 21 gelangte das ferngesteuerte Mondfahrzeug Lunochod 2 auf den Erdtrabanten. Ab dem 15. Januar 1973 befuhr Lunochod 2 für vier Monate die Mondoberfläche. Dabei sendete es Aufnahmen vom Mond und untersuchte Gesteinsproben. Die Plakette erinnert an diese Mission. 122 Titelseite Neues Deutschland – Beispiellose Tat für den Frieden und den Fortschritt der Menschheit: Sowjetunion verwirklichte ersten Menschenflug ins All DDR, 13. 4. 1961 MHM Dresden Z 933-1961,101 Dreieinhalb Jahre nach dem Start des ersten Satelliten gelang der Sowjetunion ein weiterer Meilenstein in der Eroberung des Weltraums. Juri Gagarin war Militärpilot und Kosmonaut. Am 12. April 1961 startete er mit dem Raumschiff Wostok 1. Er umrundete die Erde einmal und landete danach 123 120

292 Die Grenze Raumfahrt Sieg West 124 Plakette Apollo 11 USA, 1969 MHM Dresden BAAX7466 1961 verkündete der US-Präsident John F. Kennedy, dass die USA bis zum Ende des Jahrzehnts einen Menschen zum Mond und wieder sicher zurück zur Erde bringen wollten. Dies war der Start für das ambitionierte Apollo-­ Programm. Am 21. Juli 1969 betrat der Astronaut Neil Armstrong als erster Mensch den Mond. Ungefähr 600 Millionen Fernsehzuschauer verfolgten die Live-Übertragung. Die Plakette erinnert an das epochale Ereignis. 125 Spielzeugkarton Apollo Spacecraft Modern Toys – Masudaya // Japan, um 1970 MHM Dresden BBAJ3956 126 125 Die Eroberung und Erforschung des Weltraums löste in den 1960er- bis 70er-Jahren bei vielen Euphorie und Aufbruchsstimmung aus. Die Raumfahrer erschienen als Helden. Diese Welle erreichte auch die Kinderzimmer. Unzählige Spielzeuge und Bücher hatten reale oder fiktive Bezüge zur sich schnell entwickelnden Raumfahrt. Bei diesem Blechspielzeug handelt es sich um ein nicht originalgetreu nachempfundenes Apollo-Raumschiff.

293 126 Artikel LIFE Magazine – The U.S. Team is still wamring up the bench USA, 28. 6. 1963 MHM Dresden Z 1229-1963, 26 From the pages of LIFE. LIFE and the LIFE logo are registered trademarks of Meredith Operations Corporation. Used under license. ©1963 Meredith Operations Corporation. All rights reserved. Reprinted/Translated from LIFE and published with permission of Meredith Operations Corporation. Reproduction in any manner in any language in whole or in part without written permission is prohibited. Das Mercury-Programm war das erste bemannte Raumfahrtprojekt der USA. Nach umfangreichen Tests wurden sieben Astronauten für das Programm ausgewählt. Mercury 13 ist der Name einer Gruppe von Pilotinnen, die dieselben Tests wie die ersten Astronauten bestanden. Das nicht offizelle Projekt sollte zeigen, dass auch Frauen den physi127 Titelseite BUNTE – Apollo 13 Drama im Weltraum BR Deutschland, 28. 4. 1970 MHM Dresden C 505 Apollo 13 war die siebte bemannte Raumfahrtmission im Apollo-Programm der NASA. Ziel des Fluges war die dritte bemannte Mondlandung. Diese waren in den Augen der Öffentlichkeit inzwischen routiniert. Dass dem nicht so war, zeigte die Explosion einer der beiden Sauerstofftanks im Servicemodel des Raumschiffs. Ursachen waren eine Verkettung und Anhäufung menschlicher Fehler sowie technischer Mängel bereits im Vorfeld der Mission. Das Vorhaben der Mondlandung musste aufgegeben werden. Das Rettungsmanöver war eine der herausragenden Leistungen der NASA. Es gelang, alle drei Astronauten sicher zur Erde zurückzubringen. Die dramatische Rettungsaktion der Besatzung von Apollo 13 im April 1970 verfolgten die Menschen weltweit. Sondersendungen im Radio und TV sowie unzählige Printmedien berichteten darüber. 128 Foto US-Astronaut Buzz Aldrin auf der Mondoberfläche stehend Neil Armstrong //USA, 20. 7. 1969 picture-alliance/dpa/Consolidated (Reproduktion) Nachdem der Astronaut Neil Armstrong als erster Mensch den Mond betreten hatte, folgte ihm Buzz Aldrin. Das Foto ist das bekannteste aller Apollo-MondFotografien. Aldrin hat seinen linken Arm angehoben – vermutlich, weil er die Checkliste auf seiner Manschette liest. In seinem Helm spiegeln sich der Fotograf Armstrong sowie die Mondlandefähre. Des Weiteren ist Mondstaub an seinen Knien zu sehen. 128 127 schen und psychischen Strapazen eines Weltraumflugs gewachsen sind. Erst 20 Jahre später startete die erste Astronautin ins Weltall.

294 Die Grenze 129 Foto Fritz Haber mit Wernher von Braun USA, 1. 7. 1954 NASA Image Collection/Alamy Stock Foto (Reproduktion) Auf dem Foto sind Fritz Haber (li.) und Wernher von Braun (re.) zu sehen. Haber arbeitete für den Flugzeughersteller Junkers in Dessau. Wie von Braun ging Haber nach dem Zweiten Weltkrieg im Rahmen der Operation Overcast in die USA. Beide arbeiteten dort für das Weltraumprogramm der NASA. Zusammen mit seinem Bruder Heinz Haber erfand er den Parabelflug. Damit werden angehende Raumfahrer auf die Schwerelosigkeit vorbereitet. Gefallene Helden 130 Foto Mikojan-Gurewitsch MiG-21 im Häuserblock Ministerium für Staatssicherheit //DDR, 14. 1. 1975 BArch, MfS, HA I, 10508 (Reproduktion) Am 14. Januar 1975 stürzte eine MiG-21 der NVA-Luftstreitkräfte in ein fünfgeschossiges Wohnhaus in Cottbus. Dabei starben sechs Personen, unter anderem der Pilot. 16 weitere Personen wurden verletzt. Beim Landeanflug fiel das Triebwerk aus. Der Pilot versuchte, das Flugzeug nicht über dicht bewohntem Gebiet abstürzen zu lassen. Details zu dem Absturz wurden nicht veröffentlicht und konnten erst nach der Wiedervereinigung ermittelt werden. 131 Fackelzünder für Nachbrenner MHM Berlin-Gatow AAAD0688 130 Nachbrenner sind eine Zusatzeinrichtung eines Turbinenstrahltriebwerks und sorgen für zusätzlichen Schub. Dabei wird hinter der Turbine eingespritzter Treibstoff verbrannt. Dafür werden Fackelzünder benötigt. Die meisten Überschallflugzeuge sind auf Nachbrenner angewiesen, um höhere Geschwindigkeiten zu erreichen. Dieser Fackelzünder stammt aus einem Triebwerk J-79. Es diente unter anderem in den Flugzeugen Lockheed F-104 Starfighter und McDonnell Douglas F-4 Phantom II als Antrieb.

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