Leseprobe

102 Bereits in frühen Arbeiten Shermans tauchen immer wieder clowneske und karnevaleske Elemente auf. Eingehender widmet sie sich der schillernd paradoxen Figur des Clowns allerdings erst 2003. Als Unterhaltungsfigur verkörpert der Clown unterschiedliche Charaktere, die amüsieren, aber auch schockieren und beängstigen können. Dabei brechen sein Erscheinungsbild, seine Mimik, Gestik und Sprache immer wieder mit vorherrschenden Konventionen, was ihn in die Rolle des gesellschaftlichen Außenseiters drängt. Wahrscheinlich ist es eben jene Widersprüchlichkeit und gleichzeitige Unberechenbarkeit der Clowns, die Sherman reizt und sie nach umfangreichen Recherchen dazu bewegt, sich in 18 Werken mit den Charakteren unter der Schminke zu beschäftigen. Die Künstlerin arbeitet gewohnt analog, experimentiert bei der Gestaltung der bunten, zuweilen fast psychedelisch anmutenden Hintergründe erstmals mit digitaler Bildbearbeitung. So ersetzt sie mitunter die Hintergründe von vier ausschließlich Designerstücke tragenden Clowns, die bereits im Juni 2003 in der British Vogue veröffentlicht wurden: Während dort eine Version von Untitled #414 mit blauen und türkisen Schmetterlingen abgedruckt ist, posiert derselbe Clown in Shermans großformatiger Arbeit vor einem leuchtend orangenen Bildgrund. Er hüllt sich in eine übergroße, mit Pailletten bestickte Jacke von John Galliano, die bei der Präsentation der Frühjahrskollektion 2003 von einem Model mit ähnlich voluminöser Perücke vorgestellt wurde. Parallelen wie diese zeugen von Shermans intensiver Auseinandersetzung mit Mode, aber auch ihrem ambivalenten Verhältnis dazu: Mode wird zum Mittel der Kritik an der Mode selbst, indem sie diese nicht explizit als Kleidung, sondern als Verkleidung im Sinne eines Kostüms wahrnimmt. Wie das Make-up verhüllt auch die Mode den Körper, kostümiert oder verschleiert ihn und schafft Distanz zwischen der Person darunter und den Betrachtenden, aber auch zwischen den Darstellenden und den neu entstehenden Identitäten und Kunstfiguren. CLOWNS

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