Leseprobe

». . . die Schönheit der ganzen Welt« HE I NR I CH TADDE L UND SE I N STE I NKAB I NETT IM GRÜNEN GEWÖLBE

Staatliche Kunstsammlungen Dresden und Technische Universität Bergakademie Freiberg Gerhard Heide, Ulf Kempe, Michael Wagner und Marius Winzeler unter Mitarbeit von Meghan McNamee S AN D ST E I N HE I NR I CH TADDE L UND SE I N STE I NKAB I NETT IM GRÜNEN GEWÖLBE ». . . die Schönheit der ganzen Welt«

6 Zum Geleit MAR ION ACKERMANN 8 Eine Einführung MAR I US WI NZE L ER , GERHARD HE I DE Faszination Schmucksteine: Kunst und Geologie am Dresdner Hof 15 Steinschnittobjekte im Grünen Gewölbe – Kunst und Naturschätze als Repräsentationsmittel der sächsischen Kurfürsten MEGHAN MCNAMEE 25 Steinkabinette – Sammlungsgegenstand oder Kunstobjekt? MEGHAN MCNAMEE Das Steinkabinett von Heinrich Taddel 36 Bildkatalog des Taddelschen Steinkabinetts 55 Heinrich Taddel – Goldschmied, Freimaurer, Geheimer Kämmerer und Inspektor des Grünen Gewölbes UL F KEMPE , MART I N WAGNER 73 Das wechselvolle Schicksal des Steinkabinetts von Heinrich Taddel UL F KEMPE , MI CHAE L WAGNER 87 Die Restaurierung und Neuordnung des Steinkabinetts von Heinrich Taddel MI CHAE L WAGNER , UL F KEMPE 95 Gegenstücke. Durch den Steinschnitt getrennt – nach Jahrhunderten wiedervereint UL F KEMPE , ANDREAS MASSANEK , KLAUS THALHE IM, MI CHAE L WAGNER 109 An der Schnittstelle zwischen Kunstgeschichte und Naturwissenschaften – Untersuchungen am Steinkabinett von Heinrich Taddel UL F KEMPE , MI CHAE L WAGNER , ULR I KE WE I NHOLD, RE I NHARD KL EEBERG

Neue Erkenntnisse zu Steinschnittobjekten in musealen Sammlungen 119 Die Neuentdeckung eines Werkes von Ottavio Miseroni und Jan Vermeyen UL F KEMPE , MI CHAE L WAGNER 127 »Silberachat« von Johanngeorgenstadt – Schmuckstein für einen Konsoltisch im Dresdner Residenzschloss UL F KEMPE , ANDREAS MASSANEK , MI CHAE L GÄBE L E I N 133 Geschliffene Spielmarken – Glücksgewinn aus Achat und Jaspis MI CHAE L J . KA I SER Vergessene edle Steine 147 Die historische Nutzung des »Gnandsteiner Bandjaspis« UL F KEMPE , MART I N WAGNER , MI CHAE L WAGNER 151 Der »Carniol-Bruch« von Chemnitz-Altendorf und der tiefrote Jaspis vom Geisingberg bei Altenberg UL F KEMPE 159 Gelb-roter Jaspis aus Rüsdorf bei St. Egidien UL F KEMPE , BERND LAHL 171 Der »Tigerstein« von Korbitz bei Meißen UL F KEMPE 179 Klingstein (Phonolith) aus Teplitz als Schmuckstein UL F KEMPE Katalog 187 1 Kabinettschrank mit Bergkristalleinlagen 2 Freiberger Ratskruzifix 3 Deckelschale mit Reiter als Bekrönungsfigur 4 Moses auf dem Berge Sinai 5 Tabatiere aus Jaspis 6 Tabatiere mit Perlmuttrelief 7 Tabatiere aus Gangquarz 8 Tabatiere aus »Gnandsteiner Bandjaspis« 9 Rechteckiger Sockel zum Tafelaufsatz für Kurfürst Friedrich August III. 10 Prunkkamin 11 Steinkabinetttisch Anhang 236 Verzeichnisse der kunsthistorischen und mineralogischen Ausstellungsobjekte 246 Quellen und Literatur 254 Personenverzeichnis 255 Autorinnen und Autoren 256 Impressum

15 Wer durch die einstigen königlich-kurfürstlichen Sammlungen im Grünen Gewölbe geht, wird mit Hunderten von Werken verschiedener Stile und Materialien konfrontiert, mit Gold und Silber oft in Kombination mit Nautilusgehäusen, Elfenbein, Straußeneiern, Bergkristall, Juwelen und einer großen Vielfalt von Schmucksteinen aus Sachsen und der ganzen Welt. Die Präsenz dieser Steine, insbesondere der sächsischen, hat eine lange Geschichte, die mit der Genese des Grünen Gewölbes eng zusammenhängt. Sachsen, speziell das Erzgebirge, gilt seit jeher als wichtige Bergbauregion, die nicht nur Silber, Zinn, Kobalt, Zink, Blei und andere Metalle, sondern auch Schmucksteine wie Jaspis, Amethyst, Korallenachat und Serpentinit hervorgebracht hat. Diese Steine wurden zu Gefäßen wie etwa Prunkschalen, Tafelaufsätzen, Verzierungen auf Möbeln und anderen kostbaren Kunstgegenständen verarbeitet. Über mehrere Generationen hinweg bauten die jeweiligen Landesherren ihre Sammlungen aus und nutzten Kunstwerke ebenso wie Naturwunder zur Darstellung ihrer persönlichen und politischen Interessen. Dabei kam den sächsischen Bodenschätzen und Gesteinen eine zentrale Bedeutung zur Inszenierung von Reichtum, Macht und Schönheit des eigenen Landes zu. MEGHAN MCNAMEE Steinschnittobjekte im Grünen Gewölbe Kunst und Naturschätze als Repräsentationsmittel der sächsischen Kurfürsten Die Anfänge der kurfürstlichen Sammlungen im 16. und 17. Jahrhundert Die Grundlage für die kurfürstliche Schatzkammer wurde Mitte des 16. Jahrhunderts von Moritz, dem ersten Kurfürsten der albertinischen Wettiner, gelegt. Bereits in den Inventaren der Silberkammer von 1543 und 1546 – noch bevor Moritz zum Kurfürsten ernannt wurde – sind Pokale und Becher aus Jaspis sowie Bergkristall verzeichnet.1 Nach Moritz’ Tod setzte sein Bruder und Nachfolger August die Erweiterung der Sammlungen fort und formte den Nukleus dessen, was später zur Kunstkammer und zum Grünen Gewölbe werden sollte. Seine politischen Verbindungen nach Italien prägten sowohl seine Politik als auch seine Sammlungen und die Hofkultur, wie die Präsenz italienischer Künstler, allen voran des umtriebigen Giovanni Maria Nosseni, zeigt. Nosseni wurde 1575 nach Dresden berufen und erhielt eine Sondergenehmigung des Kurfürsten, in den sächsischen Bergwerken nach Marmor und anderen Steinen, darunter Alabaster und Serpentinit, zu suchen, um sie für seine Werke zu verwenden.2

16  Abb. 1 Prunkgefäße aus Zöblitzer Serpentinit, Urban Schneeweiß (Goldschmied), Schliff: Zöblitz bei Marienberg in Sachsen, Fassung: Dresden, kurz vor 1585, H. 28,4–31,3 cm, Grünes Gewölbe, SKD, Inv.-Nrn. V 386, V 389, V 390, V 397, V 399  Abb. 2 Schale auf einem Delphin, Ottavio Miseroni, Prag, um 1605– 1610, Bergkristall, Gold, Email, H. 12,8 cm, Grünes Gewölbe, SKD, Inv.-Nr. V 310

17 Zu den schon damals vorhandenen Beispielen der Steinschneidekunst gehören mehrere Gefäße aus Alabaster und aus Zöblitzer Serpentinit mit vergoldeten Silberfassungen des Dresdner Goldschmieds Urban Schneeweiß (Abb. 1).3 Die Gestaltung dieser gedrechselten Gefäße könnte von Nosseni beeinflusst worden sein, auch wenn der genaue Umfang seines Wirkens schwer zu definieren ist. Nachweislich hatte er 1590 die fürstliche Sondergenehmigung erhalten, die gesamte Schmuckstein- und Marmorproduktion in Sachsen zu beaufsichtigen, darunter auch die Serpentinitdrechselei in Zöblitz.4 Entsprechende Serpentinit- und Alabastergefäße sind neben anderen Goldschmiedearbeiten und Pretiosen im Inventar der Kunstkammer von 1587 aufgeführt. Christian I. hatte nach seinem Amtsantritt in jenem Jahr Augusts Sammlung von Instrumenten, wissenschaftlichen Geräten und Uhren im Dachgeschoss des Westflügels des Dresdner Residenzschlosses zusehends in eine der Öffentlichkeit zugängliche Kunstkammer umgewandelt.5 Daneben existierte die Schatzkammer, die »Geheime Verwahrung«, untergebracht in der Sala terrena, dem Sommergartensaal des Erdgeschosses, der mit Kupfergrün bemalte Säulenkapitelle und Wandfelder aufwies und deshalb das »Grunne Gewelb« genannt wurde. Dort befanden sich sechs Schränke mit insgesamt 11 144 verzeichneten Gegenständen – Minerale und Steine, Gold- und Silbererze, Korallen, Objekte aus Bergkristall und Bernstein.6 Das Kunstkammer-Inventar von 1587 führt zudem eine Sammlung von Gesteinsproben auf, die das Ergebnis von Nossenis Expeditionen in die Bergwerke waren: »ahn Marmell Serpentin Jaspis vnd Amastistenstuffen, welche in Seiner Churfürstlichen Gnaden Landes mehrenteils zu befinden und durch Johan Mariam Nossenum probirt vnd vbergeben worden.«7 Allerdings blieben nicht alle von Nosseni gesammelten Steinproben im Besitz des sächsischen Kurfürsten, wie dessen Privileg von 1585 belegt. Darin forderte er Nosseni auf, weiter Interesse für die sächsischen Steinvorkommen zu wecken, indem er Proben an andere Höfe schicken sollte, etwa an die Medici oder den Kaiser in Prag. Damit warb August für die Schönheit und die Kostbarkeit der sächsischen Naturschätze über seinen eigenen Hof hinaus. Das fand seine Fortsetzung noch nach Augusts Tod durch seinen Enkel Christian II., der 1601 und 1605 von Nosseni gesammelte Proben aus Marmor und anderen Schmucksteinen an den Kaiserhof Rudolfs II. nach Prag schicken ließ.8 Rudolf und seine kaiserlichen Schätze hatten zu der Zeit einen enormen Einfluss auf die Entwicklung der frühneuzeitlichen Kunstkammer, darunter auch die kurfürstliche Sammlung in Dresden. Christian II., der wie August ein großes Interesse am Sammeln hatte, war während seiner beiden Besuche in Prag 1607 und 1610 von der kaiserlichen Kunstkammer stark beeindruckt. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts war Prag neben Florenz und Mailand eines der bedeutendsten Zentren der Steinschneidekunst in Europa. Besonders hervorzuheben sind die von Giovanni Castrucci und seiner Werkstatt in der Technik des commesso di pietre dure geschaffenen Landschaftsbilder, die als eigenständige Werke gefertigt oder in Tischplatten und Möbelstücke integriert wurden. Ebenso wichtig waren die mit Reliefs verzierten, geschliffenen ovalen Schalen aus böhmischen Steinen oder Bergkristall aus der Werkstatt von Ottavio Miseroni.9 Drei solcher Bergkristallschalen erwarb der sächsische Kurfürst bei seinen Besuchen in Prag (Abb. 2), und als diplomatisches Geschenk erhielt er vom Kaiser ein auf Stein gemaltes Bild des Prager Hofmalers Hans von Aachen mit dem sächsischen Wappen in commesso di pietre dure aus der Werkstatt der Castrucci auf der Vorderseite (Abb. 3).10 Abb. 3 Kursächsisches Wappen (commesso di pietre dure) mit rückseitigem Ölgemälde auf Jaspis, Castrucci-Werkstatt, Prag, 1604– 1607, Jaspis, Achat, Amethyst, 75 böhmische Granate, Gold, Ebenholzrahmen, H. 26,5 cm, Grünes Gewölbe, SKD, Inv.-Nr. II 434

18 Einige dieser von Christian II. für die sächsische Kunstkammer erworbenen Kostbarkeiten konnten von zeitgenössischen Gästen bewundert werden, so etwa vom Augsburger Patrizier und Kunstagenten Philipp Hainhofer, der die Dresdner Kunstkammer 1617 und 1629 besichtigte. Seine Reiseberichte ermöglichen einen Einblick in die historische Präsentation und den Inhalt der Sammlung. In seinem Reisebericht von 1617 werden auch Erze und Steinarbeiten erwähnt, darunter jenes von Rudolf II. geschenkte Steinbild, das Hainhofer als »tauole di remesso mit Landschaften und Sächsischen Wappen« bezeichnete, sowie die große Smaragdstufe, ein kaiserliches Präsent von 1581, und ein Schreibtisch aus Jaspis.11 In seinem etwas ausführlicheren Reisebericht von 1629 bezeichnete Hainhofer den sechsten Raum der Kunstkammer ausdrücklich als Mineralienkammer, in der Erzstufen, Minerale und Gesteine aus sächsischen Bergwerken ausgestellt waren.12 Außerdem vermerkte Hainhofer in der vierten Kammer eine Sammlung von Gefäßen und Tafelgeschirr aus Marmor, Alabaster, Serpentinit und anderen sächsischen Steinen – wahrscheinlich einige der Exemplare, die im ersten Kunstkammerinventar von 1587 aufgeführt sind.13 Wenige Jahre nach Hainhofers zweitem Besuch wurde die Kunstkammer unter Johann Georg I. in den Jahren 1633 und 1640 modernisiert, indem neue Werke aus dem Schatzdepot in die Kunstkammer gebracht und neue Vitrinen zu deren Präsentation aufgestellt wurden.14 Während der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurden nur wenige Änderungen vorgenommen, weiterhin diente die kurfürstliche Kunstkammer als Ort fürstlicher Repräsentation. Die sächsischen Schätze zogen jedes Jahr Hunderte von Gästen aus ganz Europa an.15 Erweiterung und Ausbau zum Schatzkammermuseum unter August dem Starken Erst zum Ende des 17. Jahrhunderts erlebten Kunst- und Schatzkammer grundlegende Änderungen durch Kurfürst Friedrich August I., genannt August der Starke. Wenige Jahre nach seinem unerwarteten Herrschaftsantritt 1694 gelang es dem Kurfürsten, seinen Status zu erhöhen. 1697 wurde er zum König von Polen und Litauen gewählt. Seine Ambitionen und sein Wunsch, sich als europäischer Monarch darzustellen, manifestieren sich in seinen Kunstsammlungen und -aufträgen. Wie seine Vorgänger August und Christian II. zeigte August der Starke ein besonders großes Interesse an der Erweiterung der fürstlichen Sammlungen. Unter ihm entwickelte sich die Schatzkammer zu einer eindrucksvollen öffentlichen Inszenierung seiner fürstlichen Macht. Während Augusts fast 40-jähriger Regierungszeit wurde Dresden zu einem der führenden europäischen Kunstzentren des 18. Jahrhunderts. Eng verbunden mit den Kunstsammlungen Augusts des Starken sind die Werke des Goldschmieds Johann Melchior Dinglinger, der 1698 zum Hofjuwelier ernannt wurde. Dinglinger, der bis zu seinem Tod 1731 am sächsischen Hof wirkte, schuf für den Kurfürst-König eine Reihe bedeutender Werke, darunter das Goldene Kaffeezeug (1701), den Thron des Großmoguls Aureng-Zeb (1701–1708) und den Obeliscus Augustalis (1719–1722), die den prunkvollen Stil des »Augusteischen Barock« prägten. Charakteristisch dafür ist die Verwendung einer Vielzahl von Materialien, zum Beispiel Silber und Gold, Elfenbein, Email sowie Juwelen und Kameen, die höchste Kunstfertigkeit demonstrierten. Eine prominente Rolle spielten auch Prunkschalen, die oft unter Wiederverwendung älterer geschliffener Steingefäße entstanden und mit aufwendigen Montierungen aus Edelsteinen und Email versehen wurden (Abb. 4). Mit zunehmender Vergrößerung seiner Sammlung beschloss August 1722, diese neu zu ordnen und in ein öffentlich zugängliches Schatzkammermuseum zu überführen. Im Mittelpunkt der Präsentation standen die Hauptwerke Dinglingers, darunter der neu erworbene Obeliscus Augustalis, der nicht nur als imposanter Raumschmuck, sondern auch als kraftvolle Herrschaftsdarstellung Augusts diente. An dem Obelisken sind zahlreiche in- und ausländische Schmucksteine verarbeitet worden. Gleichzeitig mit dem Obelisken erwarb der Kurfürst ein Kabinettstück mit einer antiken Kamee von Kaiser Claudius, einige Prunkgefäße sowie eine Sammlung von geschliffenen Steinschalen aus Sardonyx, Granat, Jaspis, Chalcedon und anderen kostbaren Schmucksteinen.16 Der Ausbau des Grünen Gewölbes unter August dem Starken erfolgte in zwei Phasen: von 1723 bis 1724 und von 1727 bis 1729. Die ab 1723 erfolgten Veränderungen im Grünen Gewölbe und die Neuordnung der Schätze und Kunstwerke Abb. 4 Prunkschale mit der Zauberin Medea Johann Melchior Dinglinger (Goldschmied), Steinschnitt: Mailand, um 1590, Fassung: Dresden, kurz vor 1709, Jaspis, Gold, Email, Diamanten, H. 29,8 cm, Grünes Gewölbe, SKD, Inv.-Nr. VI 93

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Steinkabinett Das von Heinrich Taddel

36 Bildkatalog des Taddelschen Steinkabinetts No. 1 No. 2 No. 3 No. 4 No. 9 No. 10 No. 11 No. 12 No. 17 No. 18 No. 19 No. 20 No. 5 No. 6 No. 7 No. 8 No. 13 No. 14 No. 15 No. 16 »Orientalische und andere Ausländische Steine« 

37 No. 21 No. 22 No. 23 No. 24 No. 25 No. 26 No. 27 No. 28 No. 29 No. 30 No. 31 No. 32 No. 33 No. 34 No. 35 No. 36 No. 37 No. 38 No. 39 No. 40 No. 41 No. 42 No. 43 No. 44

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48 historische Nr. historische Ansprache moderne Ansprache Fundort Inv.-Nr. »Orientalische und Ausländische Steine« No: 1 orientalischer grüner Jaspis Heliotrop Indien I 15 a/1 No: 2 orientalischer grüner Jaspis Heliotrop Indien I 15 a/2 No: 3 orientalischer grüner Jaspis Plasma Indien I 15 a/3 No: 4 orientalischer grüner Jaspis Heliotrop Indien I 15 a/4 No: 5 orientalischer grüner Jaspis Heliotrop Indien I 15 a/5 No: 6 Jaspis aus Egypten im Niel Strohm Hornstein Ägypten I 15 a/6 No: 7 Jaspis aus Egypten im Niel Strohm Hornstein Ägypten I 15 a/7 No: 8 Jaspis aus Egypten im Niel Strohm Hornstein Ägypten I 15 a/8 No: 9 Jaspis aus Egypten im Niel Strohm Hornstein Ägypten I 15 a/9 No: 10 Jaspis aus Egypten im Niel Strohm Hornstein Ägypten I 15 a/10 No: 11 Jaspis aus Italien Jaspis Ziegenberg/Kozákov bei Turnov/Turnau, Böhmen I 15 a/11 No: 12 Jaspis aus der Schweitz an der Italiänischen Grenze Hornstein Südbaden I 15 a/12 No: 13 Jaspis aus der Schweitz an der Italiänischen Grenze Hornstein Südbaden I 15 a/13 No: 14 Jaspis aus der Schweitz an der Italiänischen Grenze Hornstein Südbaden I 15 a/14 No: 15 Jaspis aus der Schweitz an der Italiänischen Grenze Hornstein Südbaden I 15 a/15 No: 16 Jaspis aus der Schweitz an der Italiänischen Grenze Jaspis Giuliana, Sizilien I 15 a/16 No: 17 Jaspis aus der Schweitz an der Italiänischen Grenze Jaspis Giuliana, Sizilien I 15 a/17 No: 18 Jaspis aus der Schweitz an der Italiänischen Grenze Hornstein Südbaden I 15 a/18 No: 19 Jaspis aus Bareyth Hornstein unbekannt I 15 a/19 No: 20 Jaspis aus Bareyth verschweißter vulkanischer Aschetuff unbekannt I 15 a/20 No: 21 Jaspis aus Syberien Jaspis Giuliana, Sizilien I 15 a/21 No: 22 Jaspis aus Böhmen Jaspis Kozákov bei Turnov, Böhmen I 15 a/22 No: 23 Jaspis aus Böhmen Jaspis Kozákov bei Turnov, Böhmen I 15 a/23 No: 24 Jaspis aus Böhmen Jaspis Kozákov bei Turnov, Böhmen I 15 a/24 No: 25 Jaspis aus Böhmen Jaspis Kozákov bei Turnov, Böhmen I 15 a/25 No: 26 Jaspis aus Böhmen gebranntes Gestein (»Porzellanit«) Nordböhmen, Gebiet Teplitz/ Teplice oder Karlsbad/Karlovy Vary I 15 a/26 No: 27 Jaspis aus Böhmen Trümmerjaspis Kozákov bei Turnov, Böhmen I 15 a/27 No: 28 Jaspis aus Böhmen Sodalith-Phonolith Neuhof/Nový Dvůr bei Teplice, Böhmen I 15 a/28 No: 29 Jaspis aus Böhmen Jaspis Kozákov bei Turnov, Böhmen I 15 a/29 No: 30 Jaspis aus Böhmen Jaspis Kozákov bei Turnov, Böhmen I 15 a/30 No: 31 Jaspis aus Böhmen Jaspis ungeklärt, evtl. Kozákov bei Turnov, Böhmen I 15 a/31 No: 32 rother orientalischer Carniol gebrannter Karneol ungeklärt, evtl. Gujarat, Indien I 15 a/32 No: 33 orientalischer weiß und rother Carniol gebrannter Karneol ungeklärt, evtl. Gujarat, Indien I 15 a/33 No: 34 orientalischer weiß und rother Carniol Achat Schlottwitz, Müglitztal I 15 a/34

49 historische Nr. historische Ansprache moderne Ansprache Fundort Inv.-Nr. No: 35 orientalischer Mocco Stein Chalcedon (»Mokkastein«) Harda, Madhya Pradesh, Indien I 15 a/35 No: 36 orientalischer Sardonix Achat unbekannt I 15 a/36 No: 37 orientalischer Sardonix Achat unbekannt I 15 a/37 No: 38 orientalischer Lapis Lazali Lapislazuli Badachschan, Hindukusch, Afghanistan I 15 a/38 No: 39 Lapis Lazali aus Syberien Lapislazuli Badachschan, Hindukusch, Afghanistan I 15 a/39 No: 40 Lapsi Lazali aus Ungarn Lapislazuli Badachschan, Hindukusch, Afghanistan I 15 a/40 No: 41 Crisophras aus Schlesien Chrysopras Schlesien, Polen I 15 a/41 No: 42 orientalischer Agat Achat (Chalcedon) Harda, Madhya Pradesh, Indien I 15 a/42 No: 43 Agat hinter Frankfurth amMayn bey Mainz Achat Nahe-Gebiet, Idar-Oberstein I 15 a/43 No: 44 Agat hinter Frankfurth amMayn bey Mainz Jaspis, teils als Moosachat ungeklärt, evtl. Kozákov bei Turnov, Böhmen I 15 a/44 No: 45 Agat hinter Frankfurth amMayn bey Mainz Achat Nahe-Gebiet, Idar-Oberstein I 15 a/45 No: 46 Agat hinter Frankfurth amMayn bey Mainz Achat Nahe-Gebiet, Idar-Oberstein I 15 a/46 No: 47 Agat hinter Frankfurth amMayn bey Mainz Achat Nahe-Gebiet, Idar-Oberstein I 15 a/47 No: 48 Holz Stein bey Coburg verkieseltes Holz ungeklärt I 15 a/48 No: 49 Holz Stein bey Coburg verkieseltes Holz ungeklärt I 15 a/49 No: 50 Holz Stein bey Coburg verkieseltes Holz ungeklärt I 15 a/50 No: 51 Holz Stein bey Coburg verkieseltes Holz ungeklärt I 15 a/51 No: 52 Holz Stein bey Coburg verkieseltes Holz ungeklärt I 15 a/52 No: 53 orientalischer Agat Achat unbekannt I 15 a/53 No: 54 orientalischer Calcedon Chalcedon (mit Achat) unbekannt I 15 a/54 No: 55 orientalischer Cristall Bergkristall unbekannt I 15 a/55 »Innländische Steine« No: 1 Jaspis bey Waldheim verschweißter vulkanischer Aschetuff (»Gnandsteiner Bandjaspis«) Streitwald bei Kohren-Salis I 15 b/1 No: 2 Jaspis bey Waldheim verschweißter vulkanischer Aschetuff (»Gnandsteiner Bandjaspis«) Streitwald bei Kohren-Salis I 15 b/2 No: 3 Jaspis bey Waldheim verschweißter vulkanischer Aschetuff (»Gnandsteiner Bandjaspis«) Streitwald bei Kohren-Salis I 15 b/3 No: 4 Jaspis bey Waldheim verschweißter vulkanischer Aschetuff (»Gnandsteiner Bandjaspis«) Streitwald bei Kohren-Salis I 15 b/4 No: 5 Jaspis bey Zwickau Jaspis (als Moosachat) Rüsdorf bei St. Egidien I 15 b/5 No: 6 Jaspis bey Zwickau Jaspis (als Moosachat) Rüsdorf bei St. Egidien I 15 b/6 No: 7 Jaspis bey Zwickau Jaspis (als Moosachat) Rüsdorf bei St. Egidien I 15 b/7 No: 8 Jaspis bey Zwickau Jaspis (als Moosachat) Rüsdorf bei St. Egidien I 15 b/8 No: 9 Jaspis bey Zwickau Jaspis (als Moosachat) Rüsdorf bei St. Egidien I 15 b/9 No: 10 Jaspis bey Zwickau Jaspis (als Moosachat) Rüsdorf bei St. Egidien I 15 b/10 No: 11 Jaspis bey Zwickau verkieseltes Holz (evtl. sog. »Elefantenjaspis«) ungeklärt, evtl. Nahe-Gebiet, Idar-Oberstein I 15 b/11 No: 12 Jaspis bey Oedern, zwischen Freyberg und Chemnitz Verlust

55 Der Name des Goldschmieds und Geheimen Kämmerers Heinrich Taddel (1715–1794) ist heute nur noch wenigen Fachleuten und Interessierten bekannt. Dabei war er mehr als 45 Jahre lang bis zu seinem Tod im Auftrag des Dresdner Hofes mit der Betreuung des damals schon weithin bekannten Grünen Gewölbes betraut.1 Im Vorfeld seiner spätestens 1748 erfolgten Aufnahme in den Hofdienst muss es Taddel zudem in kurzer Zeit gelungen sein, durch seine Tätigkeit eine geachtete Position unter den zahlreichen in Dresden ansässigen Goldschmieden einzunehmen. So wird er bereits 1743 anlässlich eines Hauskaufs im Häuserbuch der Stadt als »Hof-Galanterie-Arbeiter« bezeichnet, also als anerkannter sächsischer Hoflieferant.2 Umso erstaunlicher ist es, dass über sein Schaffen und seine Werke bisher kaum gesicherte Mitteilungen vorliegen. Heinrich Taddel blieb bis heute stets im Schatten des von ihm protegierten, eine Generation jüngeren Juweliers und Goldschmieds Johann Christian Neuber, obwohl er in der Hierarchie bei Hof als Geheimer Kämmerer und später auch als Inspektor des Grünen Gewölbes weit höher stand als jener erst seit 1785 dort angestellte Hofjuwelier.3 Entgegen der immer wieder kolportierten Behauptung war Neuber nicht mit der Tochter von Taddel verheiratet, war also nicht sein Schwiegersohn. Auch hatte Neuber seine Lehre in Dresden von 1752 bis 1758 nicht bei Taddel, sondern bei dem aus Stockholm stammenden Goldschmied Johann Friedrich Trechtaon absolviert. Nach seinen Wanderjahren erhielt Neuber 1762 die Bürgerrechte in Dresden, wurde Mitglied der Gold- und Silberschmiedeinnung und 1767 erstmals als Hofgalanteriearbeiter genannt.4 UL F KEMPE , MART I N WAGNER Heinrich Taddel Goldschmied, Freimaurer, Geheimer Kämmerer und Inspektor des Grünen Gewölbes Inzwischen wissen wir, dass Neuber offensichtlich über längere Zeit, spätestens seit 1773, wahrscheinlich aber schon seit den 1760er-Jahren, in der Werkstatt von Taddel angestellt war.5 Taddel übernahm 1791 sogar eine Hypothek auf Neubers Haus, in dem sich damals auch dessen Werkstatt befand. Der Tod von Heinrich Taddel im Jahr 1794 besiegelte den endgültigen finanziellen Bankrott von Neuber im Folgejahr, nachdem der beruflich eigentlich erfolgreiche und weit über Dresden hinaus bekannte Goldschmied und Hofjuwelier bereits vorher in größere finanzielle Schwierigkeiten geraten war.6 Ein erster biografischer Bericht über Heinrich Taddel wurde 2012 in der bisher umfassendsten Monografie über Johann Christian Neuber publiziert.7 In dem darin enthaltenen Katalog sind insgesamt 224 damals bekannte Objekte aufgelistet, die entweder von Neuber selbst signiert oder ihm zugeschrieben worden sind. Meistens handelt es sich dabei um Golddosen mit unterschiedlichem Hartsteinbesatz, aber auch um andere, stilistisch ähnlich gestaltete Galanteriewaren wie Uhrenketten, Knöpfe und Stockknäufe sowie um zwei große Tafelaufsätze, zwei Prunktische und einen Kamin. Im Gegensatz dazu wird in jener Publikation jedoch kein einziges gesichertes Werk von Heinrich Taddel genannt –mit Ausnahme des Steinkabinetts im Grünen Gewölbe, das allerdings irrtümlich als eine »mit 214 kleinen polierten Tafeln besetzte Box« beschrieben ist.8

56 Abb. 1 Blick vom Ückersee auf die Marienkirche in Prenzlau, um 1930. In der Marienkirche wurde Taddel 1715 getauft. Abb. 2 Familientafel von Heinrich Taddel Heinrich Taddel ≈ 12. 11. 1677 in Stettin � 2. 10. 1727 in Prenzlau Bader, Balbier, Chirurg Heinrich Taddel ≈ 2. 7. 1715 in Prenzlau † 16. (� 21.) 12. 1794 in Dresden Gold- und Silberarbeiter, 1740 Meister in Dresden, Hofgalanteriearbeiter, Geheimer Kämmerer, Inspektor des Grünen Gewölbes Joh. Christian Taddel * 19. 6. 1738 in Stettin † 12. 10. 1799 in Berlin Goldarbeiter, Goldjuwelier, ca. 1765 Amtsmeister in Berlin geb. Rauch * 17. Jh. ∞ Heirat * Geburt ≈ Taufe † Tod � Begräbnis Eva Regina Hütter * um 1712 � 10. 7. 1754 in Dresden Christiana Sophia Wiedemann * um 1733 † 8. (� 12.) 9. 1787 in Dresden Clara Euphrosina Florip Gottfried Taddel * 17. Jh. � 6. 5. 1695 in Prenzlau Balbier, Chirurg Catharina Krafft * 17. Jh. Christian Taddel ≈ 7. 4. 1686 in Prenzlau � 14. 1. 1753 in Stettin Gold- und Silberarbeiter, 1719 Meister in Stettin ∞ 1677 in Stettin ∞ 1734 in Stettin ∞ ∞ ∞ 1712 in Prenzlau

57 Geburt und Herkunft Die Herkunft und das Geburtsjahr von Heinrich Taddel blieben bisher weitgehend unklar. Aus den Unterlagen zur Einbürgerung in Dresden ist bekannt, dass er aus Brandenburg zugezogen war. Sein Geburtsjahr wurde mit 1714 angegeben, da er 80 Jahre alt gewesen sein soll, als er 1794 starb.9 Zusätzliche Recherchen erlauben uns nun, seine frühe Familiengeschichte zumindest teilweise zu rekonstruieren. Tatsächlich stammte Heinrich Taddel aus Prenzlau in der brandenburgischen Uckermark und wurde am 2. Juli 1715 in der dortigen Marienkirche getauft, ist also kurz zuvor in jenem Jahr geboren (Abb. 1).10 Der Großvater, Gottfried Taddel, »Barbierer von Stettin bürtig« übersiedelte mit seiner Familie – wahrscheinlich aufgrund der weitgehenden Zerstörung der Hauptstadt von Schwedisch-Pommern durch preußische Truppen – nach Prenzlau und wurde am 28. August 1682 dort eingebürgert.11 Sein Sohn, der Vater des zukünftigen Goldschmieds, mit Namen ebenfalls Heinrich Taddel, war noch während der Belagerung von Stettin im November 1677 zur Welt gekommen (Abb. 2).12 Nichtsdestotrotz wurde Letzterer bei der späteren Erlangung der Bürgerrechte am 9. September 1709 in Prenzlau im Bürgerbuch als »Barbierer, alhier gebürtig« bezeichnet.13 Sein Bruder Christian Taddel, der Onkel unseres späteren Goldschmieds, wurde am 7. April 1686 in Prenzlau getauft. Dieser schlug statt der Laufbahn eines Barbiers die eines Goldschmieds ein und erhielt am 8. August 1719 in Stettin den Meisterbrief der Goldschmiedeinnung.14 Am 18. April 1712 heiratete Heinrich Taddel senior in Prenzlau eine Frau Rauch, deren Vorname im Traubuch nicht genannt wurde. Die nächste Familiennachricht datiert vom 2. Oktober 1727, als in Prenzlau »Herr Heinrich Taddel, Chirurgus« bestattet wurde, womit zweifellos der Vater des späteren Goldschmieds gemeint war.15 Der Beruf eines Barbiers war in dieser Zeit dem des Baders, Chirurgen oder Feldschers nah verwandt, sodass die Bezeichnungen mitunter gleichbedeutend benutzt wurden.16 In den zeitgenössischen Quellen aus Norddeutschland finden sich mehrere Personen gleichen Familiennamens unter diesen Berufsbezeichnungen, weshalb man wohl von einer entsprechenden Familientradition ausgehen kann. Heinrich Taddel junior war mit dem Tod des Vaters zwölfjährig zumHalbwaisen geworden. Wie sein weiterer Lebensweg bis zur Übersiedlung nach Dresden verlaufen ist, kann bislang nur vermutet werden. Zunächst hatte er wohl in Prenzlau die Lateinschule besucht, die erst 1704 vergrößert worden war und sich unter dem damaligen Rektor Levin Leopold Procopius eines guten Rufes erfreute.17 Später kam Taddel möglicherweise bei Verwandten in Berlin oder in Stettin unter, wo er bei seinem Onkel Christian eine Goldschmiedelehre absolviert haben könnte.18 Umzug nach Dresden: Heinrich Taddel als Goldschmied und Freimaurer Spätestens seit dem 30. Juni 1740 war Taddel mit Erlangung der Bürgerrechte als »Gold- und Silberschmied« in Dresden ansässig.19 Er war zu diesem Zeitpunkt fast 25 Jahre alt. In der Folgezeit lässt er sich regelmäßig in den Verzeichnissen der Gold- und Silberschmiedeinnung nachweisen. Die Quellen überliefern zudem drei Lehrlinge. Die ersten beiden, Carl Christian Stoll und Johann Friedrich Raunich, begannen 1743 bzw. 1744 ihre Lehre.20 1743 war ein bedeutendes Jahr im Leben von Heinrich Taddel: Am 24. September kaufte er für 6750 Taler ein Haus auf der Breiten Gasse 19 in der Dresdner Altstadt (heute im Bereich der Altmarkt-Galerie).21 Der Kauf belegt den beträchtlichen finanziellen Spielraum, über den er bereits verfügte. So erscheint er 1746 in einer Liste von 25 Hoflieferanten im Zusammenhang mit den Kosten für zahlreiche Pretiosen und Juwelen, die dem Hof geliefert, aber noch nicht bezahlt worden waren. Die offenen Rechnungen sollten zur Leipziger Ostermesse beglichen werden.22 Ebenfalls im Jahr 1743 wurde Heinrich Taddel unter dem Brudernamen »Caesar« in die 1738 gegründete Freimaurerloge Zu den drei goldenen Schwertern aufgenommen.23 Diese Mitgliedschaft spielte gewiss eine nicht unbedeutende Rolle bei seinem Aufstieg am sächsischen Hof. In den Dresdner Freimaurerlogen jener Zeit hatten sich Adlige, Hofangestellte und Militärs, die überwiegend nicht aus dem alten sächsischen Adel stammten, zusammengeschlossen. Für sie bildeten die Logen ein verlässliches Netzwerk, um sich in der höheren Gesellschaft behaupten zu können.24 Zum Großmeister der Loge Zu den drei goldenen Schwertern war 1741 Friedrich August Graf Rutowski gewählt worden, ein illegitimer Sohn Augusts des Starken.25 1747 wurde Taddel zum Schatzmeister und 1748 zum Ersten Aufseher der Loge bestellt. Noch 1772 ist er als Mitglied der Loge belegt.26 Es lässt sich zudem nachweisen, dass zum Ende des 18. Jahrhunderts einige Mitglieder der Loge unter Beteiligung von Heinrich Taddel und des Hofmarschalls und Meisters zum Stuhl, Freiherr Joseph Friedrich zu Racknitz, Rohsteinmaterial zur Schmucksteinverarbeitung und als Sammlungsobjekte untereinander ausgetauscht haben.27

58 Abb. 3 Der Aufzug des Herolds mit Verkündung eines Kartells und Artikels zum Ring- und Quintanrennen in Dresden im Jüdenhof mit dem Gewandhaus und Kurfürstlichen Regimentshaus, Gabriel Tzschimmer, 1680, Radierung, Kupferstich in zwei Platten, 30,7×47,8 cm, Kupferstich-Kabinett, SKD, Inv.-Nr. A 157603 Das Wohnhaus von Heinrich Taddel aus zwei Gebäudeteilen befindet sich am rechten Rand der linken Platte. Abb. 4 Das Wohnhaus von Heinrich Taddel (Pfeil) 1930 im Zentrum von Dresden vor der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg. Abb. 5 Blick vom Neumarkt in die Landhausstraße. Das Haus von Taddel ist links vom Denkmal für Friedrich August II. zu sehen, Stadtarchiv Dresden, 17.6.2.3 Nr. 74 Abb. 6 Das Freigut »Zur Grünen Wiese« mit Gasthof und Lusthaus (rechts) in Gruna bei Dresden, Friedrich Gottlob Schlitterlau, um 1770, Radierung, Kupferstich, 13,0×20,6 cm, Kupferstich-Kabinett, SKD, Inv.-Nr. A 1995-4324

59 Nach seiner Ernennung zum Geheimen Kämmerer 1748 tätigte Taddel mehrere Immobiliengeschäfte. So verkaufte er das Haus in der Breiten Gasse 1753 wieder.28 Schon vorher hatte er zudem mehrere andere Häuser bzw. Grundstücke erworben. Er kaufte 1752 für 12500 Taler ein Haus am Jüdenhof/Ecke Frauengasse (Dresden-Altstadt, Nähe Neumarkt, Abb. 3, 4)29 und für 14000 Taler ein weiteres Gebäude in der Landhausstraße 1 (ebenfalls Dresden-Altstadt, Nähe Neumarkt, Abb. 5), das er 1787 kurz vor dem Tod seiner Ehefrau wieder veräußerte.30 Bereits seit 1751 besaß er außerdem das Freigut Grüne Wiese in Gruna nahe dem Großen Garten, auf dem ein Landhaus mit Gasthof, die spätere Grüne Aue, und ein kleiner Park entstanden waren (Abb. 6).31 Nach Meinung früherer Autoren war Taddel in Dresden nicht als Goldschmied, sondern nur als Händler von Juwelen und Pretiosen tätig. Selbst die von ihm signierten Dosen sollen ausnahmslos von anderen Goldschmieden hergestellt worden sein. Unter anderem wird darauf verwiesen, dass er sehr unregelmäßig und selten Lehrlinge bei sich aufnahm. Zudem wurde irrtümlich angenommen, dass Taddel die in der Liste von 1746 erwähnten Juwelen auf der Leipziger Messe nur weiterverkauft und nicht selbst gefertigt hatte.32 Es ist jedoch schon länger bekannt, dass er vor dem 12. Januar 1751 ein von ihm selbst geschaffenes, reich mit Diamanten besetztes Ordenskreuz des polnischen Weißen-Adler-Ordens an den sächsischen Hof geliefert hatte.33 Wie bereits erwähnt, wurde Taddel schon frühzeitig der Titel eines Hofgalanteriearbeiters verliehen. Die entsprechende Urkunde »vor den Goldarbeiter Heinrich Taddel« ist auf den 2. Dezember 1743 datiert (Abb. 7).34 In der dazu am 24. Oktober an den Kurfürsten und polnischen König aus Leipzig gerichteten Bittschrift schrieb Taddel, dass er sein »weniges vermögen aus den Preußischen Landen gezogen, und unter Dero [des sächsischen Kurfürsten] allerhöchste Protection [. . .] [sich] begeben, auch in procinctu stehe [. . .] in Dreßden ein eigenthümliches Hauß zuerkauffen«. Bemerkenswert ist, dass Taddel in diesem Zusammenhang bereits auf die königlich-kurfürstliche Anerkennung seiner Arbeiten verweisen konnte: »Da ich nun die Gnade gehabt Ew. Königl. Majestät und Dero Königl. Frau Gemahlin Majestät einige Stücke von meiner Arbeit allerunterthänigst zuverkauffen, und zu Aufnahme meiner Profession mir sehr dienlich wäre, wenn Ew. Königl. Majestät mir das Praedicat Dero Hof Galanterie-Arbeiters, allergädigst zuertheilen geruhen möchten.«35 Auch pflegte der Geheime Kämmerer in der Folge zu Kurprinz Friedrich Christian Kontakte, die offensichtlich teils persönliche Züge annahmen. So geht aus den die Privatschatulle des Prinzen betreffenden Rechnungen hervor, dass »dem H. Goldarbeiter Taddel vor eine geliefferten Schmuck von Brilianten und Schmaragde« am 31. Oktober 1748 die beträchtliche Summe von 1 155 Talern und für »eine Tabattiere von Lapis Lazuli in Gold« am 1. April 1750 nochmals 66 Taler gezahlt wurden. Am 9. August sowie 7. und 23. September desselben Jahres besuchte der Prinz die Grüne Wiese, unter anderem zum Kartenspiel, wie aus den abgerechneten »Discretionen« (Trinkgeldzahlungen) hervorgeht.36 Am 16. Juli 1759, also schon während des Siebenjährigen Krieges, übersandte Taddel dann an Friedrich Christian eine wohl selbstgezüchtete Melone, wofür der Überbringer 16 Groschen Trinkgeld erhielt.37 Abb. 7 Reinschrift der Urkunde zur Verleihung des Titels als Hofgalanteriearbeiter an Heinrich Taddel vom 2. Dezember 1743, HStADD, 10026 Geheimes Kabinett, Loc. 896/14 (1740– 1743), fol. 260

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95 Selbst bei der längeren Betrachtung von herausragenden Steinschnittobjekten in den Vitrinen der Museen wird meist nicht klar, wie schwierig es ist, größere attraktive und bearbeitbare Rohsteine in den Brüchen oder Bergwerken zu gewinnen. Bei den hier im Mittelpunkt stehenden Hartsteinen sind besonders die häufigen Rissbildungen ein Problem.2 Wie in anderen Zentren der Steinschneidekunst in Europa wurden deshalb auch in Dresden gute Funde sorgfältig aufbewahrt und sparsam eingesetzt.3 Über große Vorräte von vorrangig aus sächsischen Fundorten stammenden Schmucksteinen verfügte der Goldschmied Johann Christian Neuber, wie der überlieferte Versteigerungskatalog seiner Werkstatt von 1795 belegt.4 Aus diesem ist zudem ersichtlich, dass sich Neuber selbst nicht mit den notwendigen Steinschnittarbeiten beschäftigte, die stets von externen qualifizierten Steinschneidern ausgeführt wurden. Er selbst hatte sich auf Goldschmiedearbeiten zur Fertigung von Galanteriewaren unter Verwendung von Hartsteinen spezialisiert. Sein Rohmaterial stammte unter anderem aus dem sporadischen Abbau in zwei Brüchen bei Schlottwitz und Chemnitz-Altendorf, für den er jeweils mehrjährige Konzessionen besaß.5 Wie im Weiteren gezeigt werden soll, ist ein nicht unbedeutender Teil bearbeitbarer Steine jedoch auch auf anderen Wegen in seine Hände gelangt, so zum Beispiel über seinen Mentor, den Goldschmied und Geheimen Kämmerer Heinrich Taddel.6 Im Rahmen der Erforschung des Steinkabinetts von Heinrich Taddel wurden auch die Steinkabinetttische aus dem Schloss Mosigkau bei Dessau eingehender untersucht. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse erlauben eine Zuschreibung dieser Möbelstücke an die Werkstatt des Dresdner Hofjuweliers Johann Christian Neuber (siehe S. 229–233). Bei der Betrachtung der auf den Tischplatten präsentierten herausnehmbaren Gesteinstafeln fiel auf, dass sie in der Regel als Paare aus einem Rohstück geschnitten worden sind. Die Tafeln bilden meist spiegelbildliche, direkte Gegenstücke von einer Schnittebene oder Parallelschnitte, wie an dem Beispiel zweier Paare aus Schlottwitzer Trümmerachat demonstriert werden kann (Abb. 1). In ganz ähnlicher Weise sind die nahezu quadratischen Tafeln aus sogenanntem Silberachat von Johanngeorgenstadt im Erzgebirge gefertigt worden, die sich in verschiedenen Teilen der Mineralogischen Sammlungen der TU Bergakademie Freiberg erhalten haben (Abb. 2). Nach der Überlieferung waren sie für einen Konsoltisch gedacht, der wohl ebenfalls Neuber zuzuordnen ist (siehe S. 127–131). Diese beiden Beispiele belegen, dass es bei einer charakteristischen Musterung der Schmucksteine durchaus möglich ist, im Nachhinein zu bestimmen, welche bearbeiteten Hartsteine zu demselben Ausgangsstück gehören.1 UL F KEMPE , ANDREAS MASSANEK , KLAUS THALHE IM, MI CHAE L WAGNER Gegenstücke Durch den Steinschnitt getrennt – nach Jahrhunderten wiedervereint

98 Abb. 6 Gegenstücke aus klassischem indischem Heliotrop: Tafel No: 5 der »ausländischen« Steine, Steinkabinett Heinrich Taddel, 4,0×3,3×0,3 cm, Grünes Gewölbe, SKD, Inv.-Nr. I 15 a/5; flacher Teller aus Heliotrop, Grünes Gewölbe, SKD, Inv.-Nr. V 29a Abb. 5 Gegenstücke aus »Korallenachat« von Halsbach bei Freiberg: Tafel No: 75 der »sächsischen« Steine, Steinkabinett Heinrich Taddel, 3,9×3,3×0,5 cm, Grünes Gewölbe, SKD, Inv.-Nr. I 15 b/75; Deckel einer ungefassten Dose, Grünes Gewölbe, SKD, Inv.-Nr. 1939/1 Abb. 4 Gegenstücke aus Hornstein: Tafel No: 14 der »ausländischen« Steine, bezeichnet als »Jaspis aus der Schweiz an der italienischen Grenze«, Steinkabinett Heinrich Taddel, 4,0×3,3×0,3 cm, Grünes Gewölbe, SKD, Inv.-Nr. I 15 a/14; Beleg aus der »oryctognostischen« Sammlung Werner, 8,3×5,5× 1,0 cm, TU Bergakademie Freiberg, Inv.-Nr. WeSa 101369 (Originalnummer in der Wernersammlung: 1369) In beiden Objekten ist der indische Heliotrop von Tankarra in Gujarat als »Buntjaspis« mit grünen, roten und gelben Farbtönen ausgebildet. Die charakteristischen Muster wiederholen sich spiegelbildlich.

99 Nilkiesel und Badischer Hornstein Im Steinkabinett von Heinrich Taddel befinden sich unter den sogenannten »ausländischen« Steinen zwei Tafeln, deren direkte Gegenstücke noch heute in der systematischen, ehemals privaten »oryctognostischen« Sammlung von Abraham Gottlob Werner in Freiberg verwahrt sind. In einem Fall handelt es sich um einen der im 18. Jahrhundert äußerst populären Nilkiesel, von denen allein im Taddelschen Kabinett fünf Belege vorhanden sind. Nilkiesel sind eine besondere Form von sekundären kugeligen Hornsteinbildungen, die in den Sedimenten der ägyptischen Wüsten vorkommen.7 Seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts wurden sie von Reisenden vorrangig entlang der Ufer des Nils gesammelt und in größeren Mengen nach Europa gebracht.8 Der Nilkiesel der abgebildeten Tafel No: 8 unter den »ausländischen« Steinen aus dem Steinkabinett von Heinrich Taddel bildet das direkte Gegenstück eines Belegs aus der »oryctognostischen« Sammlung von Abraham Gottlob Werner (Abb. 3). Ein anderer, bereits seit der Renaissance intensiv genutzter Schmuckstein, der ebenfalls zu den Hornsteinen gehört, ist der attraktiv gefärbte sogenannte Badische oder Markgräfler Jaspis.9 Diese farbigen Hornsteinknollen kommen in den Kalksteinen bei Schlingen und Liel in Südbaden vor.10 Im Steinkabinett von Heinrich Taddel wird das ebenfalls durch fünf Tafeln vertretene Material fälschlich als »Jaspis aus der Schweiz an der italienischen Grenze« bezeichnet – gemeinsam mit zwei weiteren Tafeln, die in Wirklichkeit aus Sizilianischem Jaspis von Giuliana geschnitten wurden.11 Auch in diesem Fall bildet eine der Tafeln des Badischen Hornsteins aus dem Steinkabinett (No: 14 der »ausländischen« Steine) das spiegelbildliche Gegenstück zu einer Tafel in der »oryctognostischen« Sammlung von Abraham Gottlob Werner in Freiberg. Diese wurde im nachträglich erstellten Katalog entsprechend der Klassifikation von Werner etwas irreführend als »roter ägyptischer Jaspis« verzeichnet (Abb. 4). Die beiden Gegenstücke zu den Taddelschen Belegen sind vermutlich über Johann Christian Neuber nach dessen Bankrott über die Freiberger Mineralienniederlage in die Sammlung von Abraham Gottlob Werner gelangt.12 Halsbacher Achat und indischer Heliotrop Anders liegen die Verhältnisse bei einer Tafel des Steinkabinetts aus sogenanntem Korallenachat oder Korallenstein von Halsbach bei Freiberg. Seine Nutzung als Schmuckstein ab etwa 1797 geht zurück auf die Initiative von Ehrenfried Walther von Tschirnhaus, einem der Erfinder des sächsischen Porzellans.13 Die Gesteinstafel bildet das Gegenstück zu einer ungefassten Dose, die im Grünen Gewölbe verwahrt wird und deren Korpus und Deckel aus einem Stück geschnitten wurden. Generell sind die Abfolgen in der Bänderung des Halsbacher Achats immer dieselben. Bei der Taddelschen Steinkabinettstafel und der Dose stimmen sie jedoch bis in das letzte Detail überein (Abb. 5). Die Dose wurde erst 1939 in Idar-Oberstein beim Heimatforscher Ernst Falz für das Grüne Gewölbe angekauft. Auch weil sie offensichtlich nie eine der üblichen Goldfassungen erhielt, könnte sie aus der Sammlung des Herzogs Anton Ulrich von Sachsen-Meinigen stammen, der derartige Dosen ohne Fassungen in großem Umfang gesammelt hat.14 Nach der Revolution im November 1918 und der Abdankung des letzten Herzogs wurden um 1920 größere Teile seiner Sammlung an den Juwelier Philipp Gräf d. J. in Idar verkauft, der vorher Hoflieferant des Sachsen-Meining’schen Herrscherhauses gewesen war.15 Bei der Tafel aus dem Steinkabinett handelt es sich also entweder um ein aus den Resten nach der Fertigung der Dose oder ein gleichzeitig bei deren Bearbeitung gewonnenes Belegstück. Im Depotbestand des Grünen Gewölbes befindet sich ein in einfachen Formen geschnittenes Koppchen zusammen mit einem flachen Teller (Abb. 6). Beide sind aus klassischem indischem Heliotrop geschnitten. Sie bestehen in Gänze aus Stein und haben keine Goldschmiedefassungen erhalten. Der Heliotrop zeigt auf dem Teller ein ungewöhnlich geschwungenes, farbiges Motiv. Derartig intensiv gefärbte, attraktive Ausbildungen von Heliotrop werden in den historischen Beschreibungen häufig auch als »Buntjaspis« bezeichnet. Genau dasselbe Muster wie auf dem Teller findet sich auf einer von fünf Tafeln aus indischem Heliotrop bzw. Plasma im Steinkabinett von Heinrich Taddel.16 Die polierten Oberflächen beider Objekte erweisen sich als spiegelbildliche Wiederholungen derselben Struktur. Der Befund ist auch deshalb von Interesse, weil über das Alter und die Herkunft von Teller und Koppchen bisher keine Angaben vorlagen. Nunmehr kann angenommen werden, dass beide Objekte vor oder spätestens um 1757 in Dresden gefertigt worden sein müssen, denn in diesem Jahr lässt sich das Taddelsche Steinkabinett erstmals in den Akten des Münzkabinetts nachweisen.17

100 Abb. 8 Gegenstücke von Schlottwitzer Bandachat (teils mit Trümmerachat): Unten: Beleg aus der Sammlung Racknitz, 11,5×8,5×4,5 cm, Senckenberg Naturhistorische Sammlungen Dresden, Inv.-Nr. Min 4944 Sa (Originalnummer: Racknitz 412) Oben: Tafel, 5,8×4,1 ×0,4 cm, Kunstgewerbemuseum, SKD, Inv.-Nr. 46310 Abb. 7 Gegenstücke aus Schlottwitzer Bandachat: Links unten: 12× 11 ×2 cm, Senckenberg Naturhistorische Sammlungen Dresden, Inv.-Nr. Min 4955 Sa Rechts oben: Beleg aus der »oryctognostischen« Sammlung von Werner, 6,0×6,2× 1,3 cm, TU Bergakademie Freiberg, Inv.-Nr. WeSa 101189 (Originalnummer in der Wernersammlung: 1189)

101 Schlottwitzer Achat Wie oben erwähnt, verfügte Johann Christian Neuber zwischen 1775 und 1795 über eine Lizenz für den Abbau von Achat und Amethyst auf der Cunnersdorfer Flur im Müglitztal in der heutigen Ortslage von Schlottwitz. Ein ungewöhnlich großes Stück des dort anzutreffenden Materials, das Neuber an vielen seiner bekannten Kunstwerke verwendet hat, stand jedoch offensichtlich schon lange vor dessen Tätigkeit als Goldschmied in Dresden Heinrich Taddel zur Verfügung. Ein großes Reststück dieses Achats befindet sich heute im Museum für Mineralogie und Geologie der Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen in Dresden. Es stammt aus dem historischen Altbestand der damals kurfürstlich-­ königlichen sächsischen Mineralsammlung von vor 1806. Wie genau es in die Kollektion gelangte, lässt sich nicht mehr feststellen. Drei weitere Belege sind in der vor 1814 entstandenen »oryctognostischen« Sammlung von Abraham Gottlob Werner in Freiberg erhalten geblieben (Abb. 7). Eines der Freiberger Stücke und ein zusätzlicher Beleg aus der Sammlung in Dresden zeigen, dass in dem Material nicht nur der typische Bandachat, sondern auch der berühmte Trümmerachat von Schlottwitz vertreten ist.18 Bei den Trümmerachaten ist der ursprüngliche Achat durch tektonische Prozesse in größere und kleinere scharfkantige Stücke zerbrochen und danach durch neu gebildeten Quarz wieder verheilt worden. Das Problem der Entstehung dieses merkwürdigen Achatgesteins rief Ende des 18. Jahrhunderts rege Diskussionen in den naturkundlich interessierten Kreisen hervor, an denen auch Johann Wolfgang von Goethe beteiligt war. Den beiden Belegen mit Trümmerachat aus Freiberg und Dresden lässt sich noch eine weitere Tafel im Kunstgewerbemuseum der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden im Schloss Pillnitz zuordnen (Abb. 8). Das Stück aus Band- und Trümmerachat aus den Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen stammt aus der am Ende des 18. Jahrhunderts berühmtesten und größten Dresdner Privatsammlung des Oberhofmarschalls Joseph Friedrich Freiherr zu Racknitz. Wie dieser auf dem erhaltenen Originaletikett vermerkt hat, war der Vorbesitzer Johann Carl Schlipalius, ein Sammler und Händler von Mineralen, der als Kanzeleikopist zwischen 1779 und 1794 in sächsischen Staatsdiensten stand.19 Die Sammlung Racknitz gelangte 1805/06 nach langjährigen Verhandlungen durch Ankauf in die kurfürstlich-königliche sächsische Mineralsammlung. Wie bereits angemerkt, muss der Rohstein, von dem alle diese beschriebenen Stücke stammen, schon mindestens seit 1757 in Dresden vorhanden und im Besitz von Heinrich Taddel gewesen sein. Denn bei einer der Tafeln aus Schlottwitzer Material in dessen Steinkabinett mit der No: 27 handelt es sich um einen weiteren Parallelschnitt von demselben Stück (Abb. 9).20 Offensichtlich ist dieser bemerkenswerte Schlottwitzer Band- und Trümmerachat später von Taddel an Neuber weitergegeben worden. Mehrere Teile davon lassen sich an seinen Werken nachweisen. Der Achat findet sich zum Beispiel an einer Schale hinter dem großen Porzellanadler über der Feuerungsöffnung am ursprünglich von Neuber signierten Prunkkamin von 1782 im Grünen Gewölbe (Abb. 10). Aber auch an vielen seiner zahlreich erhaltenen Steinkabinettdosen, die bis zu 140 sächsische Schmucksteine vereinen, wurde das Gestein verwendet (Abb. 11).21 Darüber hinaus lassen sich an weiteren Objekten und in anderen Sammlungen heute noch Belege desselben Achats nachweisen, so auf den oben beschriebenen Steinkabinetttischen in Schloss Mosigkau bei Dessau mit zwei als Paar geschnittenen Tafeln, im Naturhistorischen Museum Wien und in der Freiberger Mineralogischen Hauptsammlung.22 Abb. 9 Mikroskopische Aufnahmen von Gegenstücken aus Schlottwitzer Bandachat. Links oben: Tafel No: 27 der sächsischen Steine, Steinkabinett Heinrich Taddel, Grünes Gewölbe, SKD, Inv.-Nr. I 15 b/27 Rechts unten: Stück aus der »oryctognostischen« Sammlung von Werner, TU Bergakademie Freiberg, Inv.-Nr. WeSa 101189 (Originalnummer: 1189). Die Bänderungen in beiden Belegen stimmen auch unter demMikroskop bis in das kleinste Detail überein. 2 mm

171 Abb. 1 Prunkkamin, Johann Christian Neuber, Dresden, 1782, verschiedene Gesteine, Porzellan, Gold, Grünes Gewölbe, SKD, Inv.-Nr. I 51 (Detail) An den beiden Seiten des hohen Vasensockels kann der gelbliche »Tigerstein« zusammen mit dem »Gnandsteiner Bandjaspis« aus der Gegend von Kohren-Sahlis betrachtet werden. Auf Johann Christian Neubers Prunkkamin von 1782 (siehe Kat.-Nr. 10) findet sich an beiden Seiten des hohen gewölbten Sockels unter der zentralen Prunkvase, dort, wo zwei geflügelte weibliche Genien aus weißem Biskuitporzellan sitzen, ein eigentümlich getüpfeltes, bräunlich-gelbliches Gestein. Dieses wurde in quadratische, leicht gewölbte Tafeln geschnitten und mit Goldfassungen in sogenannter Zellmosaiktechnik zwischen ebenso geschnittene Platten aus hellbraun, rotbraun und grün gestreiftem »Gnandsteiner Bandjaspis« (siehe S. 147–150) gesetzt (Abb. 1).1 Für dieses ungewöhnliche Material sind die Gesteinsansprache und Herkunft zunächst völlig unklar. Von früheren Bearbeitern wurde es als gelb-braunes verkieseltes Holz aus Hilbersdorf bei Chemnitz bestimmt oder es wurden für das Kieselholz mehrere mögliche Fundorte wie Chemnitz, der Plauensche Grund bei Dresden oder Flusssedimente der Elbe und der Zschopau angegeben.2 In der Mineralogischen Hauptsammlung der TU Bergakademie Freiberg konnte ein neuer Lesesteinfund desselben Materials aus dem Jahr 2002 ausfindig gemacht werden.3 Er wird auf dem Etikett als Chalcedon bezeichnet, als Herkunftsort ist die sogenannte Ochsendrehe von Korbitz bei Meißen angegeben (Abb. 2 links).4 Auch in der vor 1814 entstandenen, systematischen »oryctognostischen« Mineralsammlung von Abraham Gottlob Werner in Freiberg befindet sich eine geschnittene und polierte Platte aus diesem Schmuckstein (Abb. 2 rechts). Bei der Anfang des 19. Jahrhunderts erfolgten nachträglichen Aufnahme der Sammlung und der Erstellung eines ersten Katalogs wurde das Gestein auf einem beigelegten Etikett als Hornstein angesprochen und eine Herkunft aus dem Triebischtal bei Meißen vermutet. Die Ortsangabe stützte UL F KEMPE Der »Tigerstein« von Korbitz bei Meißen

172 Abb. 3 »Tigerstein« zusammen mit rötlichem Achat von Schlottwitz und gelbem »Kiesel von Moritzburg« sowie violettem Schlottwitzer Amethyst auf demMittelteil eines runden Sockels zum Tafelaufsatz für den sächsischen Kurfürsten Friedrich August III. von 1776, Johann Christian Neuber, Dresden, Grünes Gewölbe, SKD, Inv.-Nr. 1931/1c (Detail) Abb. 2 »Tigerstein«: Links: etikettiert als Chalcedon von der Ochsendrehe bei Korbitz, B. 11,5 cm, Neufund von 2002, TU Bergakademie Freiberg, Inv.-Nr. MiSa 81929 Rechts: »Tigerstein« aus der »oryctognostischen« Sammlung Werner, bezeichnet als Hornstein aus dem Triebischtal bei Meißen, B. 11,0 cm, TU Bergakademie Freiberg, Inv.-Nr. WeSa 100981 (Originalnummer: 981)

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