207 fehlen. Auf Sonnenuhren dagegen war Verlass. Kirchturmuhren, die mit ihrem Glockengeläut einer ganzen Stadt die Zeit verkündeten, mussten möglichst oft mit einer Sonnenuhr korrigiert werden. Um ein populäres Bild zu gebrauchen: Selbst der Glöckner von Notre-Dame brauchte eine Sonnenuhr! Alle Sonnenuhren folgen einem einfachen Funktionsschema, welches im Detail – abhängig von den Ansprüchen bezüglich Genauigkeit und künstlerischer Gestaltung – auch komplizierter sein kann. Sie bestehen im Wesentlichen aus einer horizontalen oder vertikalen Platte mit Linien zur Stundenanzeige und einem gemäß der geografischen Breite des Ortes oder der Region geneigten Stab. Der große Bedarf an Zeitbestimmung konnte deshalb leicht von qualifizierten Laien, die Sonnenuhren herstellten, gedeckt werden. Wandernde Handwerksburschen hatten hölzerne Sonnenuhren, um zu wissen, ob die nächste Herberge noch im Sonnenlicht erreichbar sei. Reiche Händler und Ratsherren hatten sie in Elfenbein oder vergoldetem Messing, um ihre teuren Räderuhren danach zu stellen und die Marktzeiten und Ratssitzungen nicht zu verpassen. Und schließlich fanden sie sich als Produkte großer Kunstfertigkeit in edlen Materialien in den Audienzräumen und Raritätenkammern von Fürsten, Kaisern und Bischöfen. Die vielfältige Verwendung führte zu einem Gestaltungsreichtum, den kaum ein anderes wissenschaftliches oder technisches Instrument aufweisen kann, die Bandbreite reicht von einfachen Horizontalsonnenuhren bis zu aufwendig gestalteten Polyedersonnenuhren mit einer Vielzahl von Anzeigeflächen aus verschiedenen hochwertigen Materialien.1 Sonnenuhren stellen wichtige Zeugnisse der Sozialgeschichte, Naturwissenschaft und Technik dar. Die acht Sonnenuhren des Naturalienkabinetts Waldenburg stehen stellvertretend für verschiedene Typen sowie verschiedene Herstellungsweisen dieser Zeitmesser (Abb. 1 bis 8). Drei Sonnenuhren sind die eher selten aufzufindenden Würfel- und Polyedersonnenuhren, die in ihrer Berechnung und Herstellung recht aufwendig sind; weitere drei Objekte sind Klappsonnenuhren, ein weit verbreiteter Typ der Taschen- oder Reisesonnenuhren; die übrigen zwei sind Horizontalsonnenuhren.2 Zeitmesser als Wegbegleiter Das bemerkenswerteste Objekt der Sammlung ist ohne Zweifel die Polyedersonnenuhr von Christoph Jacobi, doch verdienen gerade die einfachen, aus Holz gefertigten Sonnenuhren ebenfalls Aufmerksamkeit. Während die Sonnenuhr mit der Inventarnummer NAT V 167 M gemäß der darauf befindlichen Meistermarke in Form einer Hand von Leonhard Andreas Karners in Nürnberg stammt, wurde NAT V 168 M offenbar von einem örtlichen Handwerker gefertigt, wohl etwa zu derselben Zeit. Beide sind Klappsonnenuhren und bestehen aus zwei Holzplättchen von etwa 5 bis 6 cm Breite und 6 bis 8,5 cm Länge, die mittels Drahtscharnieren miteinander verbunden sind. Werden die Plättchen zusammengeklappt, lassen sich die Sonnenuhren geschützt in der Kleidung oder im Gepäck verstauen. Zur Zeitnahme werden sie geöffnet, woraufhin sich zwischen den Plättchen ein Faden aufspannt. Dessen Schatten fällt sowohl auf die Skala der horizontalen Sonnenuhr der Grundplatte als auch auf die der vertikalen Sonnenuhr des Deckplättchens. Sie zeigt die richtige Zeit an, wenn die Uhr mittels des Kompasses exakt nach Norden ausgerichtet wurde. Die Sonnenuhr NAT V 167 M (Abb. 7) entstand um 1720 und weist zusätzlich kleine Skalen zur Anzeige der Stunden nach Sonnenauf- bzw. Sonnenuntergang auf, die sogenannten italienischen oder babylonischen Stunden. Die Skalen und Verzierungen wurden eingeritzt und mit schwarzer oder roter Farbe nachgezogen. Für die Ziffern wurden offenbar Stempel verwendet, was auf eine Werkstatt verweist, in der Sonnenuhren in größerer Stückzahl gefertigt wurden.
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