Leseprobe

90 In der frühen Bundesrepublik Deutschland war das Sammeln moderner Kunst ein Bekenntnis: Ein Bekenntnis zu dem Bruch mit der nationalsozialistischen Vergangenheit; ein Bekenntnis zu einem gewissen Wohlstand und Anteil an dem »Wirtschaftswunder« der 1950er Jahre; ein Bekenntnis zu dem Hunger nach geistigen Werten – über die geschaffenen Wirtschaftswerte unternehmerischer Erfolge hinaus; und – spätestens seit der zweiten documenta 1959 – ein Bekenntnis zu der jüngsten westlichen Kunstgeschichtsschreibung, die in der abstrakten Kunst den Höhe- und Kulminationspunkt der Kunst im freien Westen sehen wollte. Auf die Entstehung der Sammlung von Brigitte und Hans Robert Thomas treffen all diese Faktoren zu. Brigitte Thomas geborene Hueck stammte aus einer wohlhabenden Lüdenscheider Fabrikantenfamilie, in der es schon vor dem Zweiten Weltkrieg zum guten Ton gehörte, Musik und bildende Kunst zu fördern. So zählten ihre Eltern Gertrud und Eduard Hueck bereits in den 1920er Jahren zu den Förderern der Lüdenscheider Malerin Ida Gerhardi, von der sie sich auch porträtieren ließen. Hans Robert Thomas erinnerte Zeit seines Lebens jedoch gerne daran, dass er selbst als bescheidener Färbersohn aufgewachsen war, dem erst durch den Eintritt in die Firma der Schwiegereltern der unternehmerische Erfolg und die Mittel zuteilwurden, sich für die Förderung von Kunst und Musik zu engagieren: Das nach dem Krieg in Köln aufgenommene Instrumentalstudium im Fach Violoncello gab er auf, um 1951 die Geschäftsführung der Firma Hueck & Cie., später Hueck Folien, im oberpfälzischen Weiden zu übernehmen. Durch den Nachholbedarf der Wirtschaftswunderzeit an Tabak- und Süßwaren florierte die auf die Herstellung von Stanniol- und bedruckten Aluminiumfolien für Lebens- und Genussmittel spezialisierte Firma alsbald. Während die Unternehmer und westdeutschen Großsammler Bernhard Sprengel (1899–1985) und Peter Ludwig (1925–1996) durch die Produktion und den Vertrieb von Schokolade ihr Vermögen aufbauten, lieferte Hans Robert Thomas die Stanniolverpackungen zu. Gemeinsam war ihnen die Suche nach Erfüllung durch die Kunst. Durch den 1950 ebenfalls nach Weiden gekommenen Arzt und Künstler Friedrich Herlt (1914–2010) wurde das Ehepaar Thomas in den 1950er Jahren bei den Kunsthändlern Günther Franke in München und Hein und Eva Stünke in Köln eingeführt, die den Aufbau ihrer Sammlung entscheidend prägten.

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