Leseprobe

Eine glückliche Entdeckung: Zwei chinesische Spielkartensets im Linckschen Kabinett Zwischen 1781 und 1784 suchte Breitkopf die Linck-Sammlung auf, um die beiden ihm bis dahin unbekannten chinesischen Spielkartensets zu inspizieren.9 Im damals minutiös geführten Gästebuch der Linck-Sammlung ist er als Besucher erstaunlicherweise nicht verzeichnet, was die Vermutung nahelegt, dass das Buch eher dem »offiziellen« Publikum diente, für den Forscherkreis um die Lincks aber weniger von Bedeutung war.10 Ob der Wert und der Gebrauch der hier bewahrten Spielkarten den Sammlern selbst bewusst war, ist schwer zu beantworten: Breitkopf schreibt in seinem Buch nur, er habe die Karten im »Linkischen Cabinett gefunden«, was darauf hindeutet, dass ihre genaue Verwendung in der Sammlerfamilie vermutlich selbst unbekannt war. Eventuell spielte bei der Entdeckung eine Rolle, dass unter Johann Heinrich Linck d. J. die Sammlung bereits für den Index Musaei Linckiani aufgenommen worden war. Doch wie auch immer es sich zugetragen haben mag, die Spielkarten hatten Breitkopf beeindruckt. Er fertigte nicht nur einen ausführlichen Kommentar über ihr Aussehen an, sondern auch eine Lithografie, die die »Zweyerlei sinesische[n] Kartenspiele« aus der Linck-Sammlung zeigt und die er als Tafel VI. in seine Publikation aufnahm (Abb. 3). Dieser ist der bislang einzige bekannte Nachweis der Spielkarten, die heute nicht mehr vorhanden sind. Bedauerlicherweise schweigt sich Breitkopf darüber aus, welcher Künstler die Lithografie für ihn fertigte. Dafür legte er eine ausführliche Beschreibung der Linckschen Karten vor: Das erste Spiel bestand aus »vier Arten Farbeblättern, die aber nicht durch Farben, sondern durch Zeichen und Zahlen über den Blättern, und durch grob geschnittene große Schriftcharaktere von einander unterschieden sind«. Jedes dieser Blätter enthielt neun einzelne Karten mit schwarzen Rückseiten. Das zweite, größere Kartenspiel »hat aber nur dreyerley Arten von Farbeblättern, davon die eine aus einer Art Wurmfiguren mit einem Vogelkopfe; die andere aus gekrönten Mannsköpfen; die dritte aus kleinen Vierecken besteht«. Jede dieser Blätter enthielt zehn Karten. Bei den »Wurmfiguren« handelt es sich eindeutig um Geldspielkarten, die Münzschnüre zeigen. Breitkopf wusste nicht, dass die Kreise chinesische Kupfermünzen symbolisieren, die auf langen Schnüren aufgefädelt sind und über den Spielwert der Karte Auskunft geben.11 Bei den »SINESISCHE SPIELE« (DARSTELLUNG CHINESISCHER SPIELE) um 1780; Lithografie; LinckSammlung; Breite: 43,2 cm, Höhe: 27,6 cm; Inv.-Nr. NAT 266 S1 Teil 2, Nr. 7 Diese Lithografie aus der Linck-Sammlung offenbart die rege Beschäftigung mit der chinesischen Spielkultur im Sachsen des 18. Jahrhunderts. Um ihre Erforschung war der Leipziger Typograf Johann Immanuel Breitkopf besonders bemüht, der im Kabinett der Lincks einige bedeutende Zeugnisse chinesischer Spiele fand und wissenschaftlich auszuwerten versuchte. Auf diesem Weg erhielten die Lincks die Lithografie, die vier verschiedene chinesische Spiele darstellt. Die Bedeutung dieser Spiele oder gar der rahmenden Schriftzeichen kannte aber selbst Breitkopf nicht. Vermutlich hatte ein europäischer Künstler die Szene nach einer chinesischen Originalgrafik angefertigt. 1

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