Leseprobe

nicht, führte das Waldenburger Museum doch seit 1948 den Namenszusatz »Heimatmuseum«, sodass es sich dem Namen nach vielmehr in die zahlreichen lokalgeschichtlichen, kleinen Museen einreihte. Während also zu DDR-Zeiten die bedeutsamen Sammlungsbestände des Naturalienkabinetts durch diesen Namen eher verschleiert wurden, war das Urteil MacGregors klar und eindeutig: Noch 1996 bekräftigte er in einem Schreiben an die damalige Museumsleiterin Ulrike Budig, dass er »most impressed« von der Waldenburger Sammlung gewesen sei.2 Eine fürstliche Museumsgründung Dass das Naturalienkabinett einmal einen solch besonderen Eindruck auf seine Besucher hinterlassen würde, verdankte sich den energischen Bemühungen seines Museumsgründers Fürst Otto Victor I. von Schönburg-Waldenburg. Seit den 1830er Jahren hatte er sich mit dem Aufbau einer eigenen Sammlung auseinandergesetzt, ließ seit 1838 systematisch Privatsammlungen für Waldenburg begutachten und ankaufen und konnte knapp acht Jahre später, nämlich 1845/46, die Einrichtung des uns heute vertrauten Naturalienkabinetts abschließen. Zwei Aktenbände bündeln diese spannenden Vorgänge,3 erklären aber nicht die Gründungsmotivation des Fürsten. Immer wieder wurden dessen Bildungsbestrebungen genannt, die unter anderem Neugründungen wie das Schönburgische Schullehrerseminar im Jahr 1844 nach sich zogen und in die sich ein Museum als öffentliche Bildungsstätte gut einfügte.4 Es spricht jedoch einiges dafür, das Naturalienkabinett eben nicht nur als von Anfang an öffentliche und bildungsbürgerliche Einrichtung, sondern auch als späten Vertreter fürstlicher Universal- und Kunstsammlungen privaten und repräsentativen Charakters anzusehen, die in einigen Punkten sogar frühneuzeitlichen Mustern folgt. So muss man festhalten, dass es bis zum Zeitpunkt der Erhebung Otto Carl Friedrichs von Schönburg-Waldenburg in den Fürstenstand im Jahr 1790 keine repräsentative Sammlung in Waldenburg gegeben hatte, wie man sie in vergleichbaren Fürstenhäusern, so etwa im benachbarten Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt mit einem eigenen Naturalienkabinett längst besaß.5 Auch der anfangs angedachte Ort für die neue Sammlung lässt aufhorchen: Für die neuen Sammlungen ließ Fürst Otto Victor bis September 1840 den Dachboden oberhalb der fürstlichen Reithalle als Museum herrichten und mit eigens angefertigten Vitrinen aus Eichenholz und Rauchglasscheiben bestücken (Abb. 1). Die obere Etage der fürstlichen Reithalle als Museumsräume zu nutzen, war schon seit dem 16. Jahrhundert etwa in den Residenzen in München oder in Hessen-­ Kassel Praxis, insbesondere da es zunächst an eigenen Sammlungsräumen mangelte.6 Es waren schlechte klimatische Verhältnisse und Schimmelbefall in der neu eingerichteten Sammlung, die in Waldenburg um 1844 zum Entschluss führten, die oberen Räume in der Reithalle aufzugeben und im rechten Winkel dazu ein neues Haus zu bauen, das 1845/46 vollendet wurde. Doch auch dieses Gebäude war ein fürstlicher Multifunktionsbau mit einer Remise für Wagen und fürstliche Prunkschlitten im Erdgeschoss, einer Lagerfläche für Theaterkulissen im ersten Obergeschoss und dem Naturalienkabinett im zweiten Obergeschoss. Auch wenn wiederholt auf die Zugänglichkeit des Naturalienkabinetts durch die Öffentlichkeit hingewiesen wurde,7 belegen die bei der Fürstlichen Kanzlei geführten Museumsakten zunächst eher einen privaten Umgang mit der Sammlung durch die Fürstenfamilie. Neben den jeweils amtierenden Museumswärtern und -aufsehern8 besaßen die Fürsten eigene Schlüssel zu den Ausstellungsräumen und -vitrinen und überwiesen bis weit in das 20. Jahrhundert hinein immer wieder Sammlungsstücke. Mitunter diente das Naturalienkabinett sogar als zeitweiliger Aufbewahrungsort kleinerer Privatkollektionen wie von Otto Sigismund, Prinz von Schönburg-Waldenburg oder Prinzessin Luise von Schönburg-Waldenburg.9 Obwohl Gästebücher oder einschlägige Berichte fehlen, 29

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