reusenartigen Armgeflecht eingefangen und entlang einer Nahrungsrinne auf der Unterseite der Arme zur Mundöffnung in der Mitte der Zentralscheibe transportiert. Es braucht nicht viel Fantasie, um sich das von Schlangen züngelnde Haupt der Medusa vorzustellen. Das im Naturalienkabinett Waldenburg gezeigte Stück (Abb. 1) ist Teil der Linckschen SeesternSammlung, die die Grundlage des 1733 von Johann Heinrich Linck d. Ä. veröffentlichten Werkes De stellis marinis bildete. Es ist die weltweit erste wissenschaftliche Monografie über sogenannte Seesterne, wobei die von den eigentlichen Seesternen (Asteroidea) zu unterscheidenden Haarsterne (Crinoidea) und Schlangensterne (Ophiuroidea) – zu denen das Gorgonenhaupt gehört – ebenfalls berücksichtigt werden.1 Lincks Beschreibung des Gorgonenhauptes Die in De stellis marinis abgedruckten Kupferstiche zeigen das Gorgonenhaupt lediglich im Detail, das gesamte Tier wird darin nicht abgebildet (Abb. 2, 3). Es gibt Ansichten der Zentralscheibe von beiden Seiten und die Zeichnung eines Armes mit seinen Verzweigungen.2 Die Beschreibung des Tieres erfolgt nach der damals bereits üblichen Klassifikation in Gattung (Genus) und Art (Spezies), aber erst 1735 erscheint mit Systema Naturae des schwedischen Botanikers Carl von Linné ein einheitliches Klassifikationssystem für Tiere, Pflanzen und Mineralien, das jeder Art einen eindeutigen lateinischen Doppelnamen (Binomen), bestehend aus Gattungs- und Artnamen, zuweist. Linné schuf damit ein einfaches und bis heute gültiges System für die Ordnung des Lebendigen, einen Meilenstein in der systematischen Biologie und eine entscheidende Grundlage für das, was wir heute Biodiversitätsforschung3 nennen. Johann Heinrich Linck d. Ä. hatte von alldem bei seiner Beschreibung noch keine Kenntnis. Seine Gattungs- und Artbenennung ist eine Ansammlung von Begrifflichkeiten, die möglichst typische Eigenschaften des Tieres inklusive der Herkunft bereits in dessen Namen abzubilden versucht, so auch für das hier besprochene Exemplar: Astrophyton scutatum scuto rotato ramis similaribus ex mari albo – ein Sternschild mit gleichförmigen, im Kreis angeordneten Strahlen aus dem weißen Meer. Wiewohl Linck die Oberseite der Zentralscheibe des Gorgonenhauptes begrifflich sehr gut erfasst, ist augenfällig, dass mit dieser Art der Namensgebung, die der wortreichen Charakterisierung eines Tieres gleicht, eine systematische oder verwandtschaftliche Einordnung kaum möglich ist. Auch der deutsche Name »Gorgonenhaupt« kommt bei Linck noch nicht vor. Er konzentriert sich auf das auffälligste Merkmal des Tieres: die strahlenförmigen Leisten auf der morphologischen Oberseite der Zentralscheibe. Lincks Namensgebung funktioniert wie eine Bestimmungshilfe, während bei Linné die Eigenschaftsbeschreibung der Art in nur einem einzigen Wort, dem Art-Epitheton, Platz findet. Das hat zur Folge, dass dem Namen zwingend eine weitere Beschreibung folgen muss, da charaktergebende Eigenschaften im Artnamen nur sehr allgemein untergebracht werden können, wie etwa pratensis für »auf einer Wiese vorkommend« oder silvestris für »im Wald vorkommend«. Da diese Beispiele auf mehrere Arten zutrafen, waren Dopplungen möglich, aber nur dann zulässig, wenn die Arten gleichen Namens unterschiedlichen Gattungen zugeordnet werden konnten. Dies mündete in einem hierarchischen, geschachtelten System, das man beliebig erweitern kann. 139
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